Gelsenkirchen-Ückendorf. Gelsenkirchener beschweren sich bei Polizei und KOD über Lärm, Müllberge und Auto-Poser in Ückendorf. Warum den Menschen der Geduldsfaden reißt.
Das ist neu: Jetzt fordern genervte Bürger sogar „zivile Einsatzkräfte“, um die Missstände im Ückendorfer Quartier besser in den Griff zu kriegen. Nach wie vor beschweren sich Anwohner über Zuwanderer aus Südosteuropa, die seit Jahren zahlreich nach Gelsenkirchen ziehen. Die Klagen sind dabei oft dieselben: Müllberge, Lärm bis in die frühen Morgenstunden und rücksichtsloses Verhalten, kurz gesagt: Die Nachbarschaft leidet extrem. „Kaum dass Polizei, Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) oder auch Gelsendienste nicht mehr zu sehen sind, beginnen die Probleme aufs Neue“, begründen mehrere Anwohner ihr Anliegen.
Zu wenig Einsatzkräfte, um Lärm, Müll und Raserei in Gelsenkirchen einzudämmen
Hoffnung auf Realisierbarkeit eines solchen Vorhabens konnten den gut 30 Bürgerinnen und Bürgern in der Aula der Gesamtschule Ückendorf aber weder Bezirkspolizist Dirk Friedrichs noch Jennifer Holthaus, KOD-Leiterin für den Gelsenkirchener Süden, machen.
„Die Polizei kann für Ordnungswidrigkeiten keine zivilen Einsatzkräfte abstellen“, sagt der selbst in Ückendorf wohnende Friedrichs. Die Polizei soll Straftaten verhindern und aufklären. Außerdem gibt die Personalstärke der Behörde das nicht her. Friedrich drückte es so aus: „Wir haben gerade einmal fünf Streifenwagen für den gesamten Gelsenkirchener Süden zur Verfügung.“
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Holthaus pflichtete ihm bei, verwies darauf, dass den „verdeckten Kontrolleuren des KOD noch uniformierte Kräfte beiseite gestellt werden müssten, um bei Verstößen geltendes Recht durchzusetzen“. Nicht machbar, jetzt nicht, und auch dann nicht, wenn der KOD am Ende des Jahres wie geplant auf 100 Kräfte anwachsen soll - „aktuell sind es 85“. Selbst im Optimalfall wären Holthaus zufolge „nur 60 Kräfte in zwei Schichten auf Streife - allerdings im gesamten Stadtgebiet“, 40 Bedienstete kümmerten sich dann um den Bezirksdienst, beispielsweise um Sprechtage in den Stadtteilen oder die aufwändigen, weil Behörden-übergreifenden Kontrollen des EU-Interventionsteams. Nicht mit eingerechnet: Krankheit, Urlaub, Ausgleichstage. Auch der KOD habe nicht mal fünf Fahrzeuge für den Stadtsüden zur Verfügung.
Beschwerde über KOD-Hinweis: „Wenn Sie Zahnschmerzen haben, gehen sie auch nicht zum Urologen“
Ein immer wiederkehrendes Streitthema - und nicht nur in diesem Präventionsrat: Bürger, die beim KOD oder der Polizei anrufen, monieren, dass man ihr Anliegen am anderen Ende der Telefonleitung „nicht ernst nehme“, sodass sie es mittlerweile aufgegeben haben, sich zu melden. Wie auch andernorts haben Bürger vielfach den Eindruck, „dass sich nichts tut“. Ein Beispiel: Ein Anwohner aus der Problemecke Ziegelstraße beklagt ein neuerliches Aufkommen von Raser und Posern in der Stichstraße. „Als ich mich an den KOD wandte, habe ich zu hören bekommen, ich soll mich an die Polizei wenden. Wörtlich hat man mir gesagt: ‚Wenn Sie Zahnschmerzen haben, gehen Sie ja auch nicht zum Urologen.‘“
Das Problem liegt in den Zuständigkeitsbereichen, für Bürger sind die nicht einfach zu durchschauen. Die Polizei überwacht den fließenden Verkehr, die Stadt den ruhenden. Bei Rasern und Posern gibt es nicht selten eine Gemengelage. Also jene, die ihre Boliden selbst auf kürzeste Distanz extrem beschleunigen, andere, die am Straßenrand stehen, die Motoren aufheulen oder die Lautsprecherboxen dröhnen lassen. An einem Gerangel um Verantwortungsbereiche sollte Abhilfe grundsätzlich aber nicht scheitern.
Friedrich und Holthaus wehrten sich vehement gegen den Vorwurf, dass sich nichts getan habe. Die KOD-Bezirksleiterin verwies unter anderem auf die Kontrollen des EU-Interventionsteams und bemühte Zahlen: In den vergangenen vier Monaten habe es aus dem Umkreis des IPA-Büros 76 Beschwerden über Lärm gegeben. „Eine normale Quote, rein datentechnisch ist das Beschwerdeaufkommen geringer als noch vor einem Jahr.“ Man könne nicht mehr tun als „immer wieder mit und an den Bewohnern zu arbeiten“.
Gelsenkirchener Bezirkspolizist: „Wir können nicht in die Glaskugel schauen, rufen Sie an.“
Bezirkspolizist Friedrich blies ins gleiche Horn und konterte: „In den vergangenen drei Monaten hat es zwei Beschwerden und Einsätze wegen Raser und Poser an der Ziegelstraße gegeben. Wir können nicht in die Glaskugel schauen, also rufen Sie an. Oder notieren Sie sich wenigstens die Kennzeichen.“
Die Antworten erregten mehr die Gemüter, als dass sie die Zuhörer beschwichtigen konnten. So merkte der Senior aus der Ziegelstraße an, dass es allein schon aufgrund seines Alters schwierig sei, vom Wohnzimmer aus in die Küche zu eilen und aus dem schrägen Dachfenster schnell genug ein Foto oder ein Video von Rasern oder Posern zu machen. „Bis das Handy startklar ist, ist der Spuk schon wieder vorbei. Aber von jetzt an, werde ich immer anrufen, mal schauen was und ob etwas passiert.“ Eine gehandicapte Anwohnerin der Von-Schenkendorf-Straße sprang dem älteren Herren bei: „Gerast wird über die Ückendorfer Straße, das höre ich bis zu Hause - soll ich mich jetzt da hinstellen und die ganze Zeit das Handy im Anschlag halten?“
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KOD und Polizei versprachen, den Hinweisen aus der Bürgerschaft nachzugehen: Die Anwohner beschwerten sich unter anderem noch über ein Café an der Bochumer Straße, auf dessen Hinterhofterrasse bis spät in die Nacht Betrieb herrsche. Da steht die Frage im Raum, ob es dafür überhaupt eine Erlaubnis gibt. Eine Prüfung wird es auch im Gebäude einer ehemaligen Bäckerei in der Nähe von Flöz Sonnenschein geben, Nachbarn haben dort umfangreiche Umbauarbeiten bemerkt, die meist am Wochenende stattfänden.
Ein Dorn im Auge sind den Menschen auch die „ewigen Sperrmüllberge“ an der Bergmannstraße/Von-Von-Schenkendorf-Straße sowie an der Metzer Straße und Weißenburger Straße. Befriedet ist auch noch nicht die Problematik (Lärm, Müll) durch große Menschenansammlungen rund um den Lidl-Parkplatz sowie an einem Kiosk nahe der Bahntrasse.