Gelsenkirchen. Das Tierheim Gelsenkirchen ist übervoll. Aufgenommen werden nur noch sichergestellte Tiere – auch kuriose Funde wie aktuell ein Zwerghahn

Es sind herausfordernde Zeiten für die Mitarbeitenden des Gelsenkirchener Tierheims: Das ist so voll wie in den vergangenen Jahren bereits. So voll, dass Privatmenschen keine Tiere mehr abgeben können und nur noch Fundtiere aufgenommen werden können und beschlagnahmte Tiere. Mit Folgen: „Wir haben nur noch Sicherstellungen hier. Und 80 Prozent von ihnen haben Auffälligkeiten“, erklärt Annika Gehrmann, die stellvertretende Tierheimleiterin.

Das können Schwierigkeiten ganz unterschiedlicher Art sein. Zum einen körperlich: „Zunehmend kommen kranke Tiere zu uns, die schon länger nicht mehr richtig versorgt wurden“, erklärt Tierpflegerin Lucie Bleidick, dass dies durchaus die Folgen der gestiegenen Tierarztkosten sein könnten. „Und die Corona-Zuchten schlagen sich jetzt nieder. Durch die große Nachfrage in dieser Zeit wurden Not und Elend verpaart, ohne jede Vernunft. Wir haben Schäferhunde hier, die im Alter von nur zwei, drei Jahren von den Knochen her schon kaputt sind.“

Liebe Familienhunde hat man selten im Tierheim Gelsenkirchen

Die abenteuerlichen Züchtungen bergen auch Probleme, was den Charakter der Tiere betrifft, erläutert Annika Gehrmann. „Da kommt schon mal aus zwei Rassen nur das Schlechteste zusammen. Das ist fatal. Wir bekommen dann Hunde rein, die im Internet schon durch verschiedene Hände gegangen sind. Die müssen wir erst einmal dahin bringen, dass sie keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit sind.“

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Schlechte Zeiten also für Tierfreunde, die im Tierheim einfach auf der Suche sind nach einem lieben Familienhund? „Nicht ganz“, sagt Annika Gehrmann. „Die haben wir auch – manchmal. Aber genau aus diesem Grunde stellen wir Interessenten so viele Fragen. Dafür erfahren wir ja häufig Kritik im Internet. Aber oft haben wir einfach nicht den richtigen Hund für diese Menschen.“

Bedeutet: Die Zahl der Tiere, die weit mehr Aufmerksamkeit brauchen als es noch vor einigen Jahren war, nimmt drastisch zu und fordert die Mitarbeitenden. Ein Beispiel: Der junge Jagdterrier „Pedro“, ein reizender, freundlicher und neugieriger kleiner Junghund mit ganz großen Bedürfnissen. Mit nur 16 Wochen kam er ins Tierheim. Ob er wieder zurückkann in sein eigentliches zu Hause oder am Ende vermittelt wird, ist unklar.

„Sonst würde das mal ein Problem-Terrier“

Lucie Bleidick mit Pedro.
Lucie Bleidick mit Pedro. © FUNKE Foto Services

Sicher aber war ab der ersten Minute: Mit Pedro muss man arbeiten. Er braucht eine Aufgabe. „Jagdterrier sind dafür gezüchtet, in der Gruppe auf Wildschweine loszugehen“, erklärt Lucie Bleidick. „Es sind also sehr mutige, kernige Hunde.“ Regelmäßig nimmt sie den Kleinen mit nach Hause, damit er von ihren Hunden das Sozialverhalten erlernt und die Hundesprache versteht. „Sonst würde das mal ein Problem-Terrier“, weiß Annika Gehrmann. Die Herausforderung: „Pedro muss jagdlich geführt werden. Das liegt ihm im Blut und das zeigt er jetzt schon. Auf Spaziergängen apportiert er tote Tiere und bringt sie mir“, verrät Lucie Bleidick. Für diesen kleinen Racker den richtigen Haushalt zu finden, das werde nicht so einfach.

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Annika Gehrmann und Mike Hemke versorgen Brahma Hühner, für die das Tierheim eigentlich nicht ausgelegt ist.
Annika Gehrmann und Mike Hemke versorgen Brahma Hühner, für die das Tierheim eigentlich nicht ausgelegt ist. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Gleiches gilt für die ungewöhnlicheren Insassen, die es auch immer mehr gibt. „Wir hatten schon Ziegen, Schafe, Schweine, Goldfasane oder Pfaue“, sagt Annika Gehrmann. Derzeit seien es „nur“ fünf junge handzahme Hühner und ein wunderschöner Zwerghahn. Die Hühner seien im Tierheim geschlüpft. Da habe man eine Henne mit Eiern gefunden. Der Test ergab, die Küken waren kurz davor zu schlüpfen. Im Sinne des Tierschutzes also sollten auch sie gerettet werden. Immerhin: Die Hühner, die sich allesamt gern auf den Arm nehmen lassen, sind vermittelt und werden in Kürze abgeholt. Bleibt also der kleine Hahn, der insofern ein Notfall ist, als dass das Gelsenkirchener Tierheim auf solche Tiere nicht ausgerichtet ist. Der Kleine ist wirklich schön und recht zurückhaltend. Vor lautem Krähen müssen künftige Halter übrigens keine Angst haben, verrät Mike Hemke, der mit dem Federvieh täglich umgeht. „Er kräht zwar, aber es hört sich an, als ob jemand mit heiserer Stimme etwas sagen möchte.“

Kontakt: tierheim-gelsenkirchen.de.