Gelsenkirchen. Sie sind laut, sie sind frech, sie singen auf Deutsch: Die Gelsenkirchener Band Desolat hat ihr Debütalbum vorgelegt. Ein Interview in Ückendorf.

Zu den größten Erfolgen in der Geschichte der weltberühmten Red Hot Chili Peppers zählt zweifelsohne die Platte „Californication“ aus dem Jahr 1999. An diese fühlt sich sofort jeder erinnert, der nun das frisch veröffentlichte Debütalbum der Gelsenkirchener Grunge-Band Desolat in die Hand nimmt. Dieses trägt nämlich den Titel „Ückendorfication“ - und ist in der Musikpresse durchweg auf wohlwollende Kritiken gestoßen.

Band ist in dieser Zusammensetzung seit Anfang 2024 beisammen

Desolat gibt es bereits seit 2017. Doch die aktuelle Besetzung mit Markus Gornik (Gesang), Lilly Baumhogger (Gitarre), Mika Alva (Gitarre), Sven Knippschild (Bass) und Daniel „Mogli“ Rose (Schlagzeug) ist erst seit Anfang dieses Jahres beisammen. Wir treffen uns zum Interview - natürlich! - in Ückendorf. Denn zumindest für Markus und „Mogli“ ist das der Heimat-Stadtteil. Lilly und Mika, die auch privat liiert sind, leben nicht weit davon entfernt in der Altstadt. Nur Sven ist als Sprockhöveler nicht in Gelsenkirchen daheim.

Die Gelsenkirchener Band Desolat traf sich mit der WAZ zum Interview in einem Café in Gelsenkirchen-Ückendorf.
Die Gelsenkirchener Band Desolat traf sich mit der WAZ zum Interview in einem Café in Gelsenkirchen-Ückendorf. © Thomas Richter

„Wir haben in der Band lange über den richtigen Albumtitel diskutiert. Am Ende ist es Ückendorfication geworden“, erzählt Sänger Markus (33). „Der Stadtteil ist einer unserer gemeinsamen Nenner. Und viele Erfahrungen und Erlebnisse, die wir hier gesammelt haben, sind auch in unsere Texte für das neue Album mit eingeflossen.“

„Underdog“-Status ist fester Bestandteil der Band-Identität

Bei allem Lokalpatriotismus wolle man den Hang zur eigenen Stadt aber nicht zu sehr in den Fokus rücken, betont Mika (25). Doch es ist den fünf Bandmitgliedern ein Anliegen, allen zu beweisen, dass auch aus einer Stadt mit einem oft schlechten Image in der bundesdeutschen Öffentlichkeit sehr wohl coole, neue Musik kommen kann. Dieser „Underdog“-Status sei ein Teil der Bandidentität, versichert Mika.

Manche Kritiker ordnen Desolat dem Genre Grunge zu. Zu Recht, findet „Mogli“. So sei Nirvana mit dem vor 30 Jahren verstorbenen Sänger Kurt Cobain bis heute eine unumstrittene Inspirationsquelle im kreativen Schaffensprozess geblieben. „Doch mit den Begriffen Garage-Rock-Band oder Punk-Band fühlen wir uns auch sehr gut beschrieben“, sagt Sänger Markus.

Er war es auch, der die Entscheidung fällte, dass ausnahmslos auf deutsche Texte gesetzt wird. „Ich kann mich in meiner Muttersprache einfach besser ausdrücken als auf Englisch“, sagt er. Zudem schätze er die deutsche Sprache aus literarischer Sicht. „Genau deshalb ist das mein Ding!“

Desolat waren schon dreimal auf Konzertreise in Japan

Genauso innig ist für die Band aber auch die Verbindung zu Japan. Dreimal seien sie seit ihrer Gründung bereits dort auf Konzertreise gewesen, erzählt „Mogli“ (32). Und in Fernost hätten sie auch eine ganz andere Fankultur kennengelernt. „Die Menschen dort sind sehr respektvoll und höflich. Die hören bei einem Konzert zunächst lieber zu, als sofort abzurocken“, berichtet er. Und wenn er als Schlagzeuger mal den Takt zum Mitklatschen vorgebe, dann klatsche auch das gesamte Publikum mit. „Und das nicht nur ein paar Sekunden lang, sondern über den gesamten Song hinweg.“

In den ersten sechs Jahren ihres Bestehens waren Desolat übrigens als Trio unterwegs. Nun ist mit Mika und Lilly zuletzt viel „frisches Blut“ hinzugekommen und die Gruppe zum Quintett angewachsen. „Wir waren eigentlich die Produzenten des Debütalbums“, erzählt Lilly (25). Und in ihrem Studio „Alva Sound“, das sie mit Mika in Dorsten betreibt, liefen auch schon die ersten Aufnahmen. Doch aus dieser Kooperation erwuchs schnell mehr. Und schließlich wurden die beiden Produzenten, die beide Gitarre spielen, selbst zu einem Teil der Band.

Verkauf von Platten und T-Shirts als wichtigste Einnahmequelle

Als solche sei es in Zeiten wie diesen immer schwieriger, etwas Geld zu verdienen und die eigenen Kosten zu decken. Weil immer mehr Menschen die Musik streamen, die Kreativen dafür aber bei der Bezahlung so gut wie leer ausgingen, gebe es für Bands wie Desolat derzeit nur zwei verlässliche Einnahmequellen, versichert Markus. Der Verkauf von T-Shirts bei eigenen Auftritten. Und der Verkauf von CDs und Vinylalben. „Und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir diesen physischen Tonträger herausgebracht haben.“ Bislang steht in der Diskografie der Band nur die Veröffentlichung einer EP mit einigen wenigen Songs darauf.

Das Feedback von Fachpresse und Fans sei bislang erfreulich positiv, freut sich der Fünferpack. Das habe man auch der guten Arbeit des Labels Dackelton Records zu verdanken, das die Desolat-Platte herausgebracht hat. Labelchefin Bianca Exsenbrandt sei „für uns ein absoluter Glücksgriff gewesen“, betont Mika. Und „Mogli“ ergänzt: „Sie hilft uns beim Navigieren durch den Musik-Dschungel.“

Wer die Band einmal live sehen möchte, hat dazu am 24. August die nächste Gelegenheit. Dann treten Desolat im Rahmen des Festivals „Szeniale“ im Ladenlokal „Georgel“ an der Bochumer Straße auf. Wo das liegt? Natürlich in Ückendorf!