Gelsenkirchen. Sein Job hat in Gelsenkirchen Seltenheitswert: Warum der 58-jährige Michael Kowallek seine Arbeit so liebt – und was er sehr bedauert.
„Wenn ich morgens mit der Arbeit beginne, gehe ich erst einmal eine Runde durch den Hafen“, erzählt Michael Kowallek, der Hafenmeister im Hafen Gelsenkirchen. „Das sind rund dreieinhalb Kilometer. Die Runde dauert ein bis zwei Stunden.“ Ein bisschen sei die Dauer auch vom Wetter abhängig. „Bei Regen bin ich schnell“, sagt er und lacht .„Ich kontrolliere den Umschlag, den Hafen und das Wasser.“ Zum Beispiel auf Treibgut oder Verunreinigungen wie etwa Öl. Ein halber Liter davon könne das ganze Hafenbecken verschmutzen, erklärt der 58-Jährige. Jedoch seien es heutzutage kaum mehr die Schiffe, die Öl verlören. Wenn, dann geschehe das beim Verladen.
Michael Kowallek: Gelsenkirchens Hafenmeister seit fast drei Jahrzehnten
Während er erzählt, geht er am Hafenbecken entlang und ist spürbar in „seinem Revier“. Seit dreißig Jahren ist Michael Kowallek hier beschäftigt, seit 27 Jahren als Hafenmeister. „Angefangen habe ich als Rangierer. Dann war ich Lokführer, später Disponent.“ Damals erlebte er den Arbeitsalltag seines Vorgängers mit – und interessierte sich mehr und mehr für dessen Aufgaben.
„Heutzutage gibt es bestimmt eine Ausbildung für diesen Beruf. Damals war das nicht so.“ Da habe er etliche Lehrgänge gemacht und ein kleines Praktikum im Duisburger Hafen. „Die hatten dort sechs Hafenmeister“, erinnert er sich und erzählt, hier in Gelsenkirchen sei er alleine. „Wir haben hier nur die Tagschicht besetzt. Rund um die Uhr ist aber alles kameraüberwacht.“ So behält der Hafenmeister immer alles im Blick.
Muss er auch. „Wir müssen jeden Umschlag mitbekommen“, sagt er. Denn für jede Tonne an Gütern, die über die Hafenkante geht, zahlen die Anrainer. Übers Jahr kommt eine beeindruckende Menge zusammen: 1,2 Millionen Tonnen Waren werden im Gelsenkirchener Hafen umgeschlagen. Die Zahlungen dafür heißen im Fachjargon Ufergeld. „Dadurch wird die Infrastruktur im Hafen finanziert.“ Daneben gibt es das Hafengeld. „Aus der Ladung eines Schiffes ergibt sich eine erlaubte Liegezeit im Hafen.“ Werde die deutlich überschritten, müssten Binnenschiffer quasi Parkgebühren zahlen. Das jedoch komme kaum vor. „Heutzutage sehen die alle zu, dass sie schnell wegkommen.“ Zeit ist auch auf den Kanälen Geld.
Erst wenn man an der Wasserkante steht, werden die Dimensionen der zwei Hafenbecken wirklich spürbar. Und nicht nur das: Es weht fast immer eine steife Brise. Zudem ist ein deutlicher Wellengang zu beobachten. „Das kommt durch die Schleuse. Dadurch variiert der Wasserstand im Hafenbecken um rund 30 Zentimeter.“ Ebbe und Flut, das gibt es, künstlich erzeugt, also auch im Gelsenkirchener Hafen.
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Bis zu 20 Schiffe können hier gleichzeitig liegen, erzählt der Familienvater. Im Durchschnitt seien es jedoch acht bis zehn pro Tag. Sie alle muss Michael Kowallek im Blick haben. Mit den ortsansässigen Unternehmen den Umschlag abzurechnen, das ist nämlich auch seine Aufgabe. Wobei in diesem Bereich vieles durch Waagen und Zählwerke automatisiert sei. Die Zahlen sind nicht nur für den Gelsenkirchener Hafen wichtig. Sie müssen auch regelmäßig an „IT NRW“, das Landesamt für Datenverarbeitung, übermittelt werden. „Das ist ja wichtig für die landes- und bundesweite Erhebung des Warenverkehrs auf den Wasserwegen.“
Im Vorübergehen grüßt Michael Kowallek einen Schiffer. Ob er unter den Schiffsbesatzungen nach so vielen Jahren etliche alte Bekannte habe? „Ja. Immer dort, wo den Schiffern das Schiff gehört. Früher haben die hier festgemacht und man hatte mal Zeit für ein Schwätzchen.“ Heute fehle ihnen dazu die Zeit. „Es ist nicht mehr so persönlich wie damals. Gute Bekanntschaften mit den Schiffern haben heute Seltenheitswert.“
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Apropos: Das gilt auch für den Job von Michael Kowallek. Der einzige Hafenmeister im Stadtgebiet sei er nicht. Ein, zwei weitere gebe es. Etwa im Yachthafen in Bismarck. Die Arbeit sei aber kaum vergleichbar. „Der Beruf ist kaum bekannt“, bedauert er. „Die meisten Menschen in Gelsenkirchen wissen noch nicht einmal, dass wir hier so einen großen Hafen haben.“ Ein junger Mensch, der Interesse habe, in Kowalleks Fußstapfen zu treten und von ihm zu lernen, habe sich noch nicht gefunden.
Dabei sei diese Arbeit so reizvoll, der Abwechselung wegen. „Ich kann sagen, jetzt gehe ich raus in den Hafen, unterhalte mich auch mal mit den Leuten. Und ebenso habe ich die Arbeit am PC. Ich finde auch die Zusammenarbeit mit den Behörden, von der Wasserschutzpolizei über die Feuerwehr bis hin zur Hafenbehörde, sehr interessant.“ Deutlich wird auch, Michael Kowallek kann in einem gewissen Rahmen selbstbestimmt arbeiten. „Natürlich gibt es feste Termine für manche Dinge. Aber an sich kann ich mir die Arbeit frei einteilen.“ Dann ergänzt er noch: „Das ist wirklich mein Traumjob geworden!“