Gelsenkirchen-Buer. Umweltbewusst einkaufen ohne Verzicht: In Gelsenkirchen-Buers Handel wird Nachhaltigkeit großgeschrieben. Wo, was angeboten wird.

Nachhaltigkeit ist Trend, in Buer offenbar ganz besonders: Dieser Eindruck drängt sich beim Shoppen am Rande der Fußgängerzone Hochstraße geradezu auf. Dort haben sich im Umkreis von nur wenigen hundert Metern mittlerweile drei Second-Hand-Geschäfte und ein Lifestyle-Laden angesiedelt, bei denen der bewusste Umgang mit Ressourcen zum (Verkaufs-)Konzept gehört. Und das kommt augenscheinlich richtig gut an. Buers (inoffizielles) neues „Nachhaltigkeits-Quartier“, es scheint zu funktionieren.

Für die Geschäftsführer Anja Killmaier und Uwe Walter jedenfalls geht die Rechnung nach eigenen Angaben bislang auf: In ihrem „Juut Store“, den sie vor rund einem Jahr an der Ophofstaße 19 eröffneten, dreht sich alles um das Thema Nachhaltigkeit. Ob (teils unverpackte) Lebensmittel, Drogerie-Artikel, Kleidung, Schuhe, Accessoires oder Deko: Das Duo nimmt nur Produkte ins Sortiment, die vier von sieben ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien erfüllen.

Gelsenkirchener Inhaber: Bueraner wollen bewusst konsumieren

„Alle Artikel müssen biologisch angebaut, fair und sozial hergestellt sowie gehandelt, recycelt, in Deutschland produziert oder vegan sein, zudem eine gute CO₂-Bilanz haben und Bestandteil der Kreislaufwirtschaft sein“, so Walter. Dass sich die Kundschaft darauf verlassen kann, sei Teil des Konzepts, im Einkaufs-Dschungel Orientierung und Impulse zu geben.

„Wir wollen beweisen, dass nachhaltiges Shoppen nicht automatisch Verzicht bedeutet, sondern Spaß macht und nicht teurer als der Einkauf herkömmlicher Waren ist“, betont er und zwischenbilanziert: „Nachhaltigkeit ist den Bueranerinnen und Bueranern wichtig, sie wollen bewusst konsumieren“ und zugleich Rücksicht auf Umwelt und Klima, Arbeitsbedingungen und Gesundheit nehmen. „Die Leute sind sehr aufgeschlossen, wenn wir die Zusammenhänge erläutern.“

Unverpackte Waren gibt‘s in Gelsenkirchen-Buer schon seit vielen Jahren

Für Anna Bohr, Inhaberin des vor Kurzem eröffneten Second-Hand-Mode-Stores „Feel Again“ an der Rottmannsiepe in Gelsenkirchen-Buer, gehört Nachhaltigkeit zum Geschäftskonzept.
Für Anna Bohr, Inhaberin des vor Kurzem eröffneten Second-Hand-Mode-Stores „Feel Again“ an der Rottmannsiepe in Gelsenkirchen-Buer, gehört Nachhaltigkeit zum Geschäftskonzept. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Völlig neu sei der Verkauf unverpackter Waren in Buer allerdings nicht, sagt Walter mit Blick auf das Sortiment der Geschäfte Teeladen und Kaffeebohne auf der Ophofstraße, Süßwaren Hussel und Kaffeerösterei Odiba. „Buer hat sich als der richtige Standort für unser Konzept bestätigt, weil die Menschen vor Ort offen sind und eine gute Kaufkraft haben.“

Ganz so euphorisch ist Anna Bohr zwar noch nicht, die Inhaberin des vor wenigen Wochen eröffneten Second-Hand-Geschäfts „Feel Again“ an der Rottmannsiepe. Dafür sei es noch zu früh, sagt sie, der Laden müsse sich erst noch richtig etablieren. Dass die Kundschaft Wert auf Nachhaltigkeit legt, stellt aber auch sie fest. Freilich hat sie auch genau diese Zielgruppe im Blick mit ihrer Vintage-Mode, die vielfach aus den 1970er und 1980er Jahren stammt, in Europa hergestellt wurde „und eine viel bessere Qualität hat als so manches Fast-Fashion-Teil aus dem Mode-Discounter.“

Langlebigkeit von Kleidung spielt eine immer größere Rolle

Nachhaltigkeit spielt beim Einkauf besonders seit der Corona-Krise eine immer größere Rolle, hat Jill Pape festgestellt, Mitarbeiterin im Second-Hand-Geschäft „Rosenrot“ an der Hagenstraße in Gelsenkirchen-Buer.
Nachhaltigkeit spielt beim Einkauf besonders seit der Corona-Krise eine immer größere Rolle, hat Jill Pape festgestellt, Mitarbeiterin im Second-Hand-Geschäft „Rosenrot“ an der Hagenstraße in Gelsenkirchen-Buer. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Viele wollen mit ihrer Kleidung Individualität ausdrücken, setzen aber auch bewusst auf Qualität und Langlebigkeit und überlegen, ob sie das neue Stück wirklich brauchen und oft genug tragen“, freut sich Anna Bohr über den „wertschätzenden Umgang“ mit T-Shirt, Hose & Co.

Dass es jedoch auch eine Minderheit gibt, „die ihre getragene Kleidung nur bei mir verkaufen will, um sich damit neue Kleidung zu finanzieren“, verschweigt sie nicht. Vielleicht trage Buers „Nachhaltigkeits-Quartier“ ja dazu bei, vor Ort einen Mentalitätswandel einzuleiten, hofft sie. „Selbst wenn man sich nur jedes dritte Teil gebraucht kauft, ist schon etwas gewonnen“, würden weniger Rohstoffe und Energie bei der Produktion verbraucht und weniger Kohlendioxid in die Luft gepustet.

Gelsenkirchener Geschäftsfrau: Seit Corona wird Nachhaltigkeit immer wichtiger

Derweil hat sich der Second-Hand-Laden „Rosenrot“ an der Hagenstraße 40 längst etabliert: Inhaberin Ute Krohm betreibt ihn seit 17 Jahren und hat sich mit ihrer hochwertigen Marken-Kleidung, Schmuck und Accessoires eine Stammkundschaft erarbeitet. „Umweltbewusstes Einkaufen hat von Beginn an eine Rolle gespielt. Viele meinen ja immer, erst die heutige junge Generation hätte den Klimaschutz erfunden, aber es war doch die Generation ,Atomkraft, nein danke‘, die das Thema bearbeitet hat.“

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So richtig Fahrt aufgenommen habe der Nachhaltigkeits-Gedanke bei „Rosenrot“ in Zusammenhang mit Corona. „Damals hatten viele Leute Zeit, ihren Kleiderschrank auszumisten und haben erst einmal gemerkt, wie viel sich da angesammelt hat“, meint Krohms Tochter Jill Pape. Wahrscheinlich habe da ein Umdenken bei vielen eingesetzt, „so dass sie sich vor jedem Kauf überlegen: Muss es ein neues Teil sein? Brauche ich das wirklich?“

Was die Gelsenkirchener Kundschaft zum Angebot in Buer sagt

Das Geschäft „Kids Second-Hand“ an der Horster Straße in Gelsenkirchen-Buer hat sich seit 2007 als Anlaufstelle für gebrauchte Kinderbekleidung und Spielzeug etabliert.  
Das Geschäft „Kids Second-Hand“ an der Horster Straße in Gelsenkirchen-Buer hat sich seit 2007 als Anlaufstelle für gebrauchte Kinderbekleidung und Spielzeug etabliert.   © Christiane Rautenberg | Christiane Rautenberg

Bei Artikeln für Kinder, so Daniela Hannig, Inhaberin von „Kids Second Hand“ an der Horster Straße 13, stelle sich diese Frage besonders, weil sie ja mitunter schon nach drei Monaten aus Strampler oder T-Shirt herausgewachsen sind. Seit 2007 verkauft die Bueranerin am Rande der City nicht nur gebrauchte Kleidung, sondern auch Spielzeug. „Als ich angefangen habe, hatten Second-Hand-Waren noch einen schlechten Ruf. Mittlerweile sind sie aus verschiedenen Gründen nachgefragt, darunter auch wegen der Nachhaltigkeit.“

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Und die Kundschaft selbst? Nennt mehrere Gründe, im „Nachhaltigkeits-Quartier“ von Hagen-, Ophofstraße, Rottmannsiepe und Horster Straße shoppen zu gehen. „Viele Teile sind kaum getragen und daher für den Altkleider-Container viel zu schade“, findet Cefser Berisha (40), Stammkunde bei „Kids Second Hand“. „Wer Gebrauchtes kauft, schont die Umwelt, außerdem sind die Artikel viel günstiger.“

Eine „Rosenrot“-Kundin (55) aus Buer - passionierte Flohmarkt-Besucherin - schwärmt derweil vom „tollen Mix“ im Geschäft. Und ja, ressourcen-schonendes Einkaufen spiele für sie auch eine Rolle. So sieht es auch eine Kundin (47) aus Bottrop, die auf der Suche nach etwas Besonderem regelmäßig bei „Rosenrot“ stöbert. „Es muss ja nicht immer etwas Neues sein.“