Gelsenkirchen. Die kleine Celina Probst lebt als Circus-Kind ein aufregendes Leben – so unterscheidet sich ihr Schulalltag von dem der meisten anderen Kinder.
Wenn Celina zur Schule geht, muss sie nur zwei kleine Stufen hinauf zu ihrem Klassenzimmer nehmen. Und noch besser: Es steht ja direkt vor ihrer Tür, ist eigentlich ziemlich kompakt, mit creme-farbenem Anstrich, einer Menge Schränken, mit Gangschaltung, Gas und Bremse und einer Tafel, geschmückt mit Zahlenkette. Celina Probst ist Circus-Kind und wie es sich für Circus-Kinder so gehört, erlebt sie viele Stunden ihrer Schulzeit – rollend.
Gelsenkirchener Circus-Kind: So ungewöhnlich ist der Schulalltag
Wie jedes Jahr um diese Zeit ist der Circus Probst wieder zu Gast in der Stadt, wird ab dem 20. Dezember die neueste Auflage seines „Gelsenkirchener Weihnachtscircus“, präsentieren und mit Sicherheit für Begeisterung, Spannung und leuchtende Augen sorgen. Für Celina ist diese für sie schönste Zeit des Jahres immer wie Nach-Hause-Kommen. Und: Wieder mal in eine richtige Schule gehen. Das gehört schließlich auch zu ihrer Geschichte, aber der Reihe nach.
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Nasskalt ist es an diesem November-Nachmittag, grau in grau der Himmel, nur die bunten Circus-Zelte und all das ganze andere Equipment der Familie Probst bringen Farbe auf die große Wiese am Revierpark Nienhausen, wo die Probsts in diesem Jahr stehen. Celina kommt gerade aus der Schule. Die Viertklässlerin lernt aktuell nämlich wieder an der Don-Bosco-Schule, gemeinsam mit ihrer Klassenlehrerin Annika Spira, und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. Ganz normaler Schulalltag eben.
Und wie in jedem Jahr freut sich die Zehnjährige auf dieses zwei Monate andauernde Wiedersehen – besonders mit ihren Freundinnen von der Don-Bosco-Schule. „Aber wir sind sonst auch immer in Kontakt und schreiben uns über den Klassenchat“, berichtet Celina, die den regelmäßigen Wechsel zwischen fahrender und fester Schule völlig gelassen nimmt. Am meisten würden sich die Mädchen immer über Fotos von Tierbabys freuen, erzählt sie. Und der Alltag sonst? Ist wie bei jedem anderen Kind auch, voller Verabredungen, Kontakte, Spiel-Treffen.
Im ersten Corona-Jahr eingeschult, hat Celina mittlerweile einen genauen Blick dafür, was ihr in der Schule Spaß macht – und was nicht. „Mathe, Sachunterricht, Sport, Kunst“, zählt sie gerne auf. „Mathe kann ich gut, da muss man ja eigentlich nur Zahlen schreiben“, fügt Celina hinzu. Und was ist mit Deutsch? Na ja, eher nicht so, sagt sie. Lesen auch nicht – was Mechthild Hagemann definitiv noch ändern möchte.
Circus-Schule in Gelsenkirchen: Lernen auf kleinstem Raum – mit intensiver Betreuung
Die 46-Jährige ist Celinas Circus-Lehrerin, sie ist die Hüterin des rollenden Klassenzimmers, stieß erst vor einem Jahr zur Circus-Familie hinzu. Denn das ist auch so eine schöne Geschichte: Im Winter 2022 klopft Mechthild Hagemann, die sie ja alle nur „Micki“ nennen, sprichwörtlich an die Zirkuswagen-Fenster, stellt sich vor in dem Wissen, dass die Stelle der Lehrerin frei war. „Der Funke ist sofort übergesprungen“, erinnert sich Circus-Chefin Brigitte Probst. Fortan gehörte Micki einfach dazu. Seit dem 1. März hat sie offiziell ihren Dienst aufgenommen, diese „Stellung auf Lebenszeit“, wie Brigitte Probst lachend erzählt.
Vor Celinas Start in den Schulalltag, 2020, kauft Brigitte Probst die rollende Schule, wohl wissend, dass sie in den nächsten Jahren noch mehr gebraucht wird. Denn nicht nur Celina wird dort weiter lernen, kann dort ihren Realschulabschluss machen, ihre kleine Schwester und ihre Cousine kommen nächstes Jahr auch in die Schule – und dann gibt es ja auch noch die anderen Kinder, die der Artistinnen und Artisten, die zum wechselnden Ensemble des Circus Probst gehören (werden).
Und diese ganze Probst-Schule findet statt unter dem Dach der Schule für Circus-Kinder in NRW (SfC) der Evangelischen Kirche im Rheinland. Circa 250 bis 260 Kinder in Nordrhein-Westfalen werden hier unterrichtet. Die Schule bietet eine vorgezogene Schuleingangsklasse, eine Primarstufe, die Sekundarstufe I und gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Handicap. Nach eigenen Angaben haben seit 1998 genau 516 Schüler die SfC verlassen. 28 Lehrkräfte gehören zum Kollegium der SfC, darunter Primarstufen-, und Sekundar-, aber auch Sonderschullehrkräfte.
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Zurück nach Gelsenkirchen: Celinas Schultag im rollenden Klassenzimmer startet für gewöhnlich um acht Uhr, „ganz normal“, so Mechthild Hagemann. „Mathe und Deutsch ist immer Programm“, erzählt sie. Einen direkten Draht hat Hagemann dabei stets zu ihrer Kollegin Spira, sie benoten Celina gemeinsam und stimmen sich wann immer nötig ab.
Für Mechthild Hagemann ist das, was sie bei Familie Probst macht, ihr Traumjob, nicht nur, weil sie viel herumkommt und ein wahrer Fan ihrer Circus-Familie ist – selten verpasst sie eine Vorstellung. Was ihr so gefällt? „Einfach alles“, sagt sie. Da sei die Nähe zu den Kindern, die in einem ganz anderen Fokus stehen, „man sieht die Kinder auch ganz anders.“ Und es ist der direkte Austausch mit den Eltern, mit den Kindern, auch mal nach dem Unterrichtsende (das übrigens um 13 Uhr ist), weil man ja immer irgendwie zusammen ist. Ein großer Vorteil für Hagemann: „Die Kinder lernen schnell, selbstständig zu arbeiten.“
26. Gelsenkirchener Weihnachtscircus: Hier gibt’s die Tickets
Die Vorstellungszeiten des 26. Gelsenkirchener Weihnachtscircus ab dem 20. Dezember: täglich um 15 Uhr und 19.30 Uhr. Die Ausnahmen: am 24. Dezember gibt es eine Vorstellung nur um 14 Uhr, am 7. Januar nur um 15 Uhr.
Die Ticketpreise: Die Loge kostet 42 Euro, ermäßigt 38 Euro, Karten der Kategorie 1 kosten 38 Euro (ermäßigt 34 Euro), Karten der Kategorie 2 gibt’s für 30 Euro (26 Euro), der Preis für Tickets der Kategorie 3 liegt bei 22 Euro (18 Euro), in der Kategorie 4 bei 20 Euro (16 Euro).
Karten gibt es im Netz unter gelsenkirchener-weihnachtscircus.de oder am Tickettelefon unter 0209-177 99 90
„Wir sind hier voll vernetzt, wir haben hier alles“, erläutert Brigitte Probst und spielt damit auf die technischen Details der Circus-Schule an. Celina hat ein eigenes Tablet, einen eigenen Laptop, weiß, was es heißt, digital und auch mal auf Distanz zu lernen. Einst, da hatten die Worte „reisende Kinder“ noch eine zusätzliche Bedeutung: „Ich musste die Kinder früher von Schule zu Schule bringen“, erinnert sich Brigitte Probst, oft zahlreiche Kilometer lagen zwischen dem Ort des Gastspiels und der Schule ihrer drei Kinder. „Stressig und anstrengend war das“, sagt die 63-Jährige rückblickend.
Da hat Celina dieser Tage schon mehr Glück – bis zu ihrem rollenden Klassenzimmer sind es schließlich nur zwei kleine Stufen.