Gelsenkirchen.. An diesem Montag waren es die Pforten zum Depot der Grafischen Sammlung im Kunstmuseum Gelsenkirchen, die sich für WAZ-Leser öffneten.

„Hier ist es aber kühl, “ fröstelt die Dame. „Kann man mal ein bisschen mehr Licht machen?“, bittet der Fotograf. Nein, kann man nicht. Beides ist nämlich Absicht. Im Depot der grafischen Sammlung müssen konstant kühle 17,5 bis 22,5 Grad herrschen (heute sind es gefühlt 19) und es muss schummrig sein.

Um die Kunst zu schützen. Vor allem das Papier, auf dem sie verewigt ist, erklärt Christiane Wanken, die stellvertretende Museumsleiterin und Hüterin der Sammlungen. Sie führt an diesem Montag, an dem Museumspforten für Publikums ja eigentlich geschlossen sind, die Gruppe der WAZ-Leser in die Geheimnisse der grafischen Sammlung ein. Im Depot des Hauses an der Horster Straße schlummern schließlich gut 900 hochwertige grafische Arbeiten, darunter auch Werke aus dem 16. Jahrhundert. Selbst Druckgrafiken von Albrecht Dürer liegen, gut geschützt und temperiert, in den Schubladen.

Schätze können höchstens zehn Wochen im Jahr ausgestellt werden

Honoré Daumier karikierte Bürgerliche und Honoratioren gleichermaßen böse. Auch von ihm gibt es ganze Zyklen im Depot.
Honoré Daumier karikierte Bürgerliche und Honoratioren gleichermaßen böse. Auch von ihm gibt es ganze Zyklen im Depot. © Funke Foto Services | Funke Foto Services

Christiane Wanken (33) ist noch neu im Haus, staunt selbst noch über die Schätze hier. „Aber warum liegen die denn hier im Depot. Warum zeigt man die nicht?“, fragt eine aus der Gruppe schüchtern. „Aus mehreren Gründen. Erstens, weil diese alten Werke auf Papier höchstens zehn Wochen lang im Jahr ausgestellt werden dürfen, ohne Schaden zu nehmen. Und dann auch nur bei konstanter Temperatur und entsprechendem Licht. Und außerdem haben wir einfach nicht so viel Ausstellungsplatz,“ räumt die promovierte Kunsthistorikerin noch ein.

Aber es soll sich etwas ändern. Sie arbeitet die grafische Sammlung gerade auf, ab November soll ein grafisches Kabinett eröffnen, in dem auch historische Grafiken gezeigt werden.

Nur die Prominenten haben eine eigene Schublade

International renommierte Künstler wie Honoré Daumier und Marc Chagall haben eigene Schubladen mit dem Namen drauf, weniger Prominente lagern unter Signaturnummern, die bei jedem Neuerwerb fein säuberlich im Inventarbuch handschriftlich verzeichnet werden. Christiane Wanken nutzt diese Führung aber nicht nur, um zu zeigen, welche Kostbarkeiten das Haus besitzt. Vielmehr gibt es bei ihr den künstlerischen und handwerklichen Hintergrund gleich dazu.

Drucktechnik half auch, die Werke vielen zugängig zu machen

Diese Chagall-Grafik gehört zu einem Bibelzyklus, den das Kunstmuseum komplett im Archiv hat.
Diese Chagall-Grafik gehört zu einem Bibelzyklus, den das Kunstmuseum komplett im Archiv hat. © Funke Foto Services | Funke Foto Services

Wie eine „Lithographie“-- vom Stein gedruckt – oder ein Holzschnitt entsteht. Aber auch, warum Künstler sich für die jeweilige Technik entschieden haben. Karl Schmitt-Rottluff etwa, der den Holzschnitt zelebrierte, weil er seinem expressiven Stil so sehr entsprach. „Sind das denn dann gar keine Originale?“ will jemand wissen. Christiane Wanken holt tief Luft, um die Gretchenfrage zu beantworten. „Die Frage ist, was das Original ist. Die Druckplatte aus Stein oder Holz, der Druck – oder die Idee. Für uns Kunsthistoriker ist es die Idee.“ Manche Stirn runzelt sich bei dieser Aussage. Als aber der Dürerdruck auf den Tisch kommt und alle sagen „Den kenn ich!“ kommentiert die Kunsthistorikerin: „Sehen Sie. Und damit Sie sie kennenlernen können, haben Künstler wie Dürer auch Druckgrafik gemacht. Damit die Werke dank Vervielfältigung von vielen gesehen werden konnten.“

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Erstaunen über alte und bedeutende Werke

Die WAZ-Leser waren am Ende von der Einfürhung ins Depot mehr als angetan. „Also ich hätte noch lange zuhören können, gern noch viel mehr gelernt. Ich war mir überhaupt nicht bewusst, dass das Gelsenkirchener Museum so alte und bedeutende Werke im Bestand hat. Ich war zwar schon öfter hier, habe auch die China-Ausstellung schon gesehen. Aber diese Grafiken sind wirklich auch sehr sehenswert,“ urteilte Sieglinde Babler.

Vorfreude auf die Eröffnung des Grafischen Kabinetts im November

Und Petra Cwiklak, die das Haus ebenfalls bereits kannte, stimmt ihr zu: Wir hätten auch gerne noch mehr gesehen, obwohl die Führung wirklich sehr, sehr interessant und informativ war. Ich habe bisher vor allem die kinetischen Objekte gesehen, mit meiner Enkelin. Das fand die natürlich besonders spannend. Aber dass die Grafiken bald auch zu sehen sind, finde ich gut.“

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Von Elisabeth Höving