Gelsenkirchen. Es sind ein Dutzend alter Aufnahmen, die Ullrich Tyrichter im Schaufenster des Optikers Oppermann an der Hauptstraße präsentiert. Sie reichen allerdings aus, um viele Passanten zum Verweilen zu bewegen. Die Aktion geht weiter: Der Optiker stellt jeden Morgen eine von 150 Ansichtskarten in einen Rahmen.
An dem Tag als Helga Esch von Ullrich Tyrichters historischen Ansichten der Hauptstraße in der Zeitung gelesen hatte, konnte sie abends nicht einschlafen. Ihre Kindheit hat sie vor, während und nach dem 2. Weltkrieg hier verbracht und kennt noch jedes alte Geschäft. Am Sonntag kam die 77-Jährige deshalb zur Hauptstraße 16, wo Fotograf Tyrichter mit Passanten das Gespräch über seine Ausstellungen suchte.
Es sind nur ein Dutzend alter Aufnahmen, die Ullrich Tyrichter unter der Überschrift „Ein kleiner Impuls für eine große Stadt“ im Schaufenster des Optikers Oppermann präsentiert. Der Effekt ist aber ein großer. „Hier bleiben immer wieder Menschen stehen und kommen über die alte Hauptstraße ins Gespräch“, hat der Fotograf beobachtet. Diesen Effekt hat Tyrichter am Sonntag für eine Verteilaktion genutzt, um Plakate und Postkarten für seine Aktionen zu verteilen.
Für 50 Pfennig ins Kino
Neben den Schwarz-Weiß-Fotos, ist auch täglich eine neue Postkarte aus Tyrichters Consol-Projekt im Schaufenster zu sehen. „Diesen Impuls muss Herr Oppermann jeden Tag auslösen“, so Tyrichter. Der Optiker stellt jeden Morgen eine von 150 Ansichtskarten mit Motiven der Zeche in einen Rahmen. Die komplette Sammlung ist in der Bergbausammlung Rotthausen, Belforter Str. 20 (dienstags 14-19 Uhr), zu sehen.
Am Sonntag ging es aber vor allem um Tyrichters historische Aufnahmen der Hauptstraße. Helga Esch hat noch viele Namen der alten Fachgeschäfte im Gedächtnis: Drogerien, eine Färberei, Lebensmittelläden und sogar ein Seifenhaus reihten sich aneinander. „Und für 50 Pfennig durfte ich ab und zu ins Kino“, erinnert sich die 77-Jährige an das Union-Theater, an der Stelle des heutigen Kodi-Marktes. Auch davon hat Tyrichter ein Foto. „Ich sehe die Gesichter der Menschen von früher wie vor meinen Augen“, sagt Helga Esch nachdenklich.
Ihre Eltern betrieben an der Hauptstraße die Eisdiele Modzel. Auch dieses Lokal findet sie auf den Fotos wieder. Nach einem Bombenangriff hatte die Familie aber alles verloren. Erst Jahre später konnte sie an der Hauptstraße wieder mit ihren Rollschuhen fahren. Wie es vor und nach dem Krieg aussah, zeigen Tyrichters Bilder anschaulich. Demnächst sollen Fotos vom Hauptmarkt dazu kommen.