Gelsenkirchen.. Begeisternder Konzertabend in der „Flora“ mit Shaghajegh Nosrati. „Grande Sonate op. 33“ erzählt von Sturm und Drang, aber auch von Wehmut und Zweifel eines Menschen

Mit einem fulminanten Konzertabend von Shaghajegh Nosrati klang die Kammerkonzertreihe „Musik erzählt. . .“ am Sonntag im Kulturraum „die Flora“ aus.

Nosrati hatte bereits am Freitag eine Schülergruppe mit ihrem Konzert begeistert, und auch das erwachsene Publikum konnte am Sonntag nur staunen über ihre Fingerfertigkeit. Mit viel Empathie brachte die junge Bochumerin Ausschnitte aus Stefan Heuckes „Verwandlungen“, opus 46a, nach Gelsenkirchen.

Die „Verwandlungen“ sind eine Zusammenstellung von mehreren kurzen Stücken, bei denen Heucke bereits bekannte Werke variierte, wie etwa die barocke Vertonung des Chorals „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, deren harmonischen Fluss er mit hellen, störenden Zwischentönen durchbrach. Stefan Heuckes Verwandlungen hauchen den altbekannten Werken so neues Leben ein.

Komplett ohne Pause stellte Nosrati diesem Kompositionszyklus Ludwig van Beethovens „Klaviersonate f-Moll op. 57“, die den Beinamen Appassionata trägt, gegenüber. Auch Beethoven setzte dabei auf Verwandlungen, in dem er ein musikalisches Motiv in immer wieder andere Klangfarben tauchte.

Shaghajegh Nosrati spielte das Werk mit sehr viel Fingerspitzengefühl, arbeitete die weich fließenden Klangbögen kunstvoll heraus und hob die dynamischen Gegensätze hervor, die das Werk so besonders machen.

Flügel an seine Grenzen gebracht

Dabei geriet der Flügel der Flora ein um das andere Mal deutlich an seine Grenzen, zu hart und zu metallisch war der Klang des in die Jahre gekommenen Instrumentes für die lyrischen Phasen des Beethov‘schen Werkes. Doch auch hier zeigte sich das herausragende Können der jungen Pianistin, die solche kleinen Schwachpunkte geschickt zu überspielen wusste: Sie nahm die Zuhörer mit auf eine Reise, ließ sie den Klang sehr direkt erfahren – so kehrte Nosrati die Stärken dieses Raumes heraus, der aufgrund seiner Größe eine sehr intime Konzerterfahrung ermöglicht.

Mit Charles Valentin Alkans „Grande Sonate op. 33“ beschloss die Bochumerin ihren Abend voller Verwandlungen. Der französische Komponist zeichnete in seinem Werk musikalisch das Leben und die Verwandlungen eines jungen Mannes nach, der in seinen 20ern eine wilde Sturm- und Drangzeit erlebt, in seinen 30ern wild und jähzornig wird, in den 40ern erste Selbstzweifel und Wehwehchen nach Außen kehrt, um in seinen 50ern ganz ruhig und wehmütig über das Leben zu reflektieren.

Shaghajegh Nosrati interpretierte das eindrucksvolle Werk nicht nur oberflächlich, sie durchlebte das musikalische und emotionale Wechselbad der Gefühle am Flügel und ließ Alkans Komposition damit für die Zuhörer zu einem regelrechten Klangabenteuer werden. Nach knapp zwei Stunden „Verwandlungen“ entließ Shaghajegh Nosrati ihr Publikum in die Nacht. Gerne hätte man ihr noch weiter zugehört.

Bleibt zu hoffen, dass die wundervolle Reihe auch im kommenden Jahr eine Fortsetzung erfahren kann. Ein Titel steht bereits, nur die Finanzierung ist noch nicht gesichert. „Im kommenden Herbst soll das Thema Europa sein“, verriet Initiator Michael Em Walter. In diesem Jahr hatte eine Kooperation mit dem Städtischen Musikverein und ein Zuschuss der Sparkasse Gelsenkirchen die auserlesenen Konzerte ermöglicht.