Gelsenkirchen.

Ein Knäul aus filigranen roten und grünen Ästen scheint federleicht durch den Raum zu schweben. Ein Hauch nur, und das fragile Gespinst droht, in sich zusammenzubrechen. „Mikado“ titelt Gerta Bauer das feingliedrige Objekt aus Naturfundstücken, das ab Sonntag in der Ausstellung „Schläft ein Lied in allen Dingen“ im Kunstmuseum Gelsenkirchen zu sehen sein wird.

„Die Natur ist der bessere Künstler“, ist Gerta Bauer überzeugt. Und widmet sich dennoch Zeit ihres Lebens intensiv beiden Themen: Als Naturwissenschaftlerin und als Künstlerin gleichermaßen spürt die in Lüdinghausen lebende Biologin den Finessen von Mutter Natur nach. Sie verknüpft in Objekten, Installationen und Zeichnungen naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit künstlerischer Interpretation.

Der poetische Titel der Ausstellung von über 30, teils vielteiligen Arbeiten, entstammt einem Gedicht des Romantikers Joseph von Eichendorff und verweist auf den geheimen Zauber hinter allem Sichtbaren.

Werke schärfen die Wahrnehmung

Aber es ist zunächst einmal das Sichtbare, dem Gerta Bauer auf der Spur ist. Mit Schüppchen, Eimern, Plastiktüten und vor allem offenen Augen bewaffnet geht sie seit über 50 Jahren durch die Natur und sammelt Pflanzen, Blätter, Wurzeln, Zweige, Samen und Erde, um sie später in höchst poetische Objekte und Installationen zu verwandeln. „Mit großer Demut vor der Natur, die wir häufig verloren haben“, sagt die promovierte Biologin und Landschaftsökologin.

Ihre Werke, sie ermöglichen eine intensivere Wahrnehmung der Dinge. Während die zarten Mikado-Werke wirre Formen bilden, dominieren andere Arbeite strenge geometrische Ordnungsprinzipien. Auf quadratischen Flächen schafft sie lineare Ordnungen von Samenkörnern und anderen winzigen Naturfundstücken. In hölzernen Sammlerkästen platziert wie in einem Herbarium wirken diese Arbeiten in ihrer Formen- und Farbvielfalt wie konservierte Kunstwerke der Natur.

Eine Bodeninstallation aus 56 quadratischen Elementen bildet einen Erdteppich aus unterschiedlichen Materialien und Naturfarben. Erde gilt der Künstlerin als spannender und beredter Urstoff der Schöpfung. Neue Perspektiven auf die Natur und ihre Prozesse ermöglicht Gerta Bauer, indem sie bekannte Formen wie Kleid, Kubus oder Kugel in ungewohntem Material präsentiert.

Der Katalog umschreibt Gerta Bauers Prinzip passend mit einem Goethe-Zitat: „Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen. Und haben sich, eh man es denkt, gefunden.“