Gelsenkirchen. Am Samstag, 25. Januar, feiert im Gelsenkirchener Musiktheater „Momo“ als Ballettproduktion Premiere. Ein Einblick aus der Tanzwerkstatt.

„Wir sollten alle ein bisschen mehr wie Momo sein.“ Ein bisschen entspannter, ein bisschen zugewandter, ein bisschen mutiger. Das zumindest wünscht sich der neue Tanzchef am Musiktheater im Revier. Giuseppe Spota, bis heute fasziniert von Michael Endes über 40 Jahre altem Kinderbuch-Klassiker über ein außergewöhnliches Mädchen, kreiert derzeit mit „Momo“ seine erste Choreographie für das MiR. Sie wird am Samstag, 25. Januar, um 19.30 Uhr als Familienstück im Kleinen Haus Premiere feiern.


Wer schon vorher einen Einblick in den Stand der Arbeiten bekommen wollte, hatte am Wochenende gute Gelegenheit dazu. In der „Tanzwerkstatt“ erläuterte der 36-Jährige Choreograph gemeinsam mit Dramaturgin Anna Chernomordik das Konzept der Produktion. Spota tut es charmant auf Deutsch, das er derzeit tüchtig paukt, mit wenigen englischen Einsprengseln. Vom Publikum lässt er sich zwischendurch gerne den Unterschied zwischen „grau“ und „grün“, „richtig“ und „wichtig“ erklären. Der Draht zum neuen Tanzchef, er ist da. Die 15 Tänzerinnen und Tänzer der neuen „MiR Dance Company Gelsenkirchen“, allesamt noch in Trainingshosen und T-Shirts statt Kostümen, präsentierten konzentriert und kraftvoll Szenen aus der Produktion, während Spota nur noch kurze Anweisungen gab.

„Alle haben Stress und kommunizieren nur oberflächlich“

Szene aus der „Tanzwerkstatt“ zur Einführung in die Produktion „Momo“.
Szene aus der „Tanzwerkstatt“ zur Einführung in die Produktion „Momo“. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht


Warum ausgerechnet „Momo“, diese Geschichte rund um ein Waisenmädchen, das sich besonders dadurch auszeichnet, den Mitmenschen gut zuhören zu können? Der Italiener lächelt. „Dieser Text ist bis heute so unglaublich aktuell. Alle haben keine Zeit, alle haben Stress und kommunizieren nur noch oberflächlich.“ Momo aber wehrt sich, so erzählt es der Roman, gegen die Zeitfresser, verkörpert durch die Grauen Herren von der Zeitsparkasse. Sie will nicht, dass es nur noch um Leistung und die Vermehrung von Reichtümern geht, sie plädiert für das Leben im Hier und Jetzt. „Momo“, meint der einstige Tänzer, Faust-Preisträger und heutige Ballett-Chef, „kann jeder von uns sein.“ Er wolle dokumentieren, dass auch ein einzelner kleiner Mensch Großes bewirken könne – mit Mut und einer starken Aura.generalprobe für einen großen tanzabend in gelsenkirchen

Für Giuseppe Spota ist Greta Thunberg die heutige „Momo“

Guiseppe Spota (Mitte) mit dem Tänzer Simone Donati, der mit seinem Bruder zum Stück komponiert hat, sowie der Dramaturgin Anna Chernomordik.
Guiseppe Spota (Mitte) mit dem Tänzer Simone Donati, der mit seinem Bruder zum Stück komponiert hat, sowie der Dramaturgin Anna Chernomordik. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht


So werden auch in der gut einstündigen Choreographie unterschiedliche Tänzer die Rolle übernehmen, drei Frauen und ein Mann (Marie-Louise Hertog, Brecht Bovijn, Genevieve O’Keeffe und Chiara Rontini). Äußerlich erkennbar sein wird Momo an der sonnengelb leuchtenden Regenjacke, die Zeitfresser tragen tristes Grau. Ein kleiner Mensch, der Großes bewirkt: Giuseppe Spota gilt die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg als eine heutige Momo. „Sie hat ganz alleine mit ihrem Engagement begonnen und dann viele Menschen mitgezogen, bis hin zur Fridays-for-Future-Bewegung.“ Eine Welt aus Plastik bringt auch Spota, der nicht nur für die Choreographie, sondern auch für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, ins Opernhaus. Momos Stadt besteht komplett aus Plastik, genauer aus weißen Stapelstühlen, die wie Türme in die Höhe ragen, die Brücken bilden, zum Boot umgebaut werden können.

Herzstücke aus dem Roman ausgewählt für die Bühnenumsetzung

Die von schnellen Rhythmen und Geräuschen nervös getriebene Musik, die vom Band kommen wird, stammt von der isländischen Rock-Band „Sigur Rós“ und vom italienischen Company-Mitglied Simone Donati, der gemeinsam mit seinem Bruder komponiert. Natürlich erzählt die Produktion nicht den kompletten Roman nach: „Ich habe ein paar Herzstücke daraus ausgewählt,“ sagt Spota. Den Besuchern der „Tanzwerkstatt“ haben sich die ersten Eindrücke beim Blick hinter die Kulissen offenbar erschlossen. Eine Zuschauerin sagte am Ende fasziniert zum Choreographen: „Durch den Tanz und die Musik konnte ich den Stress körperlich richtig spüren.“ Aber, wie ein wunderbares Duett demonstrierte, es wird an diesem Abend auch magisch-ruhige Momente geben.