Gelsenkirchen. Es war kalt, es war voll, es war lustig – und es war friedlich. Der Rosenmontagszug am Nachmittag auf der Cranger Straße war rundum gelungen. Auch wenn es die eine oder andere kurze Pause gab: Die Jecken hielten durch.
14.30 Uhr Erler Narrenzeit. Es ist bitter kalt und der Zug ist noch längst nicht in Sicht. Musik aus allen Ecken fordert zu rhythmischen Bewegungen auf. Für die Regulierung der inneren Temperatur ist Warmtrinken angesagt. Geduld ist gefragt, die Antriebslok scheint ins Stottern geraten zu sein. Als Sträflinge, Katzen, Clowns oder Piraten verkleidet, tanzen die Narren auf der Cranger Straße. Fünf Erler Frauen und ihr Begleiter verzücken die Jecken als Eisbomben. Sie haben ein Kostüm mit dicker süßer Fracht vor dem Bauch und riesigem Eishörnchen auf dem Kopf gewählt. Im letzten Jahr war noch Gesundheit angesagt, da spazierten sie als Möhren über die Narrenmeile.
Ein Jeck outet sich als Frankfurt-Fan. Doch die Schalker Seele hat zu sehr gelitten, als dass Gegner noch als Konkurrenten wahrgenommen werden. Ein Mann im Schottenrock hat seine Beine in dicke Strumpfhosen gepackt, der kleine Seeräuber ist an Mamas Seite bereit zum Gefecht. Mit rosaroter Brille und Blümchenkleid sehnt sich Christa aus Erle nach Frühlingstagen.
Horster Emscherwasser
In bunt dekorierte Ponchos ist die Unterhaltungscrew um Zeremonienmeister Hans-Georg Schweinsberg gehüllt. Die Rolle als einheizender Stimmungsmacher dauert länger als erwartet. Eine Stunde lang hat die Lok den Zug gezogen, die Tribüne vor der Sparkasse ist immer noch nicht erreicht. Bezirksbürgermeister Jochen Gill, als Napoleon in Überlänge zu erkennen, bringt wärmespendend Horster Emscherwasser unters Volk. Aus renaturiertem Gewässer versteht sich. CDU-Fraktionschef Werner Wöll scheint allen Attacken vorzubeugen. Mit Helm, Warnweste und Motorradbrille ausgerüstet, erklimmt er die Tribüne. Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt hat sich wohl an stürmische Zeiten erinnert, mischt sich als Hippie unter die Narrengesellschaft. Mit grün-weißem Gelsenkirchen-Schal und dicker Jacke verpackt trotzt OB Frank Baranowski der Eiseskälte. Auch viele Anwohner fürchten die Kälte. Die meisten Fenster der Zugbeobachter in den Wohnhäusern bleiben verschlossen.
Doch dann nähert sich der Zug im Schritttempo. Der Traktorfahrer, der das Handy ans Ohr hält, muss sicher keine Anzeige befürchten. Die weiße Tuba verrät, dass sich die niederländische Showband P.C.L. Lobith nähert. Zum 37. Mal demonstrieren die Musiker ihre zünftige Musik und ihren Gleichschritt. In einem Narrenschiff schippern die Erler Funken über ihre Heimatstraße. Die tanzenden Mädel der Bismarcker Funken sind zu bewundern. Die Garde bewegt sich, als leugnen die Muskeln einfach die extremen äußeren Bedingungen.
Von den Wagen regnet es Stofftiere, Kamelle und andere Süßigkeiten. Kinder sammeln auf den Knien die süße Fracht vom Boden auf.
Mit einem goldenen Füllhorn, vollgestopft mit Narrenkappen, hat die Narrenzunft ihren Wagen fantasievoll geschmückt. Die Gesellschaft staubt zum vierten Mal den Preis für den schönsten Wagen ab. Auf der Narrenburg mit aufgesetzter Krone residieren Prinz Olaf I. und Anke I. Die ganze Crew bewegt sich ausgelassen in ihrer Residenz, als die Juniorengarde zu elektrisierender Musik auf dem Asphalt tanzt. Zum Massenschunkeln und Mitsingen trimmt Jupp Seidel die Jecken mit seinem Gelsenkirchenlied. Zur Attacke blasen die Astorianer. Ob es die Schalker gehört haben? Rauch speiend, mit funkelnden Lichtern und höllischer Musik verwandelt die „Alte Hütte“ die Cranger Straße in eine Disco. Das war’s. Schon folgen die Saubermänner von Gelsendienste.