Gelsenkirchen. Seit zehn Jahren begleitet der Hamburger Fotograf Michael Hagedorn Menschen mit Demenz. „Bildsprachen“ zeigt seine Porträts.
Darf man zu einem so ernsten Thema wie Demenz schöne Kunstwerke schaffen? Man darf, beschloss der Hamburger Fotograf Michael Hagedorn vor genau zehn Jahren: Seit 2005 begleitet er Menschen, die an Demenz erkrankt sind, über längere Zeiträume mit seiner Kamera, ist dabei ganz nah dran – und hält so Momente fest, die sonst wie Seifenblasen zerplatzt wären.
Rund 80 seiner sehr persönlichen Porträtaufnahmen sind ab heute im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zu sehen. „Konfetti im Kopf“ ist die Bilderschau übertitelt, und so heißt zugleich auch die Kampagne, die Michael Hagedorn vor gut fünf Jahren startete, um das Thema Demenz präsenter zu machen.
Inmitten einer Alltagsszene
Mit seinen Bildern will der Fotograf die Betrachter nachdenklich machen, ins Gespräch miteinander bringen – ganz nebenbei stellt er aber auch außergewöhnliche Initiativen vor, wie etwa den Freundeskreis Bad Schussenried, der für psychisch oder dementiell erkrankte Mitbürger der Stadt Gastfamilien sucht, um ihnen ein möglichst „normales“ Leben in der Mitte der Gesellschaft zu ermöglichen.
Michael Hagedorn ist mit seiner Kamera in diese Gastfamilien gegangen, hat die „Neuzugänge“ dort abgelichtet und zeigt sie – inmitten einer Alltagsszene – beim Lösen eines Kreuzworträtsels. An anderer Stelle erzählt er mit seinen Bildern die Geschichte einer Frau, die einfach keine geeignete Betreuung für ihre erkrankte Mutter findet. Die Verzweiflung steht ihr ins Gesicht geschrieben.
Wechselbad der Gefühle
Demenz hat viele Gesichter und genau so viele Formen, auch das zeigt diese Ausstellung. Viele Bilder stimmen traurig. Doch Hagedorn versteht es, mit dem Foto daneben sofort wieder ein Lächeln herzuzaubern: Ein älterer Mann streckt darauf selbstbewusst und lachend Gewichte in Richtung Kamera, so als wolle er seine Stärke unter Beweis stellen.
„Konfetti im Kopf“ – diese Ausstellung wirft den Betrachter in ein Wechselbad der Gefühle und geht regelrecht unter die Haut. Genau so nah ging auch Michael Hagedorn, der mit Tiefenschärfe und Bildebenen ganz gezielt die Blicke lenkt, an die Menschen, die er begleitete, heran. Da sieht man jede Falte und jedes winzige Haar im Gesicht. So wird aus einer Foto-Dokumentation auch Fotokunst.
Persönliche Porträt des Schalker Urgesteins Rudi Assauer
„Mit dieser Ausstellung stellen wir erstmals die künstlerischen Aspekte dieser Arbeiten in den Mittelpunkt. Sonst wurde der Schwerpunkt zumeist auf die gesellschaftlichen Inhalte der Bilder gelegt“, betont Peter Liedtke vom Fotografie-Forum „Bildsprachen“, das diese Bilder in Ückendorf präsentiert.
Die Ausstellung wird am Donnerstag, 5. März, um 18.30 Uhr an der Munscheidstraße 14 eröffnet. Sie ist bis zum 6. Juni wochentags von 6 bis 19 Uhr, samstags von 7.30 bis 17 Uhr zugänglich.
Besonders gelungen sind Hagedorns sehr persönliche Porträts des Schalker Urgesteins Rudi Assauer. Assauers Tochter Bettina Michel liest bei der Vernissage aus ihrem Buch „Papa, ich bin für dich da“. Der Fotograf wird persönlich zugegen sein, Peter Liedtke gestaltet die Einführung in sein Werk. Demenz-Experte Detlef Rüsing spricht ebenfalls.