Gelsenkirchen.. Zu wenige Lehrer und Räume und zu viele Herausforderungen nehmen Gelsenkirchener Schulen mit ins neue Schuljahr, um entspannt in die Ferien zu gehen.

Die Ferien haben begonnen. So richtig entspannt geht in Gelsenkirchen allerdings wohl kaum jemand, der mit Kindern, Lehre und Schulverwaltung zu tun hat, in die unterrichtsfreie Zeit. Zu groß sind die Herausforderungen, die mit ins nächste Schuljahr übernommen werden.

Aus Sicht der in der Stadtschulpflegschaft organisierten Elternvertreter gibt es vor allem zwei Kernprobleme: zu wenige dafür gut ausgebildete Lehrkräfte, um Gemeinsames Lernen plus die Herausforderung durch EU-Zuwanderer- und Flüchtlingskinder gut meistern zu können. Und zu wenige und zu schlecht ausgestattete Räume.

Dabei mangele es bei den meisten Lehrern nicht an Engagement und gutem Willen, so die Eltern. Viele gingen bis an ihre Grenzen. Erholungsphasen seien in engen Lehrerzimmern selten. Und: „Wir haben im Durchschnitt zwei Stunden Unterrichtsausfall je Woche“, schätzt der Vorsitzende der Stadtelternschaft, Carsten Hegenberg, für die Grundschule. Statistiken dazu gibt es nicht. Vertretungskräfte im Krankheitsfall gibt es nur für Langzeiterkrankungen.

Krankheitsausfälle an kleinen Schulen verheerend

Der Vorstand der Stadtschulpflegschaft Gelsenkirchen beim Gespräch mit der WAZ: Dr. Karin Brachwitz (Löchterschule), der Vorsitzende Carsten Hegenberg (Grundschule Martin-Luther-Schule, Gesamtschule Berger Feld), Ute Melang (Mechtenbergschule) und Carl Kreitz (Schalker Gymnasium).
Der Vorstand der Stadtschulpflegschaft Gelsenkirchen beim Gespräch mit der WAZ: Dr. Karin Brachwitz (Löchterschule), der Vorsitzende Carsten Hegenberg (Grundschule Martin-Luther-Schule, Gesamtschule Berger Feld), Ute Melang (Mechtenbergschule) und Carl Kreitz (Schalker Gymnasium). © Foto: Martin Möller / Funke Fot | Foto: Martin Möller / Funke Fot

In kleinen Lehrerteams wie an Grundschulen kann sich die parallele Erkrankung von nur zwei Lehrern besonders verheerend auswirken. „Und gerade an der Grundschule werden doch die Grundlagen gelegt. Hier wirken sich Defizite besonders schlimm aus,“ klagt Ute Melang, dritte Vorsitzende im Team. Ohnehin sind alle in der Runde davon überzeugt, dass die Situation in den Grundschulen besonders dramatisch ist. Man spricht von der „Verteilung des Mangels“ und davon, dass von einst versprochenen Doppelbesetzungen in Hauptfächern etwa im Gemeinsamen Lernen kaum noch etwas übrig sei.

Nur 18 (volle) Grundschullehrerstellen sind laut Schulaufsicht derzeit an den 39 Grundschulen der Stadt unbesetzt. Der Pflichtunterricht sei damit abgesichert. Auch bei Sonderpädagogen seien nur drei von sechs Zusatzstellen (zu 28,5 besetzten an Grundschulen) offen. Im November, nach den Prüfungen, wird neu ausgeschrieben. Zu Doppelbesetzungen gebe es keine Vorschrift, betont Schulrat Bernhard Südfeld. Jede Schule entscheide selbst, wie optimal gefördert werde. Rund 225 Kinder mit Förderbedarf sind für 2016/17 für Gemeinsames Lernen in Grundschulen gemeldet, 395 an weiterführenden Schulen.

Viele Lehrer sind unzureichend vorbereitet

Zur optimalen Förderung fehlten viele Differenzierungsräume, ebenso wie Räume für Offene-Ganztags-Betreuung. Carl Kreitz aus der Schulpflegschaft des Schalker Gymnasiums, das als erstes Gymnasium Schüler mit Förderbedarf aufnahm, klagt über heute noch fehlende Differenzierungsräume. Und erzählt von Lehrern, die sich unzureichend vorbereitet fühlen.

Bildungsdezernent Dr,. Manfred Beck hat indes noch mehr Probleme zu lösen: 75 Kinder gilt es unterzubringen, die meist nach der sechsten Klasse am Gymnasium die Schulform wechseln müssen, weil sie erneut das Klassenziel nicht erreicht haben.

Lehrer sollten mit Extra-Anreizen nach Gelsenkirchen „gelockt“ werden

Man müsste versuchen, Lehrer mit Extras wie mehr Gehalt oder anderen Vorteilen nach Gelsenkirchen zu locken, wünschen sich die Elternvertreter, um Nachteile gegenüber Städten wie Münster aufzuwiegen und auch hier alle Stellen besetzen zu können.

Zuwandererkinder direkt in Regelklassen zu unterrichten: Das kann gut funktionieren, aber nicht in Gelsenkirchen. Hier ist der Anteil der Kinder ohne Deutschkenntnisse und ohne schulische Vorbildung zu hoch, sind Eltern und Verwaltung einig.
Zuwandererkinder direkt in Regelklassen zu unterrichten: Das kann gut funktionieren, aber nicht in Gelsenkirchen. Hier ist der Anteil der Kinder ohne Deutschkenntnisse und ohne schulische Vorbildung zu hoch, sind Eltern und Verwaltung einig. © dpa | dpa

Dass der aktuelle Landesvorschlag, mehr Zuwanderer- und Flüchtlingskinder sofort in Regel- statt in Internationalen Förderklassen zu unterrichten, in einer Stadt wie Gelsenkirchen mit hoher EU-Zuwanderung Entlastung bringen kann, glaubt Elternvertreterin Dr. Karin Brachwitz ebenso wenig wie Stadtdirektor Dr. Manfred Beck. „Ohne Internationale Förderklassen wären viele Zuwandererkinder, aber auch die Schulen überfordert.“ Gerade unter den Kindern aus Südosteuropa hätten viele noch nie eine Schule von innen gesehen. „Integration ohne Vorbereitung ist dort nicht denkbar. Vielmehr sind die maximal vorgesehen zwei Jahre oft zu kurz, um eine erfolgreiche Integration zu gewährleisten,“ so Beck gegenüber der WAZ.

Eltern fürchten noch größere Klassen

119 Internationale Förderklassen mit 2154 Kindern gibt es hier derzeit, davon sind 39 in der Primarstufe mit insgesamt 722 Kindern angesiedelt, 65 Klassen (1139 Kinder) in der Sekundarstufe I sowie 15 Klassen (293 Schüler) in der Sek II . Mit Unbehagen sehen viele Eltern der bevorstehenden Integration von hunderten IFÖ-Kindern in Regelklassen entgegen. Man fürchtet Klassenteilungen oder noch größere Klassen.

Dass der Stadt bei der Lehrereinstellung die Hände gebunden sind, ist den Eltern klar. Dass die langfristige Schulplanung quasi ausgesetzt wird zugunsten kurzfristiger Notmaßnahmen, stößt auf wenig Verständnis. Die Zahl der Zuwandererkinder werde noch länger hoch bleiben. Deshalb brauche es Planung, um die Not zu beseitigen.