Gelsenkirchen. Der 28-jährige Dominic Schmitz besuchte das Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe und erzählte, wie er Salafist wurde – und warum er es nicht mehr ist.
Als 16-, 17-Jähriger will man Antworten auf die wichtigen Fragen des Lebens. Auch Dominic Schmitz. Schule war ihm egal, er kiffte, „hing ab“. Irgendwann kam ein alter Bekannter vorbei, der sich radikal verändert hatte. Langer Bart, langes Gewand. „Er rauchte und kiffte nicht mehr, er trank keinen Alkohol. Aber er war glücklich.“ So fing das an ...
Heute ist Dominic Schmitz 28, erzählt in Schulen, wie er Salafist wurde – und vor allem: warum er es nicht mehr ist. In der proppevollen Aula des Weiterbildungskollegs Emscher-Lippe, ausgewiesene Schule mit Courage und gegen Rassismus, sitzt er am Mikrophon. Ein eher unauffälliger Typ. Seine Zuhörer: Studierende der Unterrichtsreihe „Gruppen bezogene Menschenfeindlichkeit“, Lehrer, viele interessierte Studierende sowie unter anderem Bora Ergin als Vertreter des Kommunalen Integrationszentrums und des Netzwerks für Vielfalt und gegen religiösen Extremismus.
Konsequenter Lebensstil hatte ihm anfangs sehr imponiert
Die Konsequenz, mit der Schmitz’ alter Bekannter sein damals neues Leben durchzog, habe ihm imponiert. „Und der hat gespürt, dass ich dafür empfänglich bin“, erzählt der in Mönchengladbach geborene Aussteiger. „Er kam häufiger und irgendwann jeden Tag.“ Schmitz hat „die Schriften aufgesaugt wie ein Schwamm.“ Seine „Brüder“ hätten auf alles eine einfache Antwort gehabt. Das habe ihm gefallen. „Was kommt nach dem Tod? Antwort: Himmel oder Hölle.“ Er wollte in den Himmel – und konvertierte. Seine Mutter kommentierte das so: „Aber nicht, dass du dich in die Luft sprengst.“
Das tat er nicht. Aber er wollte „24 Stunden täglich sieben Tage die Woche nach Gottes Willen leben.“ Er betete, lebte asketisch, kam daher gut mit Hatz IV aus, er pilgerte nach Mekka, heiratete salafistisch eine Frau, die er erst 20 Minuten vor der Hochzeit kennen lernte, wurde zweifacher Vater.
2010 bekam die Fassade erste Risse
Und hatte verinnerlicht: „Du musst eins zu eins nach dem Koran leben.“ Wer das nicht tue, sei ein Ungläubiger. „Ich habe den Islam als Salafismus kennen gelernt.“ 2010, sagt er, „gab es bei mir die ersten Risse in der Fassade. Wenn man seine Überzeugung mit Gewalt ausüben muss, ist das nicht gut.“ Oder wenn man ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit habe, es aber nicht nutzen dürfe. Ja, dass man nicht einmal Sympathie für „Ungläubige“ empfinden dürfe. Man hatte ihm beigebracht, sich nicht mit anderen Gruppen zu beschäftigen, die ihn in die Irre führen würden. Und irgendwann begriff er, dass er selbst auf dem Irrweg war.
Dominic Schmitz distanzierte sich von den Salafisten. „Es kamen sms. Wir vermissen dich. Denk dran, du kommst in die Hölle.“ Irgendwann habe gar der islamistische Prediger Pierre Vogel angerufen ... „Ich war der Hund, der Abtrünnige“. Dominic Schmitz steht dazu. Irgendwann hat er Videos ins Netz gestellt, „um die Leute vom Kampf abzuhalten.“
Übrigens: 2011 hat der Verfassungsschutz in NRW 500 Salafisten ausgemacht. 2014 waren es bereits 1800!