Gelsenkirchen.
Zum Abschied gab es einen Walzer – und dann verschwand Ballettdirektor Bernd Schindowski für immer von der Gelsenkirchener Bühne, für die er 33 Jahre lang gewirkt hatte. Das war am Freitag der krönende Abschluss des sehr emotionsgeladenen Galaabends im Musiktheater.
Der letzte Vorhang fiel. Und eine Ära ging zu Ende. Zuvor hatte Schindowski mit seiner Compagnie und mit den jugendlichen Teilnehmern der Aktion „Heavy Music - Cool Love“ allerdings noch einmal das Publikum verzaubert. Fast drei Stunden dauerte die Bernd Schindowski-Abschieds-Gala im großen Haus des Musiktheaters im Revier.
"33 wundervolle Jahre"
Ganz am Ende von Bernd Schindowskis Choreografen-Karriere gab es dann doch noch einmal einen Spitzentanz – allerdings wurde nicht auf Spitze getanzt, sondern in Spitze: Andreas Meyer hatte Schindowskis Ensemble schwarze Spitzenkostüme auf den Leib geschneidert. Zur ergreifenden Musik von Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 15 in A-moll tanzten die 14 Ensemble-Mitglieder dann ein von Schindowski erdachtes wortloses Drama um Liebe, Zusammenhalt und Abschied. Während des Tanzes tat sich plötzlich die Bühne auf, und hunderte Requisiten von Aufführungen der letzten Jahre kamen zum Vorschein.
Nach und nach wurden sie von ganz in schwarz gekleideten Bühnentechnikern eingepackt und abtransportiert. So blieb am Ende eine leere Bühne, von der Bernd Schindowski sich zu einem Walzer inspirieren ließ: „Ich habe aufgeräumt, ich liebe leere Räume und leere Bühnen. Und ich habe Platz geschaffen für meine Nachfolgerin Bridget Breiner, der ich alles Gute wünsche“, sagte der Ballettchef, als er sich „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ von seinem Publikum in Gelsenkirchen verabschiedete. „Ich hatte alles in allem 33 wundervolle Jahre hier“, betonte Schindowski, bevor er dann nacheinander mit Alina Köppen, Min-Hung Hsieh und Marika Carena von seinem Ensemble Walzer tanzte.
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
Zuvor hatte der Galaabend viele Überraschungen und natürlich viele Dankesworte gebracht. So gab es ganz zu Beginn Ausschnitte aus „Heavy Music - Cool Love“-Inszenierungen, mit denen Jugendliche aus dem Ruhrgebiet dem Ballettchef ihre Ehre erwiesen. Denn schon früh hatte Schindowski die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu einer Herzensangelegenheit gemacht. „Ich danke Bernd Schindowski für die Leidenschaft und Ausdauer, mit der er bundesweit einzigartig das Tanztheater von und für Kinder und Jugendliche aufgebaut hat.
Und dafür, dass er dafür gesorgt hat, dass die Stadt Gelsenkirchen einen festen und prominenten Platz in der deutschen Tanzlandschaft hat. Wenn das Musiktheater im Revier heute in der Bühnenwelt so gut positioniert ist, dann ist das auch mit ein Verdienst der Arbeit von Bernd Schindowski“, betonte Oberbürgermeister Frank Baranowski in seiner Dankesrede – und fügte hinzu: „Ich sage das an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Das Musiktheater im Revier gehört untrennbar zu Gelsenkirchen. Und das Ballett gehört untrennbar zum Musiktheater im Revier. Dazu gab es und gibt es in Gelsenkirchen nie eine zweite Meinung!“
Abschiedsworte von Norbert Lammert
Mit einer sehr witzigen und pointierten Eloge verabschiedete sich auch Bundestagspräsident (von MiR-Intendant Michael Schulz zunächst versehentlich als Bundespräsident begrüßt) Norbert Lammert von Bernd Schindowski: „Wie lange Ihre Zeit hier am Musiktheater gedauert hat, wird erst deutlich, wenn man sie in Relation zu anderen Amtszeiten setzt. In dieser Zeit hat Gelsenkirchen fünf Oberbürgermeister erlebt, fünf Ministerpräsidenten und vier Bundeskanzler. Nur die Queen ist länger im Amt. Und sie ist nie mit einer besonderen Choreografie aufgefallen“, sagte Lammert schmunzelnd.
Dabei ging er jedoch auch auf die stetig schwieriger gewordenen Arbeitsbedingungen und die Sparzwänge an den Theatern ein: „Der Tanz ist in Deutschland die am meisten gefährdete Sparte. Blut ist im Schuh, wenn zu knappe Schuhe auf zu hohe Ansprüche treffen. Dabei hat Bernd Schindowski hier in Gelsenkirchen immer das Beste aus der Situation gemacht. Als er hier vor 33 Jahren anfing, hatte seine Compagnie 20 Mitglieder, zwischendurch, in den 80er-Jahren wuchs die Zahl sogar auf 24 an. Und jetzt ist das Ensemble inzwischen auf 14 Mitglieder geschrumpft“, so Lammert.
MiR-Foyer-Stuhl
Nicht nur Dankesworte, sondern auch Geschenke gab es für den scheidenden Ballettdirektor: NRW-Kulturministerin Ute Schäfer übergab ihm ein Rosenbäumchen und betonte: „Das trägt den Namen Nostalgie“, nachdem sie Bernd Schindowski im Namen der Landesregierung für sein Wirken gedankt hatte. Und MiR-Intendant Michael Schulz überreichte gemeinsam mit dem Oberbürgermeister einen original MiR-Foyer-Stuhl, den Werner Ruhnau im Anschluss signierte und mit einer lässigen Sitzhaltung stilecht vorführte. „Das ist genau der richtige Stuhl für mich, denn dann kann ich auch im Ruhestand immer in Bewegung bleiben“, freute sich Bernd Schindowski.
Auch die lange Laudatio des Musikwissenschaftlers und Kulturkritikers Heinz-Albert Heindrichs, der nach eigenen Angaben fast alle der rund 100 Choreografien Schindowskis gesehen hatte, rührte den scheidenden Ballettchef. Heindrichs verband kölschen Witz und wissenschaftliche Analyse mit Dichtung, als er den Inspirationsquellen für Schindowskis Werke nachspürte. Und viele der Aufführungen erschienen den Zuhörern vor dem geistigen Auge, als Heindrichs an sie erinnerte.
Schlüsselübergabe
So wurde der Galaabend zum großen Erinnerungsabend. Und dem Publikum stockte der Atem, als Bernd Schindowski seine Schlüssel zum Musiktheater und zu den Probenräumen in einer rührenden Szene an die Pförtnerin Petra Philipp übergab. „Ich hoffe, dass du zu meiner Nachfolgerin genau so lieb bist, wie du zu mir immer warst“, sagte er zum Abschied. Bevor er für immer hinaus tanzte.
Übrigens wurden neben Bernd Schindowski am Freitag auch sein langjähriger Assistent und Solo-Tänzer Rubens Reis und der Tänzer Bogdan Khvoynitskiy verabschiedet.