Gelsenkirchen.. Ein Großvater beklagt die Kürzung der Bezüge für die 15-jährige Enkelin und wirft dem Jobcenter Gelsenkirchen vor, die Schulpflichtige zur Arbeit aufgefordert zu haben.
Heribert Kowalewski ist empört. Der Großvater kümmert sich mit seiner Lebensgefährtin um Enkelin Saskia – von Geburt an, weil die Mutter dazu nicht in der Lage ist. Jetzt sind ihm die Bezüge für die 15-Jährige gekürzt worden. Darüber hat sich der Rentner aus Gelsenkirchen beim Jobcenter beschwert. Und ist schockiert: „Mir wurde mitgeteilt, meine Enkelin könne ja jetzt bis zu drei Stunden täglich arbeiten gehen, um sich etwas dazu zu verdienen.“ Für Heribert Kowalewski „ein Unding“, schließlich geht Saskia noch zur Schule, „will Abitur machen und danach studieren – „Medizin, Grafikdesign oder Japanologie.“
Wird die 15-Jährige Saskia aufgefordert, neben der Schule zu arbeiten? Diese Frage haben wir Dirk Sußmann gestellt, dem Leiter des Jobcenters Gelsenkirchen (IAG). „Das Jobcenter hat die junge Frau niemals aufgefordert, arbeiten zu gehen“, erklärt Sußmann, „weder schriftlich noch mündlich.“ Das Gegenteil sei der Fall. Das IAG unterstütze ausdrücklich alle jugendlichen SGB II-Bezieher darin, die Schule zu besuchen und diese auch erfolgreich mit einem Schulabschluss zu beenden. Lediglich eine Einladung zu einem Beratungstermin sei verschickt worden. Denn: „Wir sind froh und dankbar für alle, die an Bildung interessiert sind.“ Daher sei das IAG zudem bei der Berufsorientierung und Ausbildungsplatzsuche oder, wenn die Voraussetzungen passen, auch bei der Suche nach einem Studienplatz, behilflich.
Das sieht der Gesetzgeber vor
Dass die Bezüge gekürzt worden sind, liegt an der Gesetzgebung. Bei Schülerin Saskia ist bis zum 15. Lebensjahr das Jugendamt der Stadt für Hilfeleistungen zuständig, entsprechend der Gesetzgebung des Sozialgesetzbuches (SGB) VIII. Ab dem 15. Lebensjahr findet das SGB II (Hartz IV) Anwendung und damit ist das Jobcenter zuständig.
Aber: Die finanzielle Leistungen des Jugendamtes setzen sich völlig anders zusammen als finanzielle Leistungen nach Hartz IV, weshalb sich finanzielle Unterschiede ergeben.
In Zahlen ausgedrückt: Bis zum 15. Lebensjahr der Schülerin wurden rund 258 Euro Pflegegeld, 59 Euro Miet- und Heizkostenanteil sowie 184 Euro Kindergeld gezahlt. Macht zusammen etwa 500 Euro. Jetzt setzen sich die gekürzten Bezüge so zusammen: 211 Euro aus Hartz IV und 184 Kindergeld, zusammen sind das rund 400 Euro.
Was Heribert Kowalewski überhaupt nicht nachvollziehen kann, schließlich „ bekommen Pflegekinder in anderen Familien gut 700 Euro“.
Das stimmt, aber nur zum Teil. Mehr Geld wird nur gezahlt, wenn fremde Kinder in Pflege sind, nicht aber, wenn sie laut Bundesfamilienministerium „in gerader Linie verwandt sind“. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass da die Erziehung des Kindes ohne die Honorierung des Sachaufwandes geleistet werden kann.
Kommentar von Nikos Kimerlis: Zweiklassengesellschaft
Städte und Kommunen sind an Recht und Gesetz strikt gebunden. Von daher ist es nur schwer vorstellbar, dass in vergleichbaren Fällen in Nachbarstädten, etwa Dortmund, höhere Gelder für Pflegekinder ausgezahlt werden. Das hat der Pflegegroßvater aus Gelsenkirchen dem Fernsehsender Sat 1 jüngst ins Mikrofon gesprochen.
Schwer nachvollziehbar ist aber auch, dass der Gesetzgeber den Pflegeaufwand für Fremdkinder finanziell höher honoriert als für direkt verwandte Kinder. Ist das denn so viel weniger Arbeit? Mitnichten, die Fürsorge, um Kinder groß zu ziehen, dürfte die gleiche sein. Und die finanzielle Belastung ebenso.
Die Leidtragenden sind die betroffenen Kinder. Ihren Pflegeeltern werden wird das Geld gekürzt, was im Zweifelsfall dazu führt, dass sie Abstriche machen müssen – vielleicht nur bei sich selbst, vielleicht aber auch beim Pflegekind. Formal entspricht die Handhabe zwar den gültigen Gesetzen, gerecht ist das aber beileibe nicht.