Gelsenkirchen. Schlagzeilen macht aktuell die Not an Gewerbeflächen im Ruhrgebiet. Die Stadt Gelsenkirchen sieht sich in der Beziehung gut aufgestellt.

Facharbeitermangel, monatelanges Warten auf den Handwerker und zuletzt noch fehlende Gewerbeflächen. Unüberhörbar war der Hilferuf der Handwerkskammer Düsseldorf nach dem Scheitern des Regionalplanes – die Kammer sah „kleine und mittlere Betriebe bedroht“. Wie also ist es um die Gewerbeflächen fürs Handwerk hier in Gelsenkirchen bestellt?

Stadt Gelsenkirchen: Flächenvermarktung so erfolgreich wie lange nicht mehr

Im Gewerbegebiet Bergmannsglück in Gelsenkirchen sind noch freie Gewerbeflächen zu finden.
Im Gewerbegebiet Bergmannsglück in Gelsenkirchen sind noch freie Gewerbeflächen zu finden. © Unbekannt | Foto: Hans Blossey

In puncto Gewerbeflächen sieht sich die Stadt Gelsenkirchen generell gut aufgestellt. Stadtrat und oberster Wirtschaftsförderer Christopher Schmitt erklärte, dass die Verwaltung „bei der Vermarktung von Gewerbeflächen so erfolgreich wie noch nie in den vergangenen Jahrzehnten gewesen ist“. Der Blick richtet sich dabei auf das neue Logistikzentrum von Bilstein am Schalker Verein, verbunden mit 160 neuen Arbeitsplätzen. Oder etwa auf den Gewerbepark A 42, wo Pilkington eine neue Heimstatt gefunden hat – und 180 Mitarbeiter. Etwas kleiner in der Dimension, aber nicht minder wertvoll: das kommende Hilton-Hotel im Schalker Arena-Park mit rund 40 Arbeitsplätzen – und die begonnene Erweiterung von „medicos.AufSchalke“ mit 30 zusätzlichen Mitarbeitern.

Das Gewerbe- und Wohngebiet Graf Bismarck in Gelsenkirchen. Hier gibt es noch freie Flächen.
Das Gewerbe- und Wohngebiet Graf Bismarck in Gelsenkirchen. Hier gibt es noch freie Flächen. © Unbekannt | Foto: Hans Blossey

Die Kehrseite der Medaille und damit schlechte Nachricht: „Jede Neuansiedlung erhöht unseren Flächenverbrauch“, sagt Rainer Schiffkowski, Leiter des Referats Wirtschaftsförderung. Aber dazu weiter unten mehr.

Mehr als 30 Hektar Gewerbefläche sind sofort verfügbar

Erst einmal zurück zu guten Nachrichten: Zwar gibt es in der Stadt keine großen Brachen mehr, nichtsdestotrotz sind für Handwerk und Mittelstand 31,3 Hektar an Flächen sofort verfügbar. Diese Grundstücke befinden sich am Schalker Verein (Bulmke-Hüllen), im neuen Quartier Graf Bismarck (Bismarck), am Bergmannsglück in Hassel, die Flächen südlich der Devesestraße in Buer, im Gewerbepark Rheinelbe (Ückendorf) sowie nahe Thyssenkrupp am Schalker Bahnhof.

Ein Luftbild vom Gewerbegebiet Rheinelbe mit BLB NRW, Tagungshotel Lichthof und Vonovia Immobilien Treuhand GmbH in Gelsenkirchen. Auch hier gibt es noch Vermarktungspotenzial.
Ein Luftbild vom Gewerbegebiet Rheinelbe mit BLB NRW, Tagungshotel Lichthof und Vonovia Immobilien Treuhand GmbH in Gelsenkirchen. Auch hier gibt es noch Vermarktungspotenzial. © Unbekannt | Foto: Hans Blossey

„An Potenzialflächen kommen da noch einmal 31,7 Hektar hinzu“, so die Wirtschaftsförderer. Flächen also, die noch mittelfristig zu erschließen sind: Graf Bismarck gehört dazu, aber auch Gebiete im Norden der Stadt, „auf Hugo und die ehemalige Zeche Westerholt“. Mittelfristig, das bedeutet innerhalb von etwa fünf Jahren.

Laufende Umfrage unter Gewerbetreibenden zu Ansiedlungsflächen

Jochen Grütters, Leiter der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord-Westfalen, mag in die Klage der Kollegen aus Düsseldorf nicht ohne Weiteres miteinstimmen. Er sieht durchaus „ausreichend Flächen für Betriebserweiterungen und Neuansiedlungen“ in Gelsenkirchen. Grütters fordert aber zugleich eine „angebotsorientierte Flächenpolitik“, die möglichst vielen Begehrlichkeiten Rechnung trägt: denen der Wirtschaft, der Wissenschaft und auch der Bürger, die sich neben einem attraktiven Arbeitsplatz auch ansprechenden Wohnraum wünschen.

Blick aus der Luft auf das Gelsenkirchener Gewerbegebiet Schalker Verein, auch hier gibt es noch freie Flächen.  
Blick aus der Luft auf das Gelsenkirchener Gewerbegebiet Schalker Verein, auch hier gibt es noch freie Flächen.   © Unbekannt | Foto: Hans Blossey

„Ich bin mir bewusst, dass es da Bereiche geben wird, die kollidieren“, so Grütters. Um das möglichst weich abzufedern, hat die IHK und auch die Handwerkskammer eine Umfrage unter den Gewerbetreibenden der Region und in Gelsenkirchen initiiert, aus der die konkreten Bedarfe ermittelt werden sollen. Die Resonanz ist „ausgesprochen gut“, viele nähmen gerne teil. Ergebnisse sind im „ersten Quartal 2020 zu erwarten“, so Grütters. In Kooperation mit den städtischen Planern und der Wirtschaftsförderung soll dann gemeinsam daran gearbeitet werden, wo neue Flächen entstehen für das Handwerk, für das Wohnen aber auch für die Industrie.

Denn: Freie Industrieflächen für große Produktionsbetriebe (24 Stunden) gibt es in Gelsenkirchen nicht mehr – solche Areale stehen vorerst nur auf Papier als Potenzialflächen, die dem Markt noch hinzu zugefügt werden. Aus Sicht der Stadtplanung sind derzeit rund 157 Hektar Gewerbe-Reserveflächen im Regionalen Flächennutzungsplan planerisch gesichert. Dazu zählen laut Stadt „vor allem größere ehemalige Bergbauflächen wie Zeche Westerholt, Bergmannsglück, Zentralkokerei Scholven, Zeche Hugo, Kraftwerk Scholven Uniper“. Knapp die Hälfte der Reserveflächen sind wie beschrieben innerhalb der nächsten halben Dekade verfügbar.

88,5 Hektar werden als Reserve vorgehalten

Hinzu kommen 88,5 Hektar betriebsgebundene Reserveflächen, das heißt Flächen, die von bestehenden Unternehmen als Erweiterungsflächen vorgehalten werden.

Ein Pfund für Gelsenkirchen, mit dem es sich ordentlich wuchern lässt. Wenn die Eigentümer mitwirken. In Scholven beispielsweise gehört die Fläche Uniper, und ob sich die Weitervermarktung im Wunschkanon von Stadt und Energiedienstleister bewegen wird, ist nicht sicher. „Wir sind da in guten Gesprächen“, betont Stadtrat Christopher Schmitt. Das Flächenpotenzial von Uniper beispielsweise ist auch aufgrund seiner Entwicklungspotenziale mit einer Größe von etwa 80 Hektar und seiner Lagegunst nach Einschätzung der Wirtschaftsförderer „eine sehr gute Adresse für eine Weiterentwicklung des Clusters der chemischen Verbundindustrie“ (Oel/Chemie/Wasserstoff) mit der Nähe zu BP und dem Chemiepark Marl.