Gelsenkirchen.. Es geht ums Ganze, um musikwissenschaftliche Hintergründe und um großartige Musik: Sonntag endete die Reihe „Musik erzählt...“ in der Flora.
Die dreigliedrige Reihe „Musik erzählt…“, durch Michael Em Walter für den Kulturraum „die flora“ konzipiert, fand am Sonntag mit „…von uns“ einen fulminanten Abschluss.
„Es geht ums Ganze, um die menschliche Komplexität, ohne Kompromisse“, erklärt der Gelsenkirchener Komponist zu Beginn des Abends. Auch diesmal gibt er dem Publikum Einblicke in musikwissenschaftliche Hintergründe, charakterisiert die Komponisten. Auf dem Programm Klaviermusik von Ludwig van Beethoven, Konrad Boehmer, Charles Ives und Charles-Valentin Alkan. „Sie alle eint ihre Außenseiterposition, es sind eremitische Figuren. Die ausgewählten Stücke spielen zudem mit einer ständigen Überreizung und Überforderung“.
Von zuckersüß bis aggressiv – und immer virtuos
Was Walter und der Pianist Rainer Maria Klaas damit meinen, offenbart sich den leider nur wenigen Gästen unmittelbar mit der „Hammerklaviersonate“ von Beethoven. 45 Minuten aufwühlendes Spiel, unruhig und fragend, stellenweise zuckersüß, dann wieder kraftvoll, ja aggressiv – kurzum facettenreich wie das Leben selbst. Klaas spielt ohne übertriebene Dramatik im persönlichen Dialog mit dem Schöpfer der virtuosen Noten, hält Spannungsbögen unendlicher Traurigkeit ebenso aufrecht wie die wilden Passagen fast dissonanter Klänge.
„Durch Werke dieser Kraftentfaltung begreift man, dass die Instrumentenbauer das alte Holzklavier verstärken mussten, bis der Flügel, wie wir ihn heute kennen, erfunden wurde.“ Der Charme der Reihe besteht neben den exzellenten Besetzungen in eben diesen Zusatzinformationen. Eine Fotokopie des Klaviersatzes von Konrad Boehmers experimenteller Komposition „Potential“ verdeutlicht, wie kompliziert es für Musiker sein kann, Werke zu reproduzieren, wie viel Arbeit darin steckt, die musikalischen Gedankengänge anderer zu interpretieren.
Fortsetzung in 2016 geplant
„Wir werden die Reihe im kommenden Jahr auf jeden Fall weiterführen“, verspricht Wiltrud Apfeld. Die Leiterin der Flora will die Wahl des Sonntags überdenken, glaubt aber grundsätzlich an einen langfristigen Erfolg. „Gerne würden wir mehr Schüler in unseren Konzerten sehen, ihnen ein besseres Verständnis der klassischen Musik ermöglichen“, sagt Michael Em Walter.