Gelsenkirchen. Keine Auswahl nur nach „Schema F“: Arbeitsagentur, Handwerkskammer und IHK werben für mehr Flexibilität bei Bewerbern, aber auch bei den Firmen

„In die Zukunft investieren – bringt weiter!“ Das Motto wirkt durchaus universal einsetzbar, ist aber zugeschnitten auf die bundesweite „Woche der Ausbildung“. Bereits zum dritten Mal wirbt die Arbeitsagentur in Gelsenkirchen und Bottrop in der Aktionswoche bis 11. März für die duale Ausbildung und um Ausbildungsstellen in den Betrieben. Und zum dritten Mal gibt es im Vorfeld: Appelle.

Denn die Situation auf dem Ausbildungsmarkt bleibt angespannt. Auf 150 Bewerber kommen in beiden Städten rund 100 freie Stellen. Zum Stichtag 30. September 2015 waren in Gelsenkirchen noch 51, in Bottrop 20 Jugendliche unversorgt. Die gute Botschaft: Die Nachvermittlung bis zum Jahresende führt in der Regel zum Erfolg.

Zweites Problem: Auch die Betriebe haben längst nicht mehr die Wahl. Die Zahl der Bewerber geht zurück. Gleichzeitig wächst der Bedarf, weil in den nächsten Jahren die Mitarbeiter aus den geburtenstarken Jahrgängen Mitte der 1950er bis 1960 Jahre in Rente gehen. Im kaufmännischen Bereich bleibe die Nachfrage zwar nach wie vor groß, aber in den industriell-technischen Sparten sei der Einbruch bereits deutlich, so Karl-Friedrich Schulte Uebbing, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen. Für ihn steht fest, dass „betriebliche Ausbildung das beste Instrument zur Fachkräftesicherung ist.“ Die Bereitschaft auszubilden, sei dabei in der Emscher-Lippe-Region durchaus „überdurchschnittlich groß. es gibt aber einfach zu wenig Unternehmen und damit zu wenig Plätze.“ Schulte-Uebbings Rechnung: „Manche großen Firmen fallen weg oder fahren die Ausbildung zurück. Schließen große Ausbildungsstätten wie beispielsweise Zechenstandorte, verschwinden gleich Dutzende Ausbildungsplätze. Der Mittelstand tut sich schwer, das aufzufangen.“

Bislang lautet die Gleichung stets „Abitur gleich Hochschule“

Das Handwerk hat in vielen Bereichen ein Imageproblem, auch wenn es „gute Berufsperspektiven für Jugendliche mit den unterschiedlichsten Schulabschlüssen“ biete, erklärt Knut Heine. Für den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Münster lautet daher das Ziel, „die Chancen der Berufsausbildung im Handwerk noch besser darzustellen, damit die Jugendlichen eine Lehre als gleichwertige Alternative zu einem Studium in Betracht ziehen.“ Bislang, stellt Schulte-Uebbing fest, laute die Gleichung stets „Abitur gleich Hochschule. Aber die Ausbildung eröffnet eben auch viele Chancen. Wer künftig handwerkliche Servicearbeiten erledigen kann, wird wertvoller denn je.“

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Lehrstellenwerbung, stellt Karl Tymister, Leiter der Agentur für Arbeit fest, bedeute „Klinken putzen“. Nicht minder schwierig sei es, das Spektrum der jugendlichen Bewerber zu erweitern. Die schauten -- von Mechatroniker bis Arzthelferin – in der Regel nur nach den „Top 10“. Dabei gäbe es „bei über 350 Ausbildungsberufen für junge Frauen und Männer eine ganze Welt zu entdecken“.

Tymisters Botschaft gilt für Bewerber wie für Firmen gleichermaßen: „Wichtig ist, nicht nur nach Schema F zu suchen, sich die Potenziale anzugucken, nicht nur den klassischen, bekannten Ausbildungsplatz zu favorisieren, auch links und rechts zu gucken und den Suchradius zu erweitern. Im Rheinland oder dem Münsterland sind die Chancen noch mal anders verteilt.“

Die Woche der Ausbildung „soll Arbeitgeber und Jugendliche motivieren, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Karl Tymister, Leiter der Arbeitsagentur. „Es gibt einen Beruf , der den Neigungen entspricht“, wirbt Knut Heine von der Handwerkskammer Münster und betont: „Ausbildung ist keine Sackgasse, sie ist durchgängig.“ Sprich: sie biete Aufstiegschancen.

Bewerber wie Firmen sollten die Berufsfelderkundung nutzen

Die Tipps der Profis: Bewerber wie Firmen sollten die Berufsfelderkundung nutzen, ebenso Praktika. Die Berufsberatung oder Online-Portale helfen Jugendlichen weiter. Und für beide Seiten gilt: „Nicht nachlassen, es immer wieder versuchen, auch wenn es mal schlechte Erfahrungen gegeben hat.“

1200 IHK-Abschlüsse und 504 Ausbildungsverträge im Handwerk wurden in Gelsenkirchen und Bottrop zum 30. September 2015 abgeschlossen. Im IHK-Bezirk liegt die Ausbildungsquote bei 6,7 Prozent und damit über Landesschnitt – auf 100 Beschäftigte kommen in NRW sechs Azubis.

Informationen rund um Ausbildung und Beruf

Informationen rund um Ausbildung und Beruf gibt es bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur, im BIZ an der Vattmannstraße 12 sowie im Internet unter www.arbeitsagentur.de (z.B. BERUFENET und BERUFE.TV).

Kontakt zur Berufsberatung gibt es gebührenfrei unter der Servicenummer 0800 4 5555 00 oder per Mail: Gelsenkirchen.Berufsberatung@arbeitsagentur.de