Gelsenkirchen.. Ein Kriminologe und ein Mitglied des Ultra-Vorstandes diskutierten auf Einladung der Jusos in einer gut besuchten Podiumsdiskussion in Gelsenkirchen über die Situation im Fußball-Stadion sowie vor und nach dem Spiel. Beide sahen Verbesserungsbedarf auf beiden Seiten.
Über eine so gut besuchte Podiumsdiskussion durften sich die Gelsenkirchener Jusos lange nicht freuen. Bis auf den letzten Platz besetzt war der Konferenzraum im SPD-Haus an der Gabelsberger Straße am Donnerstagabend. Das Thema bewegt die Jugend: Gewalt im Fußball. Als Experten standen den 30 Besuchern mit Thomas Feltes, Professor für Kriminologie an der Ruhr-Uni Bochum, und Stephan Kleier, Mitglied des Vorstandes der Ultras Gelsenkirchen, zwei Kenner der Fan-Szene für Gespräche bereit. Gelsenkirchens Polizeidirektor, Klaus Noske, hatte den Termin aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.
Gespannt hingen die jungen Besucher dem Ultra Stephan Kleier an den Lippen. Im Zusammenhang mit Gewalt im Fußball taucht der Begriff Ultra immer wieder auf. Oft zu unrecht, wie der Ingenieur findet. „Ich will nichts schön reden: Wenn jemand mit dem gegnerischen Schal wedelt, kann er diesen auch schon mal loswerden“, so das Mitglied des dreiköpfigen Vorstandes der Ultras GE. Grundsätzlich stehe für die Gruppe aber die Unterstützung der Mannschaft im Fokus.
Vereinsausschlüsse durch die Ultras
Ob Ultras auf Mitglieder einwirken, die Gewalt ausüben, will eine Besucherin wissen. Kleier: „Wenn jemand Bockmist baut, muss er auch zu den Konsequenzen stehen, das ist keine Frage.“ Die UGE hätten in der Vergangenheit auch Vereinsausschlüsse durchgesetzt. Mit der Folge, dass sich daraus die „Hugos“ gegründet haben. Jene Gruppe, die erstmals in der Geschichte der Arena bengalische Fackeln in der Nordkurve abgebrannt hat. Kleier: „Damit will ich nicht sagen, dass die alle gewaltbereit sind.“ Beim jüngsten Zusammenstoß mit BVB-Fans war Kleier auch dabei. Er sprach von einem Überfall auf Schalker, die in Dortmund einige befreundete Fans aus Mazedonien vom Flughafen abholten. Insgesamt sehen sich die Ultras in der Öffentlichkeit falsch dargestellt. Das soziale Engagement und die Ideale würden in den Hintergrund treten.
Vielen Besuchern ging es deshalb auch um eine Versachlichung der Debatte. „Ich fühle mich in der Arena so sicher wie nie, wenn ich das mit meinen ersten Besuchen im Parkstadion vergleiche“, so Lukas Günther. Kriminologe Feltes untermauert diesen Eindruck mit Zahlen. Andere Diskussionsteilnehmer bemängeln, dass die Debatte um Pyrotechnik mit dem Thema Gewalt vermischt werde. Die Medien würden häufig undifferenziert berichten. Thomas Feltes nahm die Polizei in die Pflicht. „Beim vergangenen Derby in Dortmund hat die Polizei die gleichen Fehler gemacht wie in Jahren zuvor“, so der ehemalige Direktor der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen. Ein Ersatz für den erkrankten Polizeidirektor hätte der Debatte gut getan.
„Wir wissen zu wenig über die Ultras“
„Wir wissen zu wenig über die Ultras“, so Kriminologe Thomas Feltes. Eine von der Deutschen Fußball Liga (DFL) beauftragte Studie habe der Wissenschaftler vorzeitig beenden müssen. „Nachdem ich die DFB-Gerichtsbarkeit als Kaninchenzuchtverein bezeichnet habe, kam die Kündigung.“ Feltes fordert von der DFL, ein Prozent der Einnahmen für die Fanarbeit bereit zu stellen. „Denn wenn jemand Zugriff auf die Gewaltbereiten hat, dann die Fanprojekte.“
Bei Befragungen von Fanprojektleitern, die sich präventiv um Problemfans kümmern, hätten 80 Prozent angegeben, bereits Gewalterfahrungen gemacht zu haben. „In 90 Prozent der Fälle durch die Polizei“, gibt Feltes zu bedenken. Ultra Stephan Kleier wünscht sich eine bundesweit einheitliche Richtlinie für Stadionverbote und eine Anhörungskommission für alle Fans. Willkür führe immer zu einer Solidarisierung in der Gruppe. Auch die An- und Abreisesituation für Gästefans müsse sich verbessern.