Gelsenkirchen.

Wenn Ulrich Sagenschneider (72) die niederländische Königsfamilie im Fernsehen sieht, hat er einen Wunsch: „Die würde ich gerne behüten.“ Es sind keine Vatergefühle, die aus ihm sprechen. Sagenschneider brennt für sein Geschäft – die Arbeit im Hut- und Schirmfachladen „Hirnstein“ an der Ahstraße 10. Akkurat gestapelte Mützen, wohl drapierte Hüte, farblich sortierte Schirme – Sagenschneider kennt sie alle beim Namen.

„Sein“ Geschäft ist der Laden nicht. Der gehört seit fünf Jahren Ehefrau Elsbeth (53). Durch Zufall hatte sie gehört, dass die Vorbesitzerin aufhören wollte. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, dachte sich die gelernte Altenpflegerin und übernahm.

Verkäuferin mit Leib und Seele

Mit Menschen konnte sie schließlich immer gut. In die Geheimnisse der Hüte-Welt weihten sie die Mitarbeiterinnen Karin Fischer und Margret Laskowski ein. Letztere gehört auch heute, kurz vor dem 100. Geburtstag des von Adolf Hirnstein als Pelz- und Hütefachgeschäft gegründeten Betriebes, noch zum Team. „Ich bin mit Leib und Seele Verkäuferin“, sagt sie.

Das kann sie bei Hirnstein sein. „Wir legen großen Wert auf individuelle Beratung“, sagt die Chefin. Das sei ihr Markenzeichen. „Wer zu uns kommt, sucht Qualität und ist bereit mehr zu zahlen“, meint ihr Mann.

Dass es ein Exot wie Hirnstein nicht immer leicht hat, liegt auf der Hand. Früher, erzählt Laskowski, gab es allein auf der Bochumer Straße drei bis vier Hutgeschäfte. Heute schaffen eine solche Dichte nur noch Imbissbuden oder Handyläden. Dabei geht der Trend wieder zum Hut – besonders bei Feierlichkeiten wie Hochzeit oder Kommunion.

Einzige Fachgeschäft weit und breit

„Wir sind das einzige Fachgeschäft im Umkreis von 50 Kilometern – unsere Kunden kommen aus dem Ruhrgebiet, vom Niederrhein, sogar aus Trier habe ich eine Anfrage“, erzählt Elsbeth Sagenschneider. „Natürlich haben wir nicht so viele Kunden wie die Großen – aber mit fünf bis zehn am Tag sind wir zufrieden“, fügt der Gatte an. Gemeinsam haben sie den Kundenkreis erweitert und verjüngt.

Adolf Hirnstein wäre wohl erstaunt, dass man heute in seinem Geschäft nicht nur Hüte, sondern auch Schirme und Oberbekleidung bekommt. Auch würde er sich wundern, warum keiner mehr Pelze trägt – das war 1913 mit sein Kerngeschäft. Überhaupt würde es ihm schwer fallen, sich zurechtzufinden. Immer wieder musste sein Geschäft wandern. Vom Alten Markt zur Bahnhofsstraße, zum Rundhöfchen, bis in die Ahstraße. „Gelsenkirchen hätte er nach dem Umbau des Bahnhofs wohl nicht mehr wiedererkannt“, mutmaßt Sagenschneider.

Über sein Geschäft könnte er sich freuen. Hirnstein hat sie gefunden, die wertvolle Nische. Auch nach 100 Jahren. Dafür: Hut ab. Oder besser: Hut auf.

Mr. Mambo macht Musik

Das 100-Jährige wird am Samstag, 23. März, gefeiert.

Ab 10 Uhr sorgt Mr. Mambo für Musik, zwischen 11 und 11.30 Uhr gibt’s eine Modenschau mit einer Hirnstein-Auswahl, Cheerleader werden ab 12.30 Uhr auftreten, ab 13 Uhr folgen Knappenchor und ein Luftballonkünstler.

Kaffee und Kuchen gibt es natürlich auch.