Gelsenkirchen. Die kleinen Parteien haben Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in Gelsenkirchen aufgestellt. Pirat Jürgen Hansen etwa würde stärker als bisher Bürger in die Ratsarbeit einbinden. Monika Gärtner-Engel (AUF) sagt dem Dreck den Kampf an, Iris Räther (UBP) setzt auf mehr Sicherheit und Mehmet Cirik (WIN) hat den Strukturwandel im Blick.
Auch die sogenannten Kleineren haben Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl aufgestellt. Für die Piraten ist es Jürgen Hansen (56), Hagebuttenstraße (Beckhausen). Der Maurer- und Betonmeister ist verheiratet und hat zwei Kinder. Für AUF kandidiert Monika Gärtner-Engel (61). Sie ist Mutter von drei Kindern und wohnt in der Fischerstraße in Horst. Erstmals tritt auch die Unabhängige Bürger Partei (UBP) an. Sportlehrerin Iris Räther (42), Sydowstraße (Buer), kandidiert für die OB-Wahl. Für die Wählergemeinschaft „Wir in NRW“ tritt Mehmet Cirik (35) als OB-Kandidat an. Der Diplom-Ingenieur ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in der Richardstraße in Bulmke-Hüllen. Vier Fragen stellte die WAZ den Kandidaten, Zunächst an den Piraten Jürgen Hansen.
Was würden sie als Erstes angehen?
Jürgen Hansen: Ich würde stärker als bislang breite Teile der Bevölkerung in die Ratsarbeit einbinden. Ratsarbeit muss transparenter gemacht werden. Der Bürger sollte alles wissen. Außerdem müssen die Schulden gesenkt werden, weil bekanntlich ohne Moos nichts los ist.
Was kann warten?
Hansen: Dinge wie die Digitalisierung der Bauakten. Das kann man auch noch in zehn Jahren machen.
Was erfordert Geduld?
Hansen: Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Dies ist ein langwieriger Prozess, bei dem die Stadt allein wenig machen kann. Wir fordern z.B. im Bund ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden.
Was schätzen Sie an Gelsenkirchen?
Monika Gärtner Engel: Dem Dreck den Kampf ansagen und das Verursacherprinzip muss gelten
Was würden Sie als Erstes tun?
Monika Gärtner Engel: Die krasse Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sowie die daraus erwachsende Armut angehen! 43.723 sind arbeitslos bzw. unterbeschäftigt; über 50% der Alleinerziehenden und 40% der unter Sechsjährigen leben in Bedarfsgemeinschaften. Es muss um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich gekämpft werden und um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz. Auf jede Lehrstelle kommen 2,1 Bewerber. Die Fülle der Umweltprobleme: von Rostasche im Grimberghafen, Feinstaub, Abfackelung bei BP, verseuchten Geländen wie etwa der Kokerei Hassel bis zu Giftmüll unter Tage. Das Verursacherprinzip muss gelten. Dem Dreck in den Stadtteilen den Kampf ansagen – durch mehr Finanzmittel; neue Stellen bei Gelsendienste; Eigeninitiative und Überzeugung der Leute zu weniger Rücksicht- und Achtlosigkeit.
Was könnte hinten angestellt werden?
Gärtner Engel: Dass die Fraktionen noch mehr Geld kassieren.
Was erfordert Geduld?
Gärtner Engel: Es dauert, bis in Gelsenkirchen wieder 300.000 Leute aus 100 Ländern solidarisch zusammenleben, jeder Arbeit hat, die Stadt grünt, Paare unbeschwert keine oder zehn Kinder haben können, die Streitkultur zwischen den Parteien demokratisch und die Presse überparteilich, GE die Stadt der 1000 zukunftsweisenden Feuer und 1000 Sonnen ist – kurz: quicklebendiger Teil einer Gesellschaft, einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung.
Was schätzen Sie an GE?
Gärtner Engel: Die Menschen aus 62 Nationen; dass Industrie und Grün dicht beieinander liegen; dass es in 30 km Umkreis weit über 100 Museen und Theater gibt; dass GE eine beeindruckende kämpferische Tradition und unter den meisten eine solidarische Grundstimmung hat.
Iris Räther: Mehr Polizei und Ordnungsdienst – die Menschen haben Angst abends auf die Straße zu gehen
Was würden Sie als Erstes angehen?
Iris Räther: Sicherheit und Sauberkeit muss wieder erhöht werden. Die Einbruchszahlen haben sich in eine Region entwickelt, die eine Katastrophe ist. Die Menschen haben Angst, abends auf die Straße zu gehen. Für mich ist ein verstärkter Polizeieinsatz, der städtische Ordnungsdienst und der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten ein Schwerpunkt. Wer sich nicht sicher fühlt, der fühlt sich auch nicht wohl. Gelsenkirchen hat sich in den letzten Jahren negativ entwickelt.
Was kann warten?
Räther: Ich setze hinter viele Förderprojekte ein Fragezeichen. Da werden zum Teil städtische Gelder finanziert, weil der Rest vom Land, dem Bund oder der EU kommt. Ein sorgsamer Umgang mit Steuergeldern hat oberste Priorität. Es ist beschämend, wenn die Politik ein Projekt für 200.000 € durchsetzt, nur weil 80% Fördergelder kommen. Auch dies sind Steuergelder. Hier muss ein Umdenken stattfinden.
Was erfordert Geduld und langfristige Lösungen?
Räther: Die Stadtteilzentren und die einst so schöne Innenstadt müssen reaktiviert werden. Bis auf Buer haben sich große Teile überaus negativ entwickelt. Wir werden unser Konzept Sicherheit, Sauberkeit & Ordnung durchsetzen und mit den Hauseigentümern Verabredungen treffen, denn sie müssen mit ins Boot. Es wird nur investiert, wenn die Perspektive stimmt und da gehört die Sauberkeit nach oben. Da ist die Stadt in der Verantwortung!
Was schätzen Sie an Gelsenkirchen besonders?
Räther: Die zunehmenden Kulturprojekte, die Förderung von sportlichen Aktivitäten, den FC Schalke, insbesondere die Herzlichkeit der Menschen und die Identifikation meiner Mitbürger für Gelsenkirchen.
Mehmet Cirik: Der Strukturwandel wurde verschlafen
„Gelsenkirchen hat im Vergleich zu anderen Ruhrgebietsstädten den Strukturwandel leider verschlafen“, sagt Mehmet Cirik . Dies spiegele sich in den hohen Arbeitslosigkeitszahlen und der jährlichen Bevölkerungsreduzierung wider. „Daher müssen wir hier als Erstes ansetzen und Gelsenkirchen zu einer attraktiven, modernen und weltoffenen Stadt verwandeln, in der die Menschen gerne leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Wir müssen dabei mehr auf unsere Bürger zugehen, um deren Interessen in den Vordergrund zu stellen. Es ist bereits fünf vor zwölf und viele Punkte, die leider von der jetzigen Politik nicht gelöst wurden, müssen schnell und pragmatisch gelöst werden. Für diese Lösungen bringen wir große Erfahrung aus der Wirtschaft mit.“
„Wir müssen die verschiedenen Kulturen und Nationalitäten in Gelsenkirchen als Bereicherung ansehen und diese besser in unsere Integrationsmaßnahmen involvieren.“ Dies erfordere Toleranz und Respekt voreinander, die man nicht von heute auf morgen lösen kann. „Des Weiteren wird die Ankurbelung der Wirtschaft in unserer Stadt, die sehr viele logistische Vorteile bietet und viele qualifizierte Arbeitskräfte hat, nicht im kurzfristigen Zeitraum möglich sein. Angehen muss man dies aber jetzt.“ Gelsenkirchener haben ihr Herz am rechten Fleck, schätzt Cirik an seiner Stadt. „Sie sind fleißig, bodenständig, direkt und ehrlich. Das schätze ich sehr.“