Gelsenkirchen. Sechs Vertreter von Ruhrgebietshochschulen unterschrieben nun einen Kooperationsvertrag an der Westfälischen Hochschule. Schüler aus Nichtakademiker-Familien sollen unterstützt werden.
Rund 77 Prozent der Studierenden in Deutschland kommen noch heute aus Akademiker-Familien.
Ein Ungleichgewicht, das möglichst bald aufgehoben werden soll, „denn 77 zu 23 Prozent, so ist keineswegs das Talent verteilt“, ist sich Wissenschaftsministerin Svenja Schulze sicher.
Darum wird das Gelsenkirchener Vorbild des Talentscoutings, bei dem gezielt Schüler aus Nichtakademiker-Familien gefördert werden, nun auf weitere Ruhrgebietshochschulen ausgeweitet.
Gerade im Ruhrgebiet viel Potenzial
„In unserer Region gibt es das größte Potenzial. Darum fangen wir hier an“, sagt die Wissenschaftsministerin Montag bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags.
Beim Talentscouting gehe es vor allem darum, die Schere zwischen Studierenden aus Akademiker- und Nichtakademiker-Familien so weit wie möglich zu schließen. Kurz: „Herkunft soll nicht länger über Zukunft entscheiden“, wie der Gelsenkirchener Talentscout, Suat Yilmaz, oft zusammenfasst.
Das deutschlandweit erste Talentscouting wurde 2011 an der Westfälischen Hochschule (WH) in Gelsenkirchen auf den Weg gebracht.
„Und es hat sich gelohnt. Über 500 junge Menschen haben wir im Rahmen dessen schon begleitet und unterstützt“, sagt Prof. Dr. Bernd Kriegesmann, Präsident der Westfälischen Hochschule.
28 neue Talentscouts fürs Ruhrgebiet
Sechs Ruhrgebietshochschulen wollen nun gleichziehen und haben einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Mit dabei sind: Hochschule Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Fachhochschule Dortmund, Technische Universität Dortmund, Universität Duisburg-Essen und Hochschule Ruhr-West.
Insgesamt 28 Talentscouts starten in diesem Jahr, davon auch vier weitere an der Westfälischen Hochschule (bisher gab es hier zwei). An der Ursprungs-Hochschule wird außerdem auch ein NRW-Zentrum für Talentförderung eingerichtet, in dem ein kontinuierlicher Erfahrungstransfer zwischen den einzelnen Hochschulen stattfinden soll. „Suat Yilmaz ist schon lange in der Praxis und kann somit die neuen Scouts gut beraten. Trotzdem soll jede Hochschule ihr eigenes Konzept entwickeln und entsprechend den individuellen Vorstellungen das Förderprogramm organisieren“, so Schulze.
Die Universität Duisburg-Essen wird ihr Programm unter anderem etwa auf Akademiker aus dem Ausland fokussieren, die Technische Universität Dortmund hat sich in der Vergangenheit vielen Projekten für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten gewidmet, dies wird auch in ihr Konzept mit einfließen.
Keine Konkurrenz zwischen den Hochschulen
Wichtig ist allen teilnehmenden Hochschulen, dass sie untereinander sowie mit den Schulen kooperieren, keinesfalls konkurrieren.
Das Land investiert für das Projekt circa 6,4 Millionen Euro jährlich. „Wir glauben fest daran, dass es ein lohnender Einsatz ist. Gegen Bildungsungerechtigkeit und auch, weil wir in Zukunft gute Fachkräfte hier brauchen werden, gerade im technischen Bereich“, so Schulze.
Das Pilotprojekt läuft zunächst bis 2020. 2017 können vier weitere Hochschulen dazukommen.
Was Talentscouting eigentlich ist
Wie der erste Talentscout, Suat Yilmaz aus Gelsenkirchen, werden auch die neuen Scouts der nun an dem Projekt beteiligten Hochschulen aktiv in Schulen ihrer Umgebung gehen – hauptsächlich Berufskollegs, Gesamtschulen und vereinzelt Gymnasien. Und mit Lehrern sprechen, um herauszufinden, bei welchen Schülern aus Nichtakademiker- und Zuwandererfamilien eine besondere Begabung vorliegt, die aufgrund ihrer familiären Verhältnisse nicht gefördert wird. Es folgt ein langer Beratungsprozess.
Für den Job als Talentscout ist keine spezielle Ausbildung nötig. Ein Hochschulabschluss, Kommunikationsstärke und pädagogisches Geschick sind jedoch nötig.