Gelsenkirchen. Auf dem Margarethe Zingler Platz soll ab Mitte April ein 19 Millionen-Euro-Komplex mit 55 Altenwohnungen, Dienstleistern und Rewe-Markt gebaut werden. Sorgen machen sich Händler und Anwohner im Markt-Umfeld vor allem um die Ausmaße des Neubaus und die Parksituation. „Eine Stadt, in der nicht mehr gebaut wird, stirbt“, sagt Stadtdirektor Michael von der Mühlen.
Mitte April ist der Baustart am Marktplatz in der Altstadt geplant, zum August 2013 soll das von der „8. Grundstücksgesellschaft DSW“ realisierte 19-Mio-Euro-Projekt fertig sein. Zwei Drittel des heutigen Platzes sind dann überbaut.
Entstanden sind bis dahin: 55 barrierefreie, öffentlich geförderte Altenwohnungen mit Loggien, Liften und großzügigen Dachterrassen, Büroräume für die neue Zentrale des Pflegedienstes APD, eine Tagespflege-Einrichtung, Platz für Gewerbeeinheiten, ein neuer REWE-Markt mit 1700 m² Verkaufsfläche und vielen transparenten Fensterflächen, dazu eine zweigeschossige, bewirtschaftete Tiefgarage mit 144 Stellplätzen – insgesamt ein Innenstadtkomplex, an dem große Hoffnungen hängen. Magnetwirkung soll er entfalten, den derzeit in seiner Nutzung eher unattraktiven Margarethe-Zingler-Platz langfristig beleben, die Umgebung (mitsamt Wochenmarkt) hochziehen, gar positive Sogwirkung auf die Hauptstraße entfalten. Hohe Ansprüche an ein Neubauvorhaben, das weite Teile von Politik und Verwaltung überzeugt hat, im Umfeld aber nicht vorbehaltlos begrüßt wird. Und das auch auf klare Ablehnung stößt.
Viele Bürger interessieren sich für Projekt
In den 80er und 90er Jahren hat es wiederholt Vorstöße gegeben, den städtischen Platz zu bebauen. Vergeblich. Alle Projekte blieben auf der Strecke. Vor mittlerweile acht Jahren wurde schließlich der Bebauungsplan aufgestellt. Zäh zog sich die Suche nach einem Investor. Viele sahen hier kaum die Chance auf ein gutes Geschäft. Letzten Oktober wurde schließlich der Vertrag notariell besiegelt. Die Basis für den architektonischen Entwurf wurde in Buer bereitet, von Dr. Schramm Fronemann Partner. Das Büro zeichnete auch für den Bau an der Domplatte in Buer verantwortlich.
Der Vortragsraum 207 in der Volkshochschule musste Mittwochabend zusätzlich bestuhlt werden. 130, 140 Besucher füllten die Reihen, darunter auffällig viele im Seniorenalter. Architekt Christian Schramm stellte bei der Bürgerinformation die Planung vor – und spürte zwischenzeitlich arg Gegenwind.
„Was sie hier vorhaben, ist eine stadtplanerische Sünde“, ärgert sich ein Mann, ein anderer fürchtete: „Die Gabelsbergerstraße wird zum Hinterhof, die Hansemannstraße wird tot“. Andere sorgte, dass der Baukörper ihre Wohnungen verschattet. „Sie nehmen uns einen großen Teil an Lebensqualität“, glaubt eine Frau. „Von Barriere“ und „Blockade“, von Umwegen, die man künftig laufen müsse, war gleich mehrfach die Rede.„Einige Läden werden das nicht überleben, wir werden Umssatzeinbußen haben“, meinte eine Kritikerin Ihr Fazit: Wir brauchen diesen Bau nicht.“ Zwischenbeifall war ihr sicher.
Nur: Fundamentalopposition ist verfehlt. Es geht längst nicht mehr um die Grundsatzentscheidung, auch nicht um das „Wie“, höchstens noch um Gestaltungsfragen. Die Würfel sind – mit einem entsprechenden Bauleitverfahren – längst gefallen. „Das ist die City, das ist die Innenstadt, hier wollen wir Einkaufen haben. Hier darf man auch mal vier oder fünf Geschosse haben“, rückte Stadtdirektor Michael von der Mühlen die Relationen zurecht. Unterstützung bekam er von SPD-Ratsherr Albert Ude. „Das Gebäude fügt sich ein, es ist maßstabsvoll und proportioniert.“ Auch das Argument, dass der Neubau das Aus für den Lebensmittelmarkt an der Hauptstraße bedeute und dort der Leerstand noch vergrößert werde, zieht für ihn nicht: „Rewe würde dort auch rausgehen, wenn der Laden nicht umziehen würde.“
Für Schramm steht fest: „In der Altstadt besteht die Notwendigkeit für einen relativ hochwertigen Frischemarkt und für Altenwohnungen.“ Ein Detail begrüßten denn auch die Kritiker: Der Komplex wird eine neue öffentliche Toilette erhalten – auch für Marktbesucher.
„Den Parkplatz verewigen mit dieser Kümmernutzung?“
„Eine Stadt, in der nicht mehr gebaut wird, stirbt“, rückte Stadtdirektor Michael von der Mühlen die Proportionen zurecht und fragte: „Was wäre die Alternative? Den Parkplatz verewigen mit dieser Kümmernutzung?“ Das hätten wohl viele gerne, die sich um Lärm und Dreck in der Bauphase, um mehr Liefer-Verkehr, versperrte Zufahrten und vor allem auch ihre Stellplätze in und nach der Bauzeit sorgen. „Es ist ganz offensichtlich, dass es während der Bauzeit Beeinträchtigungen geben wird“, räumte von der Mühlen ein, war sich aber mit Architekt Christian Schramm einig: „Ich denke, wir haben eine zukunftweisende und für unsere Stadt auch nötige Lösung geschaffen.“ Zumindest fürs Anwohner-Parken gab es einen Lösungs-Vorschlag. Die Idee einer Betroffenen: Anwohner sollten während der Bauzeit kostenfrei die Plätze am Musiktheater nutzen können.