Gelsenkirchen. Wer über Inklusion spricht, Barrierefreiheit in den Köpfen und im öffentlichen Raum voran treiben will, wer (Master)Pläne schmiedet für eine Stadt, in der Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, der kommt an einem Trio nicht vorbei.
Karl-Heinz Kwiatkowski, Günter Gajewski und Harald Seelert, das Führungsteam der Arbeitsgemeinschaft der Gelsenkirchener Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen (AGB), sind Lobbyisten im besten Sinne, gewählte Interessenvertreter von unter anderem 27 Vereinen mit über 11000 Mitgliedern.
AGB-Vorsitzender Karl-Heinz Kwiatkowski sagt im Zusammenhang mit der Umsetzung der UN-Konvention: „Erst einmal müsste die Gesetzgebung so gestaltet werden, dass eine Rechtssicherheit besteht und unsere Vorschläge auch umgesetzt werden.“ Allerdings, schränkt AGB-Beisitzer Harald Seelert ein: „Von der Struktur sind wir in Gelsenkirchen gar nicht so schlecht aufgestellt.“ Vize-AGB-Vorsitzender Günter Gajewski untermauert dies mit seiner eigenen Lebenser-fahrung. Er habe eine Sehbehindertenschule besucht – besser gesagt: besuchen müssen. „Ich wollte zum Gymnasium. Es gab aber damals nur ein Privatgymnasium, das für uns nicht bezahlbar war. Das ist heute Gott sei Dank besser.“
Zwischen den Zeilen schwingt bei den drei AGB-Vertretern immer wieder der Vorwurf mit, alle Welt rede von Inklusion, aber eben nicht ausreichend mit ihnen. Die Drei haben Beispiele dafür parat, dass Inklusion eben noch nicht in planerisches Fleisch und Blut gegangen ist – gemeint ist der Marktplatz in Erle – und dass die Umsetzung andererseits auch schon funktionieren kann. Damit ist die Umgestaltung von Heinrich-König-Platz und Neumarkt angesprochen. „Da sind zum ersten Mal Planer am Werk, die gute Ideen haben.“
Günter Gajewski betont: „Ich brauche eine flache Landschaft und keine künstliche, mit Treppen verfremdete.“ Auch Karl-Heinz Kwiatkowski lobt den fortschreitenden Bewusstseinswandel. „Wir sind bei vielen Sachen prima beteiligt worden, zum Beispiel beim Hans-Sachs-Haus.“ Beim Stichwort Rathaus gibt’s aber auch gleich wieder ein Kontra: „Der Eingang vom Rathaus in Buer ist keine Inklusion, sondern Exklusion.“
Allerdings, damit sind Kwiatkowski und seine beiden AGB-Kollegen wieder bei dem aus ihrer Sicht Negativ-Beispiel Erler Marktplatz: „In künstlerisch-planerischen Ideen passen wir wohl manchmal nicht. Die Minimalansprüche Behinderter werden in diesem Kreis zum Teil bewusst untergraben.“ Etwa, weil ein Aufmerksamkeitsfeld für Blinde und Sehbehinderte das ästhetische Bild störe ...?
Aber, das sind nur zwei Beispiele. Grundsätzlich, betont Kwiatkowski, „muss man mal lobend erwähnen: Ohne Dr. Reckert wären wir in Gelsenkirchen nicht soweit. Der Mann ist ein Glücksfall.“ Immerhin hat der so gelobte Senioren- und Behindertenbeauftragte auch schon gezeigt, dass man ohne große finanzielle Rückendeckung, dafür aber mit Kreativität und Kompetenzbündelung etwas bewegen kann. Harald Seelert, der auch stellvertretender Vorsitzender im Beirat für Menschen mit Behinderungen ist, meint: „Die UN-Konvention umzusetzen heißt ja nicht automatisch, dass es viel Geld kosten muss.“
Die Unsicherheit Nichtbehinderter, die sei auch 2011 noch spürbar. Und Parteien, setzt AGB-Vorsitzender Kwiatkowski nach, „sind ja ein Spiegelbild der Bevölkerung.“ Parteien, die würden über Inklusion reden wollen, „aber mit uns redet keiner. Wo bleibt die viel beschworene Bürgernähe?“ fragt er.
Seelert blickt dabei über die Stadtgrenze hinaus. „Der Behindertenbeauftragte des Landes, ist der von Behinderten-Verbänden gewählt worden?“ Der AGB-Sprecher beantwortet die Frage selbst: „Nein.“