Gelsenkirchen. Stephanie, Andreas und Sonja Probst haben früh feste Aufgaben im Circus-Betrieb übernommen. Für sie ist Weihnachten in Gelsenkirchen seit 15 Jahren nicht nur mit Tradition und Familienfeiertagen verbunden, sondern auch mit Arbeit. Die Manegenpause ist kurz.

Stille Nacht, eilige Nacht. Beim Circus Probst geht’s nicht nur in der Manege ums Timing. Auch der Feier-Abend will im Schnelldurchgang vorbereitet sein. Christbaum schmücken, Mohnfibel aus Brötchen, Mohn, Milch „und einem Haufen Zucker“ für die gesamte Belegschaft anmischen, letzte Erledigungen machen, dann langsam zur Ruhe kommen...

„Unsere Eltern haben zwei Wohnwagen. Einen Stubenwagen und den Küchenwagen mit Bad. Der Baum steht im Stubenwagen, der Küchenwagen ist der große Umschlagplatz, das ist unser Bahnhof“, sagt Stephanie Probst. Hier kommen abends Familie und Verwandte zusammen und müssen zusammen rücken, damit alle an den Tisch passen. Heiligabend in Gelsenkirchen. Zum 15. Mal.

„Wenn wir Anfang Dezember anreisen, ist das ein bisschen wie nach Hause kommen. Mit Gelsenkirchen verbinde ich schon Heimatgefühl“, sagt Stephanie Probst. „Hier waren wir häufiger als in Neustadt“. An der Weinstraße haben die Probsts ihr festes Wohnquartier. Aber eigentlich sind sie immer unterwegs. „Normalerweise stehen wir ja nur eine Woche mit fünf Gastspieltagen, im Sommerbetrieb manchmal nur zwei, drei Tage, das ist richtig stressig. Und wenn schlechtes Wetter ist, fragt man sich schon mal, warum man das alles macht. Aber keiner von uns hat das Bedürfnis, sesshaft zu werden“, sagt Andreas. Und Schwester Sonja ergänzt: „Das ist ja auch eine Lebenseinstellung. Der Circus ist ein Teil von uns.“

„Die Sauna besuchen wir gerne zum relaxen“

Gelsenkirchen – das bedeutet also immer Langstrecke. Vom 21. Dezember bis 8. Januar steht der Circus diesmal im Revierpark Nienhausen. Sechs, neun und zwölf Jahre alt waren Andreas, Stephanie und Sonja Probst, als sie das erste Mal über Weihnachten in die Stadt kamen. Die Erinnerungen an die damals für sie so große und fremde Stadt? Leicht verblasst. Zur Schule gegangen sind die Probst-Kinder hier bei den Gastspielen. In der Stadt waren sie bummeln. „Als wir das erste Mal hier waren, fanden wir die Fußgängerzone und den Weihnachtsmarkt so schön, aber das hat ja stark nachgelassen“, findet Stephanie. Geschätzt wird von ihr die Nähe zum Revierpark, der sich ja neuerdings der Gesundheit verschrieben hat. „Die Sauna besuchen wir gerne zum relaxen. Das ist wirklich schön geworden.“

Heilige Nacht, lange Nacht? Kaum. Spätestens am ersten Feiertag wartet auf die Probst-Kinder morgens wieder die Arbeit. Zumindest die letzten Jahre. „Schon als kleines Kind“, sagt Stephanie, „war ich immer im Stall zu finden, mit sechs Jahren habe ich das erste Mal mit Ponys in der Manege gestanden und mit 14 mit Großpferden.“ Heute wird die blonde 24-Jährige als jüngste Tierlehrerin Deutschlands im Programm angekündigt. Zebras, Dromedare und 28 Pferde folgen ihrem Befehl.

Als Artist wollte Andreas auf dem Todesrad arbeiten

Alltag in einer Circus-Familie, die auch eng verwobener Familienbetrieb ist. Da muss jeder ran. Mit festen Aufgaben. Organisation, Kasse, Technik sind in Familienhand. „Die wichtigsten Sparten sind besetzt. Als Zirkuskind übernimmt man sehr früh Verantwortung“, sagt Andreas Probst. Bilder im Programmheft zeigen ihn als Knirps mit Traktor und Mini-Motorrad. Als Artist wollte Andreas auf dem Todesrad arbeiten. Nach dem schweren Manegenunfall seiner Schwester Sonja 1999 schoben die Eltern da einen Riegel vor. Licht, Technik und die Aufbauorganisation laufen jetzt unter der Regie des 21-Jährigen. Durchaus eine Mammutaufgabe: 1300 Plätze hat das Zelt, der Tross ist riesig und kostspielig. 43 Transporter bewegen den Circus. „100 Kilometer Standortwechsel kosten allein 6000 Euro für den Diesel“, sagt Andreas.

In ihrem Wagen arbeitet Sonja Probst an einem neuen Outfit für ihre Schwester Stefanie. Knalleng, hoch geschlitzt und sexy wird es wieder ausfallen. „Das war vorher ein 1,3 Meter langes Stoffstück. Den Entwurf habe ich selbst gemacht“, sagt die 27-Jährige. Am Vertikalseil hat sie als Jugendliche gearbeitet. Vier Wochen Koma, Monate im Rollstuhl und mittlerweile 22 Operationen hat Sonja Probst nach ihrem Absturz überstanden. In die Manege fand sie 2004 zurück, hat mit Clown „Lolli“ eine eigene Figur entwickelt. In Gelsenkirchen unterstützt sie die Eltern organisatorisch und an der Kasse. Sonja und Stephanie leben mit Artisten zusammen. „Anders geht es nicht“, glaubt Stephanie. Auch die Eltern Reinhard und Brigitte sind ein eingeschworenes Zirkus-Paar. Nicht nur das. „Mama und Papa haben das letzte Wort im Betrieb“, sagt Stephanie. Und Sonja ergänzt: „Ich denke, das ist auch gut so.“