Essen. Vor fünf Jahren versprach Reil seiner Partei, eine Strafzahlung wegen seiner Spendenaffäre auszugleichen. Doch wer nachrechnet merkt: Da fehlt was.
Gerade mal zweieinhalb Wochen ist es her, da vermeldete die „Alternative für Deutschland“, was da für ein wahrer Spendenregen auf die Bundespartei herniedergegangen war: Gewaltige 2.349.906 Euro und 62 Cent wurden der Partei von einem Herrn Dingler aus dem österreichischen Vorarlberg, einem früheren Funktionär der Freiheitlichen Partei FPÖ, angedient. Dabei hatten erst kurz zuvor 1,5 Millionen Euro und dann noch einmal 999.990 Euro in der Kasse geklingelt – wer mag da noch über jene 133.500 Euro reden, die der Partei vor knapp fünf Jahren von der Bundestagsverwaltung als Strafe für die „Spendenaffäre Guido Reil“ aufgebrummt wurde? Guido Reil jedenfalls nicht.
Per Facebook-Video versprach Guido Reil damals: Für die AfD wird es keine Nachteile geben
Dabei war er es, der seiner Partei damals in einem Video auf Facebook mit treuherzigem Augenaufschlag empfohlen hatte, im juristischen Streit vor dem Berlin Verwaltungsgericht nachzugeben und die Strafzahlung zu akzeptieren. Reil wollte den Schlussstrich unter eine Spendenaffäre, die seinen Namen trug. Eine unangenehme Schmach, die ihm nach eigenem Bekunden auf der Seele lag, weshalb er versprach: „Es wird keinerlei finanzielle Nachteile für die AfD geben.“

Und Reil, durch sein Mandat im Europaparlament finanziell kommod ausgestattet, spendete. Knapp 31.000 Euro waren es 2020, gut 19.000 Euro im Jahr drauf und später noch einmal 29.000 Euro. Das machte zusammen exakt 79.066 Euro und 68 Cent. Da aber Spenden an die Partei von Mandatsträgern quer durch alle Parteien erwartet werden, müsste man die sonst üblichen Spenden von dieser Summe abziehen. Rund 12.000 Euro jährlich überweist etwa der AfD-Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter aus seinen Diäten. Macht in drei Jahren also 36.000 Euro. Rechnet man diese Summe auch für Reil an, bliebe er der AfD-Zentrale noch gut 90.000 Euro schuldig.
Die Zusage, die Strafe zu begleichen –„eine der dümmsten Entscheidungen meines politischen Lebens“
Wieviel er davon noch in den vergangenen beiden Jahren an die Partei weiterreichte, mag Reil selbst auf Nachfrage nicht preisgeben. Und nachlesen kann man das in den Rechenschaftsberichten seiner Partei leider erst mit langer Verspätung, den 2023er Betrag irgendwann im März oder April, auf jeden Fall nach der Bundestagswahl. Sicherheitshalber lässt der Ex-Europaabgeordnete aber schon einmal wissen, wie „mies“ er findet, dass ihm diese Angelegenheit derzeit aufs Butterbrot geschmiert wird. Erst nach dem Verweis, dass er sich ja an seiner eigenen großspurigen Zusage messen lassen müsse, räumt Reil ein, dass diese „politisch völlig bekloppt“ war – „eine der dümmsten Entscheidungen meines politischen Lebens“.
Was das Parteiengesetz regelt
Nach dem deutschen Parteiengesetz sind Spenden erlaubt, es gilt aber eine Vielzahl von Bedingungen.
Dazu gehört unter anderem, dass Spenden von außerhalb Deutschlands ausgeschlossen sind, es sei denn, dass sie von Deutschen oder EU-Bürgern kommen. Hinter der Plakataktion der Schweizerischen Goal AG
(= Nicht-EU), die 2017 für den Landtagswahlkampf von Guido Reil Plakate in einem Gegenwert von rund 44.500 Euro finanzierte, mussten also andere Geldgeber stecken, damit die Sach-Zuwendung nicht illegal blieb.
AfD-Frontmann Guido Reil kannte die eigentlichen Geldgeber nach eigenem Bekunden nicht. Er habe nur das Motiv abgestimmt und eine sogenannte Freistellungserklärung unterzeichnet, die erlaubte, sein Konterfei zu nutzen.
Denn auch Plakatspenden für Alice Weidel und Jörg Meuthen hätten damals schließlich Strafzahlungen für die AfD ausgelöst, doch beide hätten nicht im Traum daran gedacht, es ihm gleich zu tun und über das übliche Maß hinaus zu spenden. „Alle haben mir gesagt: Das geht nach hinten los“, beteuert Reil heute. Nur er sei so blauäugig und naiv gewesen, eine Wiedergutmachung als seine moralische Pflicht zu empfinden, obwohl er nichts Unrechtes getan und für die Plakatspenden unbekannter Gönner nur eine Freistellungserklärung unterschrieben habe. Die Essener Staatsanwaltschaft ermittelte damals zwar, aber ausdrücklich nicht gegen ihn – und stellte später alle Ermittlungen auch wieder ein.
Bei der Nominierung könnten die fehlenden Spenden die entscheidenden Stimmen gekostet haben
Was blieb, war der finanzielle Makel, den Reil ausmerzen wollte. Dabei gilt es, auf die Feinheiten seines Facebook-Videos zu achten: „Ich habe nie gesagt, ich spende 133.500 Euro“, betont Guido Reil heute. Will sagen: Da der Staat ja geleistete Spenden durch Bundesmittel zugunsten der Parteien aufstocke, reichten am Ende spürbar weniger als 133.500 Euro, um das Versprechen einzulösen, es werde keine finanziellen Nachteile für seine Partei geben.
In der AfD sehen das nicht wenige anders. Die Kunde von den ausgebliebenen Spenden machte zuletzt bei der Nominierungs-Veranstaltung für die Bundestagswahl die Runde. Gut möglich, dass das Geraune jene zehn Stimmen oder auch mehr kostete, die Reil letztlich bei seiner Bewerbung für einen aussichtsreichen Listenplatz zum Einzug ins Parlament fehlten.
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Was wiederum den warmen Geldregen für die AfD angeht, droht derzeit das gleiche Ungemach wie einst: Nach Recherchen des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel und der österreichischen Tageszeitung Standard steht der Partei erneut eine Spendenaffäre ins Haus. Es bestehe der Verdacht, dass für die Anfang Februar gemeldete Millionentransaktion ein Strohmann in die vorderste Reihe geschickt wurde, um die Herkunft der Gelder von dem aus Duisburg stammenden Immobilienmilliardär Henning Conle zu vertuschen.
Verglichen mit den jetzt möglichen Strafzahlungen für die AfD geht es bei Reils nur um „Peanuts“
Eine solche Verschleierungstaktik aber wäre ausdrücklich verboten. Sollte sich der Verdacht, dem unter anderem das österreichische Bundeskriminalamt nachgeht, tatsächlich erhärten, droht der AfD auch hier ein Strafgeld in dreifacher Höhe wegen verbotener Parteienfinanzierung – in diesem Fall dann etwas mehr als sieben Millionen Euro. Die ausstehende Reilsche Summe von ein paar zehntausend Euro wäre im Vergleich dazu tatsächlich nur noch „Peanuts“.
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