Essen. Thomas Osterholt ringt mit der Ruhrbahn um Weiterbeschäftigung. Seinem Arbeitgeber wirft er unsoziales Verhalten vor. Zu Recht?

Thomas Osterholt ist verbittert. Fast sein ganzes Berufsleben arbeitet der 63-Jährige bei der Ruhrbahn. Im Oktober 1986 fing er als Straßenbahnfahrer an; da hieß das Verkehrsunternehmen noch Essener Verkehrs-AG (Evag). Dem Betrieb gegenüber sei er immer loyal gewesen. Dennoch hat die Ruhrbahn ihn freigestellt, „nach 37 Jahren, elf Monaten, einer Woche und fünf Tagen“, wie er minutiös aufführt. Freigestellt, ohne Bezüge! „Ich nenne das einen Skandal“, sagt Thomas Osterholt und schickt einen Gruß an seinen Arbeitgeber hinterher: „Danke für nichts.“

Ein Skandal? Ist es das? Er habe gerne als Straßenbahnfahrer gearbeitet, sagt Osterholt. Wann immer er gebraucht wurde, sei er Überstunde gefahren. Doch aus gesundheitlichen Gründen könne er seinen Beruf als Fahrer nicht mehr ausüben, und das seit Jahren schon.

Bei der Ruhrbahn gibt es für solche Fälle einen Mitarbeiterpool. Beschäftigte übernehmen andere Aufgaben, arbeiten als Pförtner oder im Lager. Für die Betroffenen soll es eine vorübergehende Lösung sein. So lange, bis sie im besten Fall ihre eigentliche Arbeit wieder aufnehmen können oder im Unternehmen eine andere geeignete Stelle frei wird.

Im Mitarbeiterpool der Ruhrbahn gibt es für Thomas Osterholt keinen Platz

Auch Thomas Osterholt hatte vorübergehend einen Platz im Mitarbeiterpool, als Lagerist. Er würde dort gerne wieder Dienst tun, sagt er. Doch als er sich nach längerer, krankheitsbedingter Abwesenheit zurückmeldete, winkte die Ruhrbahn ab. Es gebe keine passende Stelle. Deshalb werde er „unter Nichtfortzahlung der Bezüge“ bis auf weiteres freigestellt, teilte ihm sein Arbeitgeber mit. Das Schreiben der Personalabteilung endet mit folgendem Satz: „Sobald wir Ihnen eine alternative Einsatzmöglichkeit anbieten können, werden wir Sie umgehend informieren.“

Darauf wartet Thomas Osterholt seit nunmehr fast vier Monaten vergebens. Seine Krankenversicherung und Beiträge für die Rente könne er nur Dank seiner Ersparnisse bezahlen, sagt er. „Ich zahle 600 im Monat, damit ich überleben kann.“ Mit der Ruhrbahn kommuniziert er inzwischen über einen Rechtsanwalt. Die Frage steht im Raum: Verhält sich die Ruhrbahn unsozial?

Ruhrbahn-Beschäftigte, die zu lange nicht arbeitsfähig sind, bleiben erst einmal außen vor

Ahmet Avsar, seit April 2024 Mitglied des Vorstandes und Arbeitsdirektor, will sich zu Causa Thomas Osterholt gegenüber der Redaktion nicht äußern. Zum Umgang mit Beschäftigten, die, wie Osterholt, ihre eigentliche Tätigkeit nicht mehr ausüben können, sagt Avsar: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst.“ Der Arbeitsdirektor verweist auf den Mitarbeiterpool, betont aber den Grundgedanken dahinter: Ein Platz im Mitarbeiterpool soll keine Dauerlösung sein.

Dies soll offenbar eine Betriebsvereinbarung unterstreichen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im April 2023 dazu abgeschlossen haben: Wer als Beschäftigte oder Beschäftigter mehr als 90 Kalendertage im Jahr nicht arbeitsfähig ist, hat keinen Anspruch auf einen Platz im Mitarbeiterpool, sondern muss ein Jahr lang warten, bis ein Platz frei wird. Deshalb fällt Thomas Osterholt durch den Rost. Ahmet Avsar hat die Vereinbarung unterschrieben. Da war er noch Betriebsratsvorsitzender. Als Arbeitsdirektor muss er sie durchsetzen.

Osterholt saß lange für die SPD im Stadtrat und ist immer noch kommunalpolitisch aktiv

Thomas Osterholt will, wenn nötig vor Gericht erzwingen, dass die Ruhrbahn ihn wieder beschäftigt und bezahlt. Von dem kommunalen Nahverkehrsunternehmen, für das er in seiner Zeit als Ratsherr wichtige Lobbyarbeit geleistet habe, wie er selbst sagt, ist er enttäuscht. 11 Jahre lang, von 2009 bis 2020 war Osterholt Mitglied der SPD-Ratsfraktion, noch immer ist der Sozialdemokrat politisch aktiv. Dem Verkehrsausschuss gehört er als Sachkundiger Bürger an.

Es gab Zeiten, da wäre man mit einem wie Osterholt bei einem städtischen Tochterunternehmen wohl anders umgegangen, allein wegen seines politischen Engagements, der damit verbundenen Beziehungen und seines Parteibuches. Auch wenn das mit seinem privaten Beschäftigungsverhältnis gar nichts zu tun hat. Nun, Zeiten ändern sich, was zumindest in diesem Punkt erst mal kein schlechtes Zeichen ist.

Kommt Osterholt mit einer Klage durch? Arbeitsrechtler, die von der Redaktion dazu befragt wurden, weisen daraufhin, dass es sich bei dem Mitarbeiterpool um eine freiwillige Einrichtung der Ruhrbahn handelt, auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung wohlgemerkt. An diese Vereinbarung muss sich der Arbeitgeber halten.

Aber darf die Ruhrbahn Osterholt einen Platz im Mitarbeiterpool verweigern? Entspricht dies dem Grundsatz der Gleichbehandlung? Womöglich werden sich Juristen mit dieser Frage befassen. Ein Gütetermin, sagt Osterholt, werde bereits gesucht.

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