Essen. Erstmals spricht der Ex-Kult-Wirt und „Schlagergott“ René Pascal nach dem Ende seiner Kneipe „Drehscheibe“. Was er jetzt macht. Wie er jetzt lebt.

Im Februar 2024 schloss Essens Kult-Sänger, der „Schlagergott“ René Pascal, seine Kneipe „Drehscheibe“ von jetzt auf gleich, er gab „gesundheitliche Gründe“ an, und das warf so manche Fragen auf. Hatte der gelernte Frisör, der in den vergangenen Jahren sein Alter stets mit 69 angegeben hatte, nicht soeben erst die schwierigen Corona-Jahre überstanden? Mehr als ein Dutzend CDs hat der blondgelockte Sänger im Laufe seines Lebens veröffentlicht, und niemand hatte doch den Eindruck gehabt, dass in absehbarer Zeit Schluss sein soll.

Freitags und samstags öffnete er seine Kneipe an der Alfredstraße, und spätestens gegen Mitternacht griff er hinterm Tresen selbst zum Mikro und ließ sich feiern: „Hallo Essen!“, „Stößchen, Stößchen“, „Mein Name ist Pascal“, die Leute wollten seine größten Hits hören. Sein Auftritt war es vor allem, weshalb die Leute kamen.

René Pascal mit seiner TV-Trophäe von Stefan Raab: Mit diesem Fotomotiv verewigten ihn zahllose Esserinnen und Essener vor zehn Jahren in einem Essen-Sticker-Sammelalbum.
René Pascal mit seiner TV-Trophäe von Stefan Raab: Mit diesem Fotomotiv verewigten ihn zahllose Esserinnen und Essener vor zehn Jahren in einem Essen-Sticker-Sammelalbum. © WAZ FotoPool | Sebastian Konopka

Im Juni 2024 wurde dann bekannt, dass die Drehscheibe, anders als zunächst gedacht, nie mehr öffnen wird. Das Nachfolge-Team richtete aus, der Vermieter des Hauses an der Alfredstraße wolle nicht, dass nochmal eine Kneipe ins Erdgeschoss zieht. Seitdem ist der Laden dicht. Die Sanierungsarbeiten, die angekündigt waren, haben kürzlich begonnen. Die Kommentare im Netz waren voll ernsthafter Wehmut und Trauer, und klar ist: Die „Drehscheibe“, egal, ob man sie gut fand oder nicht, hinterlässt eine große Lücke in Essens Nachtleben.

In seinem Zimmer, sagt er, werde er „bestens versorgt“

Jetzt sagt René Pascal: „Es tut immer noch weh. Die Zeit war schön, kommt aber nicht wieder.“ Er sitzt aufrecht in seinem Bett im vierten Stock eines Pflegeheims irgendwo im Essener Stadtgebiet. Ein Interview hat er zugelassen, Fotos oder gar Videoaufnahmen aber nicht. „Die Leute sollen mich so in Erinnerung behalten, wie sie mich gekannt haben.“

Vor Monaten hat René Pascal, der eigentlich Hans-Dieter Wolter heißt, seine kleine Wohnung neben der „Drehscheibe“ verlassen und lebt jetzt in einem Einzelzimmer in einem Seniorenstift. „Mir geht es hier gut, ich werde bestens versorgt, die Pflegerinnen sind nett.“ Über seinen Gesundheitszustand sagt René Pascal nicht viel, klar war nur: „Ich bin in den letzten Jahren immer öfter umgefallen.“ Einmal zog er sich sogar einen Rippenbruch zu, „Schwindelprobleme hatte ich schon seit meiner Kindheit.“

Dem Kneipenpublikum war es nicht aufgefallen, aber zuletzt konnte er nur noch mit Mühe sein Geschäft betreiben, kämpfte gegen die Altersbeschwerden tapfer an. Doch am Ende, musste René Pascal einsehen, ging es nicht mehr ohne dauerhafte, fremde Hilfe.

René Pascal im Jahr 2019 bei einem Auftritt an der Margarethenhöhe.
René Pascal im Jahr 2019 bei einem Auftritt an der Margarethenhöhe. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Sein Zimmer im Heim hat er großzügig mit gerahmten Zeitungsausschnitten und bunten Bildern dekoriert; man sieht René Pascal mit Prominenten in der „Drehscheibe“, großformatige Presse-Artikel zu seinen Jubiläen oder CD-Veröffentlichungsparties, und noch heute huscht ein Anflug Stolz durch sein Gesicht, wenn er sagt: „Ich hatte drei Raabigramme.“

TV-Auftritte bei Stefan Raab brachten bundesweite Aufmerksamkeit

So hieß der Pokal, den Menschen in der Sendung „TV Total“ erhielten, moderiert von Stefan Raab, die Sendung hatte in den Neunziger und Nuller Jahren Einschaltquoten, von denen die Fernsehmacher heute nur träumen. René Pascal und seine „Drehscheibe“ wurden auf einen Schlag bundesweit berühmt; die Gefahr, dass sich Leute auch lustig machten über ihn, nahm René Pascal gerne in Kauf. Denn es gründeten sich auch Fanclubs jenseits der Ruhrgebietsgrenzen, in Nürnberg und woanders, und sie kamen mindestens einmal pro Jahr, mieteten dann die ganze Kneipe, machten mächtig einen drauf, und mittendrin: René Pascal in seinem Element. Mit dem Mikro in der Hand auf der kleinen Bühne, die er selbst hatte bauen lassen für seinen Laden.

„Wenn er auf der Bühne steht, ist er ein anderer Mensch“, sagt Achim Höfel (69), ein enger Begleiter. Höfel war jahrzehntelang der DJ in der Drehscheibe, sorgte für die Musik, solange Pascal nicht selbst zum Mikro griff, legte Oldies und Schlager auf, auch nach Wunsch, „die Leute grölten und feierten, es war eine herrliche Zeit.“ Ärger gab es so gut wie keinen in all‘ den Jahren, vielleicht waren die Raucher nachts draußen auf dem Bürgersteig manchmal etwas zu laut, dann kam die Polizei, „aber die kannten wir schon, und sie winkten immer ab, und dann war alles gut“.

1993 hatte Pascal die „Drehscheibe“ von einem Freund übernommen, vorher hatte er im Südviertel kurz den Laden „Oldtimer“ betrieben, schon als Friseur hatte er nach Feierabend Platten aufgelegt, die Liebe zur Musik ist fast so alt wie Pascal selbst. „Am liebsten hab‘ ich eigentlich immer Soul gehört“, sagt er jetzt im Pflegebett, „Aretha Franklin oder Barry White.“

Manchmal singt er im Heim noch ein paar seiner alten Lieder

Manchmal im Pflegeheim, wenn er gute Laune hat oder wenn sich ein Anlass bietet, dann singt er noch ein bisschen für die anderen Heimbewohner. Draußen auf der Terrasse hat er bei einem Heimfest seine Lieder zum Besten gegeben, die Stimmung war prächtig, und eine Angestellte des Heims sagt: „Manchmal hören wir auch zusammen seine CDs im Speiseraum. Und dann scherzen wir gemeinsam, dass er auf jeden Fall nochmal auf Welttournee gehen will.“

Eigentlich, kann man bilanzieren, hat René Pascal immer seinen Traum gelebt. Egal, was andere davon hielten, oder wie hart er selbst dafür kämpfen musste. Alles außerhalb seiner Drehscheiben-Welt hat ihn nicht sonderlich interessiert. Nicht das Geld, nicht die Zukunft, und manchmal auch nicht die geltenden Regeln.

Während Corona musste er mal vor Gericht, angeblich hatte er es zugelassen, dass in seiner Kneipe gefeiert wird ohne Maske und Mindestabstand. Irgendwie ist René Pascal da heile rausgekommen, und die bitteren Jahre der Pandemie hatte er versucht, mit Hausbesuchen zu überbrücken. Dass er da schon gesundheitlich bedenklich angeschlagen war, hat ihn selbst vielleicht am allerwenigsten interessiert.

„Es war immer schön, und ich würde alles so wieder machen“, sagt René Pascal jetzt, in Ehren ergraut, ohne Perücke sitzt er in seinem Bett und versucht, das zu genießen, wonach andere sich ewig sehnen: einen ruhigen Lebensabend. Der sei ihm gegönnt.

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