„Selig“ präsentiert sich in Essen „endlich unendlich“. Krachende Gitarren-Riffs erinnern an Jimi Hendrix. Und die Stimme von Jan Plewka beseelt die Fans.

Bei Rock-Konzerten mit nostalgischem Anstrich ist meist auch ein wenig Geschichtsklitterung mit im Spiel. So auch bei Selig, Hamburger Deutsch-Grunge-Aushängeschild, das bereits im vergangenen Jahr zu seiner „30 Jahre und endlich unendlich“-Jubiläumstour aufgebrochen war. In der zur Tour-Fortsetzung restlos ausverkauften Zeche Carl bot sich den Fans nochmals die Gelegenheit, mit dem Soundtrack der Jugend auf eine nostalgische Zeitreise zu begeben.

Im Innern hat sich die Band „das Räudige von 21-Jährigen“ bewahrt

30 Jahre – das klingt schon sehr beeindruckend -, allerdings hatte die zum Quartett geschrumpfte Band dezent unterschlagen, dass sie sich 1999 aufgelöst und es danach eine rund zehnjährige Trennungsphase gegeben hatte. „20 Jahre hätte auch uns jünger gemacht“, erklärte schlitzohrig Frontmann Jan Plewka den Etikettenschwindel. Dafür beteuerte er, dass die Band bei allem „adretten Äußeren“ - was man durchaus für leicht übertrieben halten konnte - in ihrem Inneren noch immer das Räudige von 21-Jährigen bewahrt hätte.

Mit „Unsterblich“ legte Selig gleich einen fulminanten Start hin. Die Bindung beschwört später auch das Lied „Neubeginn“, ein Titel, der laut Plewka so schön ist, dass eine Trennung unmöglich war. Die Fangemeinde scheint zuzustimmen und geht nach Plewkas Aufforderung in einen begeisterten Mit-Klatsch-Modus über. Spätestens bei „Alles ist nix“ stimmt der Fan-Chor mit „wenn Du nicht da bist“ auch gesanglich ein.

Bei „Arsch einer Frau“ werden Erinnerungen an Jimi Hendrix wach

Die Bandgründung 1993 unterstellt zwar, dass Selig stilistisch in der Grunge-Ära verwurzelt ist, doch unterschlägt diese Einordnung, dass wesentliche Bestandteile ihres Sounds noch viel älter sind und in den späten sechziger Jahren zu verorten sind. So reflektiert „Kleine Schwester“ viel von dem düster beschwörenden Seelen-Striptease des legendären Doors-Sängers Jim Morrison. Erinnerungen an Jimi Hendrix werden wach, wenn Gitarrist Christian Neander etwa bei „Arsch einer Frau“ seine krachenden Riffs einem Erdbeben gleich übereinander schichtet und dazwischen immer wieder Soli mit Wah-Wah-Effekt einstreut.

Der Sound, an dem noch Lenard „Leo“ Schmidthals am Bass sowie Stephan „Stoppel“ Eggert am Schlagzeug beteiligt sind, wirkt trotz mancher Klang-Ausschweifungen dennoch kompakt. Mit den Vorbildern aus den Sechzigern, an denen sich Selig unüberhörbar bedient haben, liefert Selig dennoch keine langweilige Retro-Show, sondern beeindruckt mit erfrischender Spielfreude und zudem mit einer kaum für möglich gehaltenen Authentizität.

Die Zugabe „Ohne Dich“ beseelt das Publikum in der Essener Zeche Carl

Die ist im wesentlichen der markanten Stimme von Jan Plewka zu verdanken, bei der trotz aller vokalen Raubeinigkeit auch immer mal wieder die verletzliche Einfühlsamkeit eines Rio Reiser durchklingt. Plewka interpretiert seine Lieder sehr persönlich und lässt seine Fans intensiv teilhaben. Wie eng diese Verbindung ist, wird dann bei der beseelten Zugabe „Ohne Dich“ deutlich. Plewka und Fans brauchen einander für die jeweils eigene Seligkeit. 

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