Essen. Richard Müller ist Schausteller-Urgestein in Essen und Betreiber der Glühweinpyramide. Wie die Baustellenzeit auf dem Willy-Brandt-Platz für ihn lief.
„Die vergangenen vier Jahre war es hier nicht fröhlich, das war eine Katastrophe“, sagt Richard Müller, während er an einem diesigen Novembertag vor seinen halb aufgebauten Weihnachtsmarkthütten auf dem Willy-Brandt-Platz steht. Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass der Schausteller wieder Hütten auf dem zentralen Platz am Hauptbahnhof aufstellt. Zuvor herrschte hier die Großbaustelle für den neuen Königshof, die den Weihnachtsmarkt vom Eingang zur Innenstadt verdrängte.
Müller hatte dort seit 1995 seinen Stammplatz. Zuerst mit einer kleineren Bude, über die Jahre habe er sich immer mehr vergrößert. Während der Baustellenzeit musste er notgedrungen mit einer kleineren Hütte in der Kettwiger Straße in Höhe des Wasserspielplatzes stehen. Der Standort sei unattraktiv gewesen, durch die Enge und den dichten Fußgängerverkehr seien selten Besucher länger stehen geblieben, so Müller.
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„In den vergangenen vier Jahren habe ich so gut wie kein Geld verdient, das war für mich sehr schmerzvoll. Der Weihnachtsmarkt ist ein wichtiges Geschäft für den Saison-Abschluss“, sagt Müller und ergänzt nach kurzem Nachdenken „Aber ich musste es schweren Herzens akzeptieren, für eine Baustelle kann keiner was.“
Weihnachtsmarkt in Essen 2024: Schausteller entwickelt modulare Hütten
Müller ist nicht nur Betreiber einer eigenen Glühweinbude, sondern auch Dienstleister. Für die Essen Marketing GmbH (EMG), Veranstalterin des Weihnachtsmarktes, baut Müller etwa 15 Hütten in der Innenstadt verteilt auf. „Die EMG vermietet die dann an die einzelnen Händler“, erklärt Müller.
Vor 18 Jahren habe er die Hütten im Fachwerkdesign zusammen mit seinem Freund und Schausteller-Kollegen Peter Buchholz entwickelt. Die Buden sind modular und lassen sich über Scharniere aufklappen. Das Prinzip: „Hinstellen, aufklappen, fertig“, so Müller.
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Entsprechend zügig geht der Aufbau auf dem Willy-Brandt-Platz von der Hand: In etwa 15 Minuten steht eine Hütte. Zehn Leute bauen zusammen mit Müller und Buchholz die Hütten auf. Das Abladen und Platzieren ist Chefsache: Mit einem Stapler holt Müller die zusammengeklappten Module vom LKW. Die anderen Mitarbeiter klappen die Wände hoch, legen die Dachplatten darauf und dichten alles mit einer Plane ab. Zum Schluss kommen grüne Zweige und Lichterketten an die Dachgiebel.
Essener Schausteller: „Nicht alle Händler sind nach Corona zurückgekommen“
An einem Tag stehen alle 15 Hütten in der Innenstadt. „Danach werden sie aufgefrischt, sauber gemacht und von mir kontrolliert. Ich schaue mir an: Sind alle Schrauben drin, alle Dächer richtig fest, alle Türen eingestellt und funktionieren die Rollläden?“, erklärt Müller. „Danach übernimmt dann die EMG.“
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Eines habe sich in den vergangenen Jahren allerdings verändert, so Müller: „Ich baue nur noch einen Bruchteil der Hütten auf.“ Früher seien es etwa 50 gewesen, „jetzt nur noch 15.“ Das liege zum einen an der Baustelle am Willy-Brandt-Platz, wo Müller hauptsächlich seine Buden platziert hatte. Viele Händler seien auf den Kennedyplatz ausgewichen, wo die EMG die Hütten selbst an die Händler vermietet.
„Zur bitteren Wahrheit gehört aber auch, dass es nach Corona schwerer geworden ist, Händler zu aktivieren. Das ist aber nicht nur in Essen so, sondern woanders auch. Ein Teil der Händler ist nach Corona nicht mehr zurückgekommen. Manche waren entweder zu alt oder sind einmal aus dem Trott raus.“
Aus dem Trott geraten ist Müller nicht, er hat die Corona-Zeit überstanden. Der 60-Jährige ist Schausteller in sechster Generation und ein echtes Urgestein auf dem Essener Weihnachtsmarkt: „Ich kenne den Markt in Essen vom ersten Tag an, als kleiner Bub. Meine Oma und meine Eltern hatten ein Kinderkarussell, wir waren hier immer vertreten.“ Seit mehr als 200 Jahren sei seine Familie im Geschäft.
Weihnachtsmarkt in Essen: 2024 steht ein neues Wahrzeichen auf dem Willy-Brandt-Platz
Beim diesjährigen Weihnachtsmarkt möchte er auf dem Willy-Brandt-Platz wieder voll angreifen - und hat mit seiner neuen, 20 Meter hohen Glühweinpyramide gleich ein neues Wahrzeichen des Essener Weihnachtsmarktes errichtet. Rund 300.000 Euro hat er dafür investiert.
„Die Menschen, die in die Stadt kommen, sollen einen Ankerpunkt haben. Das ist mir sehr wichtig. Wir haben auch viele Leute, die den Essener Weihnachtsmarkt von außerhalb besuchen. Die Menschen sollen dank der neuen Pyramide gut gelaunt und fröhlich die Stadt betreten.“ Auch Müllers Gesicht wirkt wieder fröhlich, wenn er nach vier schwierigen Jahren über seine Schausteller-Zukunft auf dem Willy-Brandt-Platz spricht.
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