Essen. Tausende Anträge auf Einbürgerung warten auf Bearbeitung. Und die Stadt geht davon aus, dass es mehr werden. Trotzdem soll alles schneller gehen.

Die Stadt Essen will das Verfahren zur Einbürgerung ausländischer Bürgerinnen und Bürger deutlich beschleunigen. Was heute mehrere Jahre dauert, soll bald innerhalb weniger Monate über die Bühne gehen. Dies kündigte Ordnungsdezernent Christian Kromberg am Montag (11.11.) im Gespräch mit der Redaktion an.

Hintergrund: Bei der Ausländerbehörde hat sich eine Flut an Anträgen auf Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft aufgestaut. Aktuell warten 6000 Anträge auf eine Bearbeitung. Hinzu kommen etwa 8000 unbeantwortete E-Mails mit Terminanfragen. In der Behörde herrsche „Land unter“, räumt Christian Kromberg ein,

Bei den Betroffenen führe dies verständlicherweise zu Unverständnis und auch Frust. Liegen zwischen der Terminanfrage per E-Mail und der Ausstellung der Einbürgerungsurkunde doch 3, 4 Jahre. Zwei Jahre können vergehen, bis die Ausländerbehörde auf eine Terminanfrage reagiert.

Dabei kommt der Andrang nicht von ungefähr. Kromberg erinnert an die „enorme Zuwanderung“ in den Jahren 2014 und 2015 an Bürgerkriegsflüchtlingen, allen voran aus Syrien. „Das holt uns jetzt bei der Einbürgerung ein“, so sagt der städtische Ordnungsdezernent und belegt dies mit Zahlen: Gingen 2015 noch etwa 1200 Anträge auf Einbürgerung bei der Stadt ein, waren es 2023 mehr als 3000. Da dürfte es nicht überraschen, dass Syrer und Iraker bei den Einbürgerungen laut Ausländerbehörde „mit Abstand“ an der Spitze liegen, gefolgt von Menschen aus dem Iran und aus der Türkei.

93 Prozent der in Essen lebenden Syrer wollen Deutsche werden

Die Zahl der Anträge dürfte nach Einschätzung der Stadt weiter steigen. Nicht nur, weil laut einer Befragung der Stadt 93 Prozent der in Essen lebenden Syrerinnen und Syrer angaben, die deutsche Staatsangehörigkeit anzustreben, wie Kromberg berichtet. Denn der Gesetzgeber hat die rechtlichen Hürden abgesenkt.

Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchte, muss nicht mehr acht Jahre in Deutschland leben, sondern fünf. Personen, die besonders gut integriert sind, können einen deutschen Pass statt nach fünf Jahren schon nach drei Jahren bekommen. Auch die doppelte Staatsbürgerschaft ist mit Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts in diesem Jahr möglich.

Eingebürgert werden Personen auf Antrag, sofern ihre Identität zweifelsfrei geklärt ist, sie der deutschen Sprache (B1-Niveau) mächtig sind, den Einbürgerungstest bestanden haben und sie ihren Lebensunterhalt bestreiten, ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Wobei es dabei Ermessensspielräume gibt, wie Kromberg erläutert. Eine alleinerziehende Mutter mit drei kleinen Kindern beispielsweise könne ihren Lebensunterhalt nur schwer selbst verdienen.

Der Gesetzgeber hat die Hürden für die Einbürgerung gesenkt

Wer als Ausländer zum Beispiel als Arzt in einem Krankenhaus arbeitet, hat gute Aussichten, einen deutschen Pass schon nach drei Jahren zu bekommen. Auch ehrenamtliches Engagement gilt als Zeugnis einer besonders guten Integration in die deutsche Gesellschaft.

Wie aber soll künftig schneller gehen, was bislang Jahre dauert? Die wichtigste Neuerung: Einbürgerungsanträge können nun auch online gestellt werden (www.essen.de/einbürgerung). Eine persönliche Vorsprach sei nicht mehr möglich. Die Stadt empfiehlt dies ausdrücklich, es sei der schnellste Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft. Kromberg vergleicht das Verfahren mit einer elektronischen Steuererklärung. Bereits gestellte Anträge sollen nach und nach abgearbeitet werden.

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Wer lieber persönlich bei der Ausländerbehörde vorsprechen möchte, kann ab dem 1. Dezember online einen Termin buchen (www.essen.de/einbürgerungstermin). 70 Termine pro Woche will die Behörde vergeben. Das Personal soll dafür aufgestockt werden, von 20 auf knapp 60 Stellen, 43 davon seien bereits besetzt.

Etwa 8000 Ausländer haben eine Terminanfrage per E-Mail gestellt und warten auf eine Antwort

Jene rund 8000 ausländischen Bürgerinnen und Bürger, die seit Monaten oder Jahren auf eine Antwort auf ihre Terminanfrage warten, sollen bald Post von der Stadt bekommen. Ordnungsdezernent Christian Kromberg will sie in dem Schreiben auf die beschriebenen Neuerungen hinweisen. Auf eine Antwort auf ihre E-Mail dürfen sie hingegen nicht mehr hoffen, und auch nicht darauf, doch noch auf diesem Wege einen Termin zu erhalten. Ihnen stehe das Online-Verfahren offen. Dass die Betroffenen das Gefühl haben könnten, wieder „bei null“ anzufangen, will Kromberg auf Nachfrage nicht gelten lassen. Schließlich hätten sie noch keinen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Nicht stellen können, wäre die präzise Formulierung.

Zwischen der Online-Antragstellung und der Übergabe der Einbürgerungsurkunde liegen nach aktuellem Stand vier Monate, berichtet Kromberg. Dass die Bearbeitung länger dauern könnte, sollte die Zahl der Anträge wie erwartet steigen, will der Ordnungsdezernent nicht ausschließen.

Die Entscheidung, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, sei individuell, so Kromberg. Was die Reisefreiheit angehe, sei der deutsche Pass aber „der attraktivste auf der Welt“. Mit keinem anderen Pass könne man so viele Länder ohne Visum bereisen, wie mit dem deutschen.

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