Essen. „Literaturdistrikt“ in Essen: Festival steht unter dem Motto „menschengemacht“: Neben Lesungen stehen auch Film und Konzert auf dem Programm.

„Menschengemacht“, das steht momentan vor allem für all die schädlichen Auswüchse unserer auf Wachstum und Wohlstand getrimmten Welt. Mit den bekannten Folgen: zerstörte Umwelt, verschmutzte Meere, kaputte Wälder. Was „Menschengemachtes“ aber auch im Guten wie im Schlechten bewirken kann, das will das Lesefest „Literaturdistrikt“ in seiner 20. Auflage erörtern. Vom 4. bis 16. November treffen sich in Essen internationale Autorinnen und Autoren, die sich in ihren Büchern mit den vielfältigen Facetten des menschlichen Einflusses auf die Welt beschäftigen. Renommierte Journalisten und Autoren übernehmen die Moderation.

Die Organisatorinnen des Festivals, Semra und Fatma Uzun, können auf eines der mittlerweile langlebigsten Festivals der Stadt zurückblicken. „Wir sind wirklich angekommen in der Stadt“, freut sich Semra Uzun. Gleichwohl sei das Festival immer wieder offen gewesen für Veränderungen und habe sich sogar „noch einmal neu aufgestellt“, ergänzt ihre Schwester Fatma Uzun. 2022 wurde aus dem ursprünglichen „Literatürk“-Festival so das zunehmend international aufgestellte Lesefest „Literaturdistrikt“.

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Einst angetreten, um die sogenannte „Gastarbeiterliteratur“ zu einem gleichwertigen und wichtigen Bestandteil der deutschen Literaturlandschaft zu machen, gibt es im Jubiläumsjahr dabei erstmals gar keinen Beitrag türkischstämmiger Autorinnen und Autoren. „Es hat in diesem Jahr einfach nicht gepasst“, erklärt Fatma Uzun. Was der Büchermarkt nicht hergegeben hat, liefert aber zumindest der Film. Beim Jubiläumsevent am Samstag, 9. November, 18 Uhr, kehrt Fatih Akins preisgekrönter Dokumentarfilm „Crossing the Bridge“ über die musikalische Klangvielfalt Istanbuls in einer technisch modernisierten Fassung auf die Leinwand zurück. Die türkische Musikerin Gaye Su Akyol, die anatolische Musik mit Psychedelia, Surf Rock und Post-Punk verbindet, ergänzt das Programm. Es ist die erste Kooperation von Literaturdistrikt und Pact Zollverein im Rahmen des transdisziplinären Symposiums Impact 24.

Eine literarische Reise zu der vom Aussterben bedrohten Klonkolonie von Zitterpappeln

Zusammen liest man weniger allein: Dass die verbindende Kraft eines Lesefestes auch beim Hörbuch- und Podcast-affinen Publikum immer noch zieht, haben die Literaturdistrikt-Macherinnen in der Vergangenheit mit vielen ausverkauften Abenden bewiesen. Auch in diesem Jahr verspricht die Auftaktlesung mit FAZ-Journalist Dietmar Dath und You-Tuber Wolfgang M. Schmitt wieder ein volles Haus, wenn es heißt „Selbst schuld!“ (4. November, 19 Uhr, Filmstudio Glückauf). Die beiden Autoren wollen neoliberale Schuldzuweisungen kritisch beleuchten und die zugrunde liegenden Diskurse und Strukturen hinterfragen.

Enis Maci und Pascal Richmann machen sich zusammen mit dem Publikum auf den Weg nach „Pando“. Die weltgrößte Klonkolonie einer vom Aussterben bedrohten Zitterpappel in Utah ist Ziel und Zentrum eines Abenteuerromans, der die Folgen menschlicher Eingriffe in die Umwelt aufzeigt (5. November, 19.30 Uhr, Ada im Grillo-Theater). Auf eine Zeitreise begibt sich Kulturjournalist René Aguigah mit seinem Buch über den US-amerikanischen Schriftsteller James Baldwin, das er dem schwulen schwarzen Romanautoren und Bürgerrechtsaktivisten zu dessen 100. Geburtstag widmet. (6. November, 19.30 Uhr, Szene 10, Girardetstr.).

Eva von Redecker, Metropolenschreiberin Ruhr, diskutiert über „Freiheit und Energie“.
Eva von Redecker, Metropolenschreiberin Ruhr, diskutiert über „Freiheit und Energie“. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Das Verschwinden der Welt“ beobachtet Lin Hierse in ihrem gleichnamigen Roman (7. November, 19.30 Uhr, Leseraum in der Akazienallee). Um „Freiheit und Energie“ geht es in einem Gespräch, das die diesjährige Metropolenschreiberin Ruhr, Eva von Redecker, mit Stephan Muschick, Geschäftsführer der Eon-Stiftung führt. (8. November, 19 Uhr, Museum Folkwang).

„Antichristie“ hat Mithu Sanyal ihren zweiten Roman genannt, der sich mit unterschiedlichen Zeitebenen und Genres ebenso intensiv beschäftigt wie mit den Auswirkungen von Kolonialismus und Gewalt, die unsere Gegenwart prägen. (10. November, 20 Uhr, Szene 10, Girardetstr. 10).

Mithu Sanyal kommt mit ihrem neuen Buch „Antichristi“ nach Essen.
Mithu Sanyal kommt mit ihrem neuen Buch „Antichristi“ nach Essen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Content“ liefert Elias Hirschl mit seiner gleichnamigen Erzählung. Der Roman des Dortmunder Stadtschreibers 2022 beschäftigt sich mit der modernen Arbeitswelt im Ruhrgebiet (11. November, 19.30 Uhr, Café Central im Grillo-Theater). Krieg, Flucht, Migration, Rassismus: Diese allgegenwärtigen Themen können auch Teil einer Liebesgeschichte sein. Vanessa Vu und Ahmed Katlesh erzählen davon in „Komm dahin, wo es still ist“. Die Journalistin mit vietnamesischen Wurzeln und der aus Syrien geflüchtete Dichter begegnen sich erstmals in einem Tangokurs und beginnen über E-Mails mit Übersetzungsprogramm einen Austausch, der das Politische wie Private berührt (12. November, 19.30 Uhr, Stadtteilbibliothek Huttrop, Mählerweg).

Einen Dialog über nationale und religiöse Grenzen hinweg, stoßen auch die muslimische Politologin Saba-Nur Cheema und der jüdische Historiker Meron Mendel mit „Muslimisch-Jüdisches Abendbrot“ an. Ihre Reflexion über Themen wie kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Nahostkonflikt und Boykottkultur plädiert für „das Miteinander in Zeiten der Polarisierung“ (16. November, 15 Uhr, Museum Folkwang.

Literaturdistrikt 2024: Bekannte Autoren präsentieren ihre Neuerscheinungen in Essen

Mit „Meine Katze Jugoslawien“ kommt Pajtim Statovcic nach Essen. Der kosovarisch-finnische Autor bringt in seiner Erzählung Themen wie Krieg, Identität und Queerness mit Fragen europäischer Migrationspolitik zusammen. (13. November, 19.30 Uhr).

Das Begleitprogramm von Literaturdistrikt bringt im Dezember dann noch zwei bekannte Autoren nach Essen. Saša Stanišić kommt mit seinem neuen Buch „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ am 11. Dezember, 20 Uhr, ins Astra, Theater, Teichstraße. Die zweite Kooperation mit der Buchhandlung Proust ist die Lesung vom Clemens Meyer am 15. Dezember, 18 Uhr. Meyer stellt sein neues Buch „Die Projektoren“ in der Zentralbibliothek, Hollestraße vor.

Eintrittskarten für das Lesefest gibt es unter www.literaturdistrikt.de

Das gesamte Programm ist unter www.literaturdistrikt.de/programm-2024/ zu finden

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