Essen. Mit „Back to the roots“ besonders beliebt bei der Generation Ü-50. Am Freitagabend legt DJ Klaus Vogel wieder in Essen auf.

Tanzen ist keine Frage des Alters, aber gerade der Generation 50+ mangelt es oft an Gelegenheiten. Dabei ist die Sehnsucht nach den alten Discozeiten bei vielen groß. Zumindest einmal im Monat gibt mit der Party „Back to the roots“ („Zurück zu den Wurzeln“) das Angebot, zu bekannter Musik zu tanzen und Kontakte zu knüpfen. Ort des Geschehens: das Fachgeschäft für Stadtwandel, gemeinnütziger Treffpunkt an der Gemarkenstraße 72.

Zugegeben: Mit der Glitzerwelt der Großraum-Discos aus den 1980er Jahren hat all das wenig zu tun. Im Fachgeschäft geht es eher gemütlich-familiär zu. Wo sonst Yoga- und Musikkurse, Gesprächsrunden und Sprachtrainings stattfinden und man sich tagsüber bei einem Kaffee erholen kann, rollt jeweils am dritten Freitag im Monat DJ Klaus Vogel mit seiner mobilen Musik- und Lichtanlage an.

Bei der Disco-Party in Essen sind Songs der 1960er bis 1990er Jahre zu hören

Von 19 bis 22 Uhr legt er mit Vorliebe Musik der 1960er bis 1990er Jahre auf, aber auch aktuellere Stücke. „Bei mir gibt‘s viel Rockiges, gern auch härtere Sachen“, sagt Klaus Vogel und lacht. „Wer etwas anderes hören will, sollte sich gut mit mir stellen“, scherzt er. Selbstverständlich achte er darauf, bei welchen Songs getanzt wird und erfülle auch Musikwünsche.

Der 71-Jährige stammt eigentlich aus Lippstadt, aus „Rummenigge-Town“, wie sagt. 1978 kam er nach Essen. Sein Vater habe aus beruflichen Gründen oft umziehen müssen. „Davon hatte ich irgendwann so die Nase voll“, erinnert sich Vogel. Als sportlicher junger Mann wollte er eigentlich Lotse werden, verpflichtete sich bei der Marine. Relativ schnell merkte er, dass ihm das weniger Spaß machte, als erhofft. Nach einem Jahr brach er die Ausbildung ab.

Der Essener führte zweimal die Disco „La Cave“ in Überruhr

Ein Berufsberater brachte ihn auf die Idee, Fotograf zu werden. „Das war bei der Marine sogar möglich, ich konnte mich zum Luftbildauswerter ausbilden lassen“, blickt Vogel zurück. Weil der angestammte Fotograf verletzt war, bekam er die Chance, bei einer Veranstaltung des Bundesverteidigungsministeriums zu fotografieren. Der Einsatz verlief erfolgreich und öffnete Vogel die Tür zur Marine-Pressestelle, wo er sieben Jahre lang blieb. Danach kehrte er nach Essen zurück, wollte aber den Wunsch seines Vaters, einen kaufmännischen Beruf auszuüben, nicht erfüllen.

Denn seine Liebe gehörte nicht nur dem Sport, sondern auch der Musik. „In Essen gab es keine vernünftige Jazz- oder Musikkneipe, da war ich aus Hamburg und Flensburg anderes gewöhnt“, blickt Klaus Vogel zurück. So ergriff er die Chance, eine Gaststätte in Überruhr zu übernehmen, die als „La Cave“ noch vielen in Erinnerung sein dürfte. Den Betrieb gibt es bis heute, allerdings als reine Eventlocation.

DJ Klaus Vogel
© WAZ | Elli Schulz

Klaus Vogel vermisste in den 1970er Jahren Musikkneipen in Essen

An einem Tag in der Woche war dort Jazz-Live-Musik angesagt, los ging es 1978 mit der Essener Band Walter h.c. Meier Pumpe. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich die ganze Woche arbeiten muss, nur um an einem Tag in meinem Laden Musik zu hören“, sagt er. So habe er das „La Cave“ an der Langenberger Straße auf reinen Discobetrieb umgestellt. Fünf Jahre hielt Klaus Vogel durch, dann versuchte er in den USA sein Glück. Dort hatte er keine berufliche Zukunft, weil ihm die Greencard fehlte, die ihm den dauerhaften Aufenthalt und Arbeit ermöglicht hätte.

Die monatlichen Disco-Abende finden im Fachgeschäft für Stadtwandel an der Gemarkenstraße 72 statt. Termin ist jeweils der dritte Freitag im Monat.
Die monatlichen Disco-Abende finden im Fachgeschäft für Stadtwandel an der Gemarkenstraße 72 statt. Termin ist jeweils der dritte Freitag im Monat. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Zurück in Deutschland, arbeitete Vogel als Redakteur für die WAZ/NRZ in Duisburg, begleitete den Niedergang des Stahlwerks von Krupp-Hoesch in Rheinhausen fotografisch. Parallel dazu übernahm Vogel zusammen mit seiner Frau in den 1980ern das „La Cave“ ein zweites Mal, legte selbst auf oder engagierte andere DJs. „Das war immer meine Leidenschaft. Schon während meiner Marinezeit habe ich im Offiziersheim an den Plattentellern gestanden.“ Der 71-Jährige, der einen Sohn und zwei Enkel hat, hält es bis heute mit dem Song „Music was my first love“ von John Miles. Das „La Cave“ gab er nach ein paar Jahren endgültig ab: „Ich wollte meine Ehe retten, was aber nicht gelungen ist.“

Später ließ er sich zum Kameramann und Cutter ausbilden, war erst bei RTL angestellt und arbeitete dann selbstständig – bis ein Schlaganfall das unmöglich machte, weil er die Kamera aufgrund kleinerer motorischer Probleme nicht mehr richtig bedienen konnte.

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Durch Zufall sei er auf das Fachgeschäft für Stadtwandel in Holsterhausen aufmerksam geworden, sei gleich begeistert gewesen von dem gemeinnützigen Konzept. „Ich habe viel Glück im Leben gehabt, will gern etwas zurückgeben“, sagt Vogel zu seinem ehrenamtlichen Engagement als DJ.

Manchmal kommen auch jüngere Partygäste in das Essener Fachgeschäft für Stadtwandel

Seit gut einem Jahr läuft seine Reihe „Back to the Roots“ nun schon. Mal kommen 20, mal 40 Leute, oft über 50 Jahre alt, aber nicht immer. „Manchmal kommt eine ganz Gruppe junger Leute hier zufällig wobei und schaut rein“, beobachtet Susanne Güttler vom Fachgeschäft für Stadtwandel. Frauen seien in der Überzahl, es gebe aber auch Männer, die zwischen Stammgäste seien, und Paare, die mal wieder zusammen tanzen wollen.

Der Eintritt ist frei, es gibt eine Spendenbox, jeder kann kommen, wie er mag – und sogar Getränke und Knabberzeug selbst mitbringen. „Hier bei uns gibt es Wasser, aber keine alkoholischen Getränke“, so Susanne Güttler. Die dürfen aber mitgebracht werden. Wer kein Getränk dabei hat, wird auch in der Pizzeria gegenüber fündig. „Da haben wir Bescheid gesagt, dass sie an dem Abend ein bisschen mehr Bier in den Kühlschrank legen“, so Güttler.

DJ Klaus Vogel, der nach eigenen Angaben in Berlin schon mal für über 3000 Leute aufgelegt hat und auch in Essener Läden wie dem Purzelbaum am Start war, sieht den Discoabend auch als Chance, ein bisschen Werbung für sich zu machen: „Man kann mich auch für private Feiern buchen.“ Eine Gratisveranstaltung wie in Holsterhausen würde Vogel auch gern in Kupferdreh in einem Seniorenheim mit großem Café auf die Beine stellen und hat dazu schon erste Kontakte geknüpft. „Ohne Musik kann ich mir kein Leben vorstellen.“

Der Essener DJ würde gern ein zweites ehrenamtliches Projekt in Kupferdreh starten

Zum nächsten Disco-Termin im Fachgeschäft für Stadtwandel am Freitag, 15. November, lädt er auch alle alten Weggefährten und Weggefährtinnen ein und hofft auf ein volles Haus. Kontakt: Klaus Vogel, Telefon 01794648175.

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