Essen. Die teils absurden, in jedem Fall lausig vorbereiteten Abbiegezwänge und Einfahrtverbote stressen gerade viele Menschen. Ein Sieg der Ideologie.
Auch am Tag 4 nach Beginn der Autoverdrängung in Rüttenscheid spielen sich im Stadtteil Szenen ab, die den ganzen Dilettantismus der Essener Verkehrspolitik offenbaren. Denn die der Rüttenscheider Straße und einigen Nebenstraßen aufgepfropften Abbiegezwänge und Einfahrtverbote funktionieren hinten und vorne nicht.
Viele Autofahrer ignorieren die neuen Vorschriften, weil sie sie nicht verstehen und weil sie tatsächlich teils auch vollkommen absurd sind. Da führen Abbiegezwänge mitten hinein in Baustellen-Staus, da werden aus zwei Fahrstreifen einer - offenbar ohne zu bedenken, was das mit dem Verkehr macht -, da werden eigentlich ruhige Wohnnebenstraßen zu Überlaufbecken des Autoverkehrs.
Verkehrsregeln müssen beachtet werden, auch wenn sie - wie hier - noch so dämlich sind
All das führt dann auf den Straßen zu chaotischen, manchmal sogar gefährlichen Situationen, zumal sehr viele Menschen extrem gestresst, genervt und verunsichert sind durch die plötzlichen Änderungen. Natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn Verkehrsregeln einfach ignoriert werden, und seien sie - wie hier - auch noch so dämlich. Dennoch zeigt sich darin exemplarisch das völlige Versagen der in Essen für Verkehrspolitik zuständigen Entscheidungsträger.
Wer in einen komplexen Stadtorganismus an mehreren Stellen eingreift und mit jahrzehntealten Verkehrsbeziehungen bricht, muss frühzeitig Sorge tragen, dass die Dinge umfassend und nachvollziehbar kommuniziert werden. Die Bürger müssen zumindest die Chance bekommen, so etwas wie Verständnis zu entwickeln. Und nein, ein paar Pressemitteilungen reichen da nicht.
Kommunzieren ist nicht die Stärke der politisch stark durchgegrünten Fachverwaltung
Kommunizieren ist aber leider so gar nicht die Stärke der mittlerweile politisch stark durchgegrünten Fachverwaltung unter dem Kommando von Verkehrsdezernentin Simone Raskob. Hier will man vielmehr exekutieren, was die grüne Heilslehre hergibt, egal ob die davon Betroffenen nun mitgehen oder nicht. Die Befriedigung des eigenen politischen Vorfelds genügt.
Man kann es leider nicht vornehmer sagen: Im prosperierenden Stadtteil Rüttenscheid wurde spätestens mit Einführung der Fahrradstraße im Jahr 2020 auf Teufel-komm-raus Ideologie produziert, ohne Rücksicht auf Verluste. Manchmal hat man den Eindruck: Gerade die Tatsache, dass Rüttenscheid in vielerlei Hinsicht noch so gut dasteht, bietet den Anreiz, die Grenzen der Belastbarkeit besonders lustvoll auszutesten.
Die Grünen machen, was sie immer angekündigt haben, doch die CDU blamiert sich gerade nach Kräften
Den Grünen kann man das schlecht vorwerfen. Die Verkehrsmittel-Umerziehung von Erwachsenen gehört zu ihrer politischen Geschäftsgrundlage, und daraus haben sie auch nie ein Hehl gemacht. Alles okay also. Dass aber die Essener CDU, dass Oberbürgermeister Thomas Kufen und Ratsfraktionschef Fabian Schrumpf sich von ihrem kleinen Koalitionspartner am Nasenring durch die Manege ziehen lassen, ist politisch blamabel. Ein paar rhetorische Bußübungen nach dem Motto „Wir würden ja gern anders...“ ändern daran nichts. Im Kommunalwahljahr 2025 kann sich das bitter rächen.
Immerhin: Kommenden Mittwoch, neun Tage nach Einführung der neuen Regeln, will sich die Stadtverwaltung mit Kufen an der Spitze einer Open-Air-Diskussion (ab 13 Uhr, U-Bahn-Aufgang Rüttenscheider Stern) stellen. Keine Minute zu früh, möchte man spotten.
Und zu allem Überfluss gibt es auch noch sinnfreie Umleitungen wegen der Autobahn-Sperrung
Und als ob das alles nicht reichen würde, wird der Großraum südlich der Innenstadt derzeit noch durch sinnfreie Umleitungen im Zuge der aktuellen Sperrungen der A 40 und der A 52 traktiert: Im Autobahn-Stau in die Stadt Essen reinfahren und nach einer Ehrenrunde durch innerstädtischen Stau wieder in die selbe Richtung zurück. Das klingt nicht nur dumm, das ist es auch.
Man fragt sich: Wie kommen die hierfür Verantwortlichen eigentlich dazu, mit der wertvollen Zeit anderer und oft hart arbeitender Menschen derart schludrig und achselzuckend umzugehen?
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