Essen-Rüttenscheid. Junge Menschen bangten um die Zukunft des Jugendhauses in Essen-Rüttenscheid. Aktuell ist es nur Freitag- und Samstagabend geöffnet.

Jahrzehntelang bot das Jugendhaus Emo an der Julienstraße Jugendlichen mehr als nur einen Ort zum Abhängen. Für viele wurde es zum zweiten Zuhause, einem Ort, an dem sie sich sicher fühlen konnten. Weil die beiden Leiter kündigten bzw. in den Ruhestand gingen, kam die Jugendarbeit allerdings im Sommer gänzlich zum Erliegen. Inzwischen sind die beiden Stellen neu besetzt, allerdings nicht mit derselben Stundenzahl wie zuvor. Eine halbe Stelle ist gestrichen worden – und das hat Auswirkungen.

Die Vakanz begann mit der Kündigung von Jürgen Humburg (61), Leiter des Emo, im Frühjahr 2024. 30 Jahre lang hatte er die Rüttenscheider Institution geleitet – und dann wenige Jahre vor der Rente aus Wut auf seinen Arbeitgeber gekündigt. Insgesamt habe er sich von der Evangelischen Kirchengemeinde Rüttenscheid (Trägerin des Emo) nicht unterstützt gefühlt, habe auf Engagement seinerseits keine Rückmeldung erhalten oder sehr lange auf Antworten warten müssen. „Schweigen kann laut und aggressiv werden“, sagt er. „Ich hatte irgendwann keine Kraft mehr.“

Gruppe sammelt fast 500 Unterschriften für den Erhalt des Emo in Essen-Rüttenscheid

Jörg Herrmann, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Rüttenscheid, will über Personalangelegenheiten die Verschwiegenheit bewahren und deshalb keine Details nennen, erklärt aber, dass beide Seiten die Situation offenbar sehr unterschiedlich wahrgenommen hätten. Das Ergebnis blieb gleich: Ende Mai verabschiedete sich Humburg mit einer großen Feier von seiner langjährigen Wirkungsstätte, einen Nachfolger für seine Stelle gab es nicht.

Im Sommer ging dann Gaby Hoffmann, Co-Leiterin des Emo, planmäßig in den Ruhestand. Es gab also niemanden mehr, der im Jugendzentrum Aufsicht führen, geschweige denn Programm organisieren und betreuen konnte. Die Folge: Die Türen blieben zunächst geschlossen. Aus Sorge um den Ort, der für sie jahrelang ein Zuhause gewesen war, formierte sich eine Gruppe an jungen Menschen, denen das Emo am Herzen liegt. Sie richteten sich in einem offenen Brief an die Kirchengemeinde und sammelten fast 500 Unterschriften von Menschen, die sich den Erhalt des Emo und seiner bisherigen Form wünschten.

So kennen sie das Rüttenscheider Jugendhaus Emo aus ihrer eigenen Teenagerzeit: Jan Dopp, Jan Moritz, Mats Stockmann, Ariel Behnke, Hendrik Langer und Fillip David (v.l.) sitzen im offenen Bereich zusammen und tauschen sich aus.
So kennen sie das Rüttenscheider Jugendhaus Emo aus ihrer eigenen Teenagerzeit: Jan Dopp, Jan Moritz, Mats Stockmann, Ariel Behnke, Hendrik Langer und Fillip David (v.l.) sitzen im offenen Bereich zusammen und tauschen sich aus. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Emo in Essen-Rüttenscheid war 50 Stunden pro Woche geöffnet

Zum Programm gehörten ein tägliches, offenes Schülercafé ab 9 Uhr, ein offener Nachmittagsbereich, Schul-AGs, ein Kinder- und Ferienprogramm sowie Konzerte, Poetry-Slams und andere Kulturveranstaltungen. Bemerkenswert waren die langen Öffnungszeiten: 50 Stunden pro Woche waren die Türen des Emo geöffnet, unter der Woche von morgens bis in die späten Abendstunden. Zum Konzept gehörte, dass man quasi jederzeit einfach vorbeikommen konnte. Diese Öffnungszeiten können nun aber nicht beibehalten werden. Denn statt zwei Vollzeitstellen hat die Kirchengemeinde nur noch anderthalb Stellen besetzt.

Jan Moritz (21) gehört zu der Gruppe an jungen Menschen, die ihre Teenagerzeit im Emo verbracht hat und sich dem Jugendhaus bis heute verbunden fühlt. Er erklärt, wie er und seine Mitstreiter sich fühlten, als bekannt wurde, dass Jürgen Humburg gekündigt hatte und es bis dato keinen Nachfolger gab: „Wir hatten Sorge um ‚unseren‘ Raum, weil wir überhaupt nicht wussten, was die Pläne sind. Deshalb wollten wir der Kirchengemeinde verdeutlichen: Hey, das ist uns wichtig, wir möchten wissen, was los ist.“

Sorge ums Emo in Essen-Rüttenscheid: „Für viele war es eine Anlaufstelle“

Bei vielen Gästen sei die Angst umgegangen, dass das Emo gar ganz geschlossen werden könnte, erinnert sich Ariel Behnke (21). „Für viele war das Emo eine Anlaufstelle, wenn sie Schwierigkeiten zu Hause oder in der Schule hatten. Die Öffnungszeiten waren lang, man wusste: Man kann immer hin und ist immer willkommen“, sagt Mats Stockmann (25). Insbesondere der queeren Community habe das Emo einen sicheren Raum geboten. Ariel Behnke ergänzt: „Als Person aus einem einkommensschwachen Haushalt hat man im Café des Emo für wenig Geld etwas zu essen und zu trinken bekommen.“

Die Kirchengemeinden haben schon lange Probleme, junge Menschen zu erreichen. Warum also gerade in der Jugendarbeit Stellen kürzen? Pfarrer Jörg Herrmann und Katrin Thelen, Jugendreferentin der Evangelischen Jugend Essen, äußern sich auf Anfrage in einem Gespräch zu den Hintergründen.

Der bemalte und beklebte Keller des Emo in Essen-Rüttenscheid.
Der bemalte und beklebte Keller des Emo in Essen-Rüttenscheid. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Gemeinde: Aktuelle Finanzierung des Emo nur durch Einsparungen an anderer Stelle möglich

„Wir haben mit sinkenden Mitgliederzahlen und einbrechenden Kirchensteuerzuweisungen zu kämpfen“, erklärt Herrmann. Dazu komme, dass die evangelischen Kirchengemeinden in Essen inzwischen zu sogenannten Gestaltungsräumen mit gemeinsamen Aufgabenfeldern zusammengefasst seien. Rüttenscheid könne also nicht mehr nur für sich alleine entscheiden.

Bleibt dennoch die Frage: Warum wird von allen Bereichen ausgerechnet am Jugendhaus gespart? Die Kosten seien einfach zu hoch, erklären Herrmann und Thelen. „Ich war erstaunt von der hohen Summe, mit der die Gemeinde das Haus unterstützt“, betont Thelen. Jörg Herrmann sagt: 2022 habe der Eigenanteil, mit dem die Evangelische Kirchengemeinde Essen-Rüttenscheid das Jugendzentrum unterstützt habe, bei 125.000 Euro pro Jahr gelegen.

Das sei in der Vergangenheit nur möglich gewesen, weil man an anderer Stelle Kosten eingespart habe, so Herrmann. Zum Beispiel durch die Aufgabe der Versöhnungskirche an der Alfredstraße, wo die Adolphi-Stiftung jetzt ein Wohnprojekt umsetzt, und durch stärkere Unterstützung der Stadt bei den evangelischen Kitas.

Auch das Treppenhaus im Rüttenscheider Jugendzentrum trägt die unverkennbare Handschrift des Emo.
Auch das Treppenhaus im Rüttenscheider Jugendzentrum trägt die unverkennbare Handschrift des Emo. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Öffnungszeiten des Emo in Rüttenscheid sollen neu erarbeitet werden

Langfristig könne man die Summe aber nicht aufbringen, auch angesichts der nötigen Investitionen ins Gebäude, die auf die Gemeinde zukommen könnten. „Das Emo ist ein großes Gebäude, und es ist nicht neu“, erklärt Thelen. „Wir handeln lieber jetzt proaktiv und sparen, damit wir nicht irgendwann sagen müssen: Der Topf ist komplett leer.“ Denn dann drohe tatsächlich die Schließung des Jugendhauses. Deshalb gibt es nun eine halbe Stelle weniger und Pfarrer Jörg Herrmann stellt fest: „Öffnungszeiten von 50 Stunden pro Woche können wir einfach nicht mehr gewährleisten.“

Die Kirchengemeinde hat ab Ende April den Dialog mit den jungen Menschen gesucht, die sich um die Zukunft des Emos sorgen. Zwei von ihnen sind später in den Jugendausschuss berufen worden. Es gab mehrere Treffen, beide Seiten haben sich angenähert. Wie genau die Öffnungszeiten des Emo in Zukunft gestaltet werden, soll laut Kirchengemeinde gemeinsam mit den neuen hauptamtlichen Kräften entschieden werden. Dann wolle man sich genau anschauen, zu welchen Zeiten am meisten Bedarf herrsche. „Das Emo war bisher schon morgens geöffnet. Der Andrang im Schülercafé war bis mittags aber überschaubar“, so Herrmann.

Neue Leitung des Rüttenscheider Jugendhauses Emo ab 1. Januar 2025

Der erste Schritt ist inzwischen getan, die beiden Stellen sind besetzt. Wie Herrmann mitteilt, wird Nadine Filipiak wird ab 1. Januar 2025 die Leitung des Hauses übernehmen. Maya Mock nimmt ihren Dienst als zweite hauptamtliche Mitarbeiterin mit einem Umfang von 20 Wochenstunden ebenfalls zum 1. Januar auf.

In der Zwischenzeit kümmern sich einige der jungen Engagierten mit entsprechenden Qualifikationen (erweitertes Führungszeugnis, Jugendleiterkarte) ehrenamtlich darum, dass das Emo zumindest zweimal pro Woche geöffnet werden kann: donnerstags und freitags jeweils ab 17.30 Uhr. Auch FSJler wolle man im Emo künftig wieder einstellen, sagt Katrin Thelen. Damit sei allerdings erst im Herbst 2025 zu rechnen – dem klassischen Einstellzeitpunkt fürs Freiwillige Soziale Jahr, der in diesem Jahr schon verstrichen ist.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]