Essen-Stoppenberg. Die neue „Indian Culture Connection“ lud hunderte Gäste in eine Essener Kleingartenanlage ein. Warum sogar eine indische Zeitung berichtete.

Eine indische Göttin in einer deutschen Kleingartenanlage. Chicken-Curry aus der Grillhütte. Blütengirlanden neben Warsteiner-Laternen. Der neu gegründete Essener Verein „Indian Culture Connection“ hat zu seinem ersten großen Event geladen: dem Fest „Durga Puja“ zu Ehren einer wichtigen weiblichen Gottheit des Hinduismus.

Fünf Tage lang, vom frühen Vormittag bis zum späten Abend, strömen Gäste aus Essen, aber auch aus umliegenden Städten nach Stoppenberg, um an einem üppig geschmückten Altar zu beten, Ritualen zu folgen, und sich bei einem bunten Programm aus Tanz, Gesang und Lesungen zu amüsieren.

Essener Verein hat riesige Statue der Göttin im indischen Kolkata bestellt

Vorstand des Essener Vereins Indian Culture Connection
Sie haben gemeinsam mit ihren Familien den Verein gegründet (v.l.): Animesh Patra, Debaditya Mukherjee, Abhishek Ghosh, Kaushik Ghosh, Sankar Singha, Uttam Sarkar, Sandip Chakraborty, Tamal Bhattacharjee. © ICC Essen | ICC Essen

Abhishek Ghosh, Vereinsvorstand, ist sehr zufrieden mit der Premiere, wenngleich er den großen Schock kurz vor dem Fest noch nicht ganz verdaut hat. Schon vor Monaten hatte der Verein eine 5,2 Meter hohe und 2,6 Meter breite Statue der Göttin in Auftrag gegeben: im indischen Kumartuli, einem Viertel Kolkatas, das für seine kunstvollen religiösen Töpferarbeiten berühmt ist. Aus Lehm und Fiberglas gefertigt, sollte die Statue sodann per Schiff nach Rotterdam gebracht und anschließend weiter nach Essen transportiert werden. In Rotterdam kam sie an, doch gegen den Zoll, wo sie seitdem festhängt, schien selbst die mächtige Göttin nichts ausrichten zu können. Sogar die lokale Zeitung in Kolkata habe über den Fall berichtet, sagt Abhishek Ghosh und zeigt den Artikel auf seinem Handy. So langsam kann er darüber schmunzeln: Es soll ja weitere Feste geben, so wird die Göttinnen-Statue schon noch zu den Ehren kommen, die ihr gebühren.

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Die Gäste scheinen sich die Stimmung ohnehin nicht von einer niederländischen Behörde trüben lassen zu wollen: In bunten, glitzernden, mit Goldfäden verzierten Gewändern, darüber wegen des deutschen Oktoberwetters die warmen Funktions- und Daunenjacken, stehen sie am Eingang zum Stoppenberger Vereinsheim Schlange, bis drinnen wieder mal ein Platz frei wird.

Eigentlich ist der Raum zu klein für die vielen Gäste, doch etwas Größeres und dabei Bezahlbares ließ sich bisher nicht finden. So bringen nun bemalte Pappteller mit Bildchen und Sprüchen in Sanskrit, ein großes Banner, allerlei Wandschmuck und bunte Beleuchtung ostindisches Flair in das rustikal holzvertäfelte Vereinsheim. Die feierlich gekleideten Männer, Frauen und Kinder sowie die Tänzerinnen, Sängerinnen, Musiker tun ihr Übriges. Wie zum Beispiel die siebenjährige Riona, die gemeinsam mit ihrer Mutter Jasmine Parveen einen traditionellen Tanz zeigt und das Publikum begeistert.

Indische Snacks vom Foodtruck, süßer Tee gegen das kalte Oktoberwetter

Essener Verein Indian Culture Connection feiert Durga Puja
Verschiedene Rituale sind Teil des fünftägigen Festes. © ICC Essen | ICC Essen

Draußen ist ein großes Festzelt aufgebaut, am Foodtruck gibt es indische Snacks, und in der mit weißen Planen verkleideten Grillhütte sorgt das Küchenteam dafür, dass die täglich erwarteten 150 Gäste kulinarisch etwas geboten bekommen. Gegen die Kälte hilft süßer Chai Latte – und, so kitschig es klingen mag, auch die warmherzige Gastfreundschaft. Denn obwohl heute hauptsächlich Familien mit indischen Wurzeln hier feiern, überwiegend Fachkräfte aus der IT-Branche, die für die Arbeit nach Deutschland gezogen sind, sollen die Veranstaltungen künftig explizit auch Menschen anziehen, die weder Bengali sprechen noch hinduistischen Glaubens sind.

Räume und Sponsoren gesucht

Für künftige Veranstaltungen in kleinem oder größerem Rahmen sucht der Verein noch passende Räumlichkeiten, idealerweise mit Küche und per ÖPNV erreichbar, aber auch Sponsoren. Man wolle auch Gäste ohne indische Wurzeln oder Bezüge zum Hinduismus ansprechen, so der Vereinsvorstand. Dafür brauche man aber mehr Platz.

In diesem Jahr haben die Vereinsgründer vieles aus eigener Tasche bezahlt. Teile des Equipments sind Leihgaben anderer Kulturvereine. Um etwa die Kosten für die Verpflegung wieder hereinzubekommen, sind Eintrittskarten verkauft und Spendenboxen aufgestellt worden. Etwaige Gewinne des Festes sollen für bedürftige Menschen in Kolkata gespendet werden.

Weitere Infos und Kontaktmöglichkeiten gibt es auf der Internetseite des Vereins iccessen.de oder über Instagram.

„Wir sind hier mit offenen Armen aufgenommen worden“, sagt Kaushik Ghosh, der nur zufällig den gleichen Nachnamen trägt wie sein Vereinskollege, über seine Ankunft in Deutschland. Er arbeitet als Maschinenbautechniker für ein Hattinger Unternehmen und ist voll des Lobes für seine Arbeitskollegen, seinen Chef, seine deutschen Bekannten. Gemeinsam mit sieben anderen Familien hat er den Verein gegründet. Die Idee sei bei einem Abendessen in seinem Haus entstanden, irgendwann zwischen Weihnachten und Silvester 2023: Man habe in großer Runde zusammengesessen und über Feste und Traditionen gesprochen und irgendwann habe seine Frau gesagt: „Nächstes Jahr organisieren wir das Fest.“

Seit über 30 Jahren werde „Durga Puja“ beispielsweise in Köln groß gefeiert, „aber wir wollten unser eigenes Fest, hier, für alle“. Gesagt, getan: Seine deutsche Arbeitskollegin half ihm bei den Formalitäten für die Vereinsgründung, „ständig habe ich sie angerufen und um Rat gefragt“, und unterstützte schließlich auch bei der Suche nach einem Raum zum Feiern.

Götter haben unterschiedliche Kompetenzen: Hilfe bei Prüfungen und Gehaltsverhandlungen

Indian Culture Connetion Essen
Unter dem Vordach des Stoppenberger Vereinsheims haben die Veranstalter einen kleinen Altar improvisiert. Die große Statue wird erst beim nächsten Fest dabei sein. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Doch was hat es mit diesen Feierlichkeiten nun eigentlich auf sich, Herr Ghosh? Immerhin gehört das Fest „Durga Puja“ in Kolkata sogar zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Kaushik Ghosh zeigt auf das kleine Bildnis, das sie ersatzweise unter dem Vordach des Vereinsheims aufgestellt haben: In der Mitte, das sei die Göttin, „die Mutter“, die mächtige weibliche Hauptfigur des Ganzen, die in dieser Zeit zur Erde komme. Bei sich hat sie ihre Kinder: Sarasvati, eine Wissensgöttin, die man vor einer Prüfung um Hilfe bitte; Lakshmi, die richtige Ansprechpartnerin, „wenn ich mehr Geld von meinem Chef brauche“; Ganesha, der Hindernisse beseitigen könne, etwa wenn es um Geschäfte gehe; und schließlich Karttikeya, eigentlich ein Kriegsgott, oder, wie Kaushik Ghosh es ausdrückt: „Karttikeya ist wie Bruce Willis.“

Im Verlauf des fünftägigen Festes gebe es verschiedene Rituale zu Ehren der Mutter und ihrer Kinder, es würden Gedichte rezitiert, man esse gemeinsam, Familie, Freunde, Bekannte kämen zusammen. „Ein bisschen wie hier an Weihnachten.“ In Kolkata seien während der Feiertage Betriebe und Geschäfte geschlossen.

Am Ende des Festes werde die Statue dort, in Kolkata, übrigens dem Fluss Ganges übergeben, erklärt Ghosh noch. Aber keine Sorge: Das habe man hier mit der Ruhr nicht vor. Stattdessen wird die Göttin bis zum nächsten Fest bei seiner Arbeitskollegin unterkommen. Die ist zwar weder Inderin noch Hindu, hofft aber dennoch insgeheim, dass die Göttin zum Dank über ihr Zuhause wachen wird.

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