Essen. Erregt, emotional, ehrlich oder gelogen: Für Streitfälle unter Nachbarn wird eine Schiedsperson für den Essener Osten gesucht. Mit starken Nerven.
Der Streit am Gartenzaun, schrille Musik oder das laute Liebesleben aus dem Nachbarhaus: In solchen Fällen landen Nachbarn regelmäßig beim Schiedsmann oder der Schiedsfrau. Ob wuchernde Hecken, Lärm, Backpfeifen oder Beleidigungen, die Parteien kommen dann an einem Tisch zusammen – bei den Schiedsleuten Zuhause. Für dieses Ehrenamt sucht die Stadt nun eine Schiedsperson, die bestenfalls bei einer Einigung hilft.
Aufgabe einer Schiedsperson ist es dabei, bei Rechtsstreitigkeiten schlichtend auf die Parteien einzuwirken, damit diese sich außergerichtlich gütlich einigen. Die Zuständigen befassen sich beispielsweise mit Nachbarschaftsstreit und Privatklagedelikten wie Hausfriedensbruch, Beleidigung, Bedrohung, leichte Körperverletzung und Sachbeschädigung. Bei der aktuellen Suche der Stadt Essen geht es um jemanden, der die Streitenden aus Kray, Steele, Freisenbruch, Leithe und Horst an den Tisch holt (Bezirk 7).
Langwierige und teure Gerichtsprozesse lassen sich laut Stadt dadurch oftmals verhindern. Die dort geschlossenen Vergleiche können dann von den Amtsgerichten für vollstreckbar erklärt werden. Endet das Verfahren mit einem Vergleich, gilt dieser 30 Jahre lang. Scheitert es, ist der Klageweg offen. Dann kann es teuer werden, während die Kosten der Verhandlung bei Schiedsleuten, der Vergleich und die Auslagen nur selten 50 Euro übersteigen, so gibt es der Bund Deutscher Schiedsmänner und -frauen an.
Themen können Lüften des Treppenhauses, Parkplatzärger oder Verleumdung sein
Konkret handelt es sich bei den Verhandlungen dann um Fälle wie das Lüften des Treppenhauses, Beleidigung von Schiedsrichtern, Parkplatzärger, Verleumdung, Verletzung des Postgeheimnisses. Häufig tauchen auch Grundstücksfragen auf, wenn es etwa um den Grenzverlauf geht. Wenn Äste etwa in den Nachbargarten herüberhängen, wenn der andere sich dann etwa durch Laub oder einen ungepflegten Eindruck belästigt fühlt, weil der dann auch seinen Bereich betrifft.
Für Schiedsleute gibt es oftmals Klassiker, manchmal Kurioses und immer eine Schweigepflicht. Mitunter geht es auch um Körperverletzung oder Beleidigung, also um Strafrecht oder eben um Fälle des bürgerlichen Rechts. In bestimmten Fällen ist das Schlichtungsverfahren gesetzlich vorgeschrieben: Eine Zivilklage zum Amts- oder Landgericht ist dann erst zulässig, wenn zuvor erfolglos eine Schlichtung versucht wurde.
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Bevor die Streitenden zusammenkommen, gehen Aufnahmegespräch und Ladung voraus. Bei einer Strafsache ist das Erscheinen Pflicht, andernfalls droht Bußgeld. Die anschließende Verhandlung hat dann ihr Ziel erreicht, wenn die Parteien aufeinander zugehen und sich einigen.
Die Streitenden selbst müssen nicht allein erscheinen, sie können mit einem Freund oder auch einem Anwalt kommen. Manchmal wird es laut und emotional, manchmal auch ganz sachlich, gelogen werde auch, erzählte ein früherer Schiedsmann von seinen Erfahrungen am Küchentisch. Mit all dem müssen Schiedsleute umgehen können.
Welche Voraussetzungen bestehen, wenn jemand das Schiedsamt übernehmen möchte?
Schiedsperson kann werden, wer das 25. Lebensjahr vollendet hat, nicht älter als 75 Jahre ist, in dem zuständigen Schiedsamtsbezirk wohnt und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter (Vorlage eines Führungszeugnisses) besitzt. Sie wird für fünf Jahre von der jeweils zuständigen Bezirksvertretung gewählt (Rechtsgrundlage: Schiedsamtsgesetz NRW).
Wo müssen Interessierte ihre Bewerbung bei der Stadt Essen einreichen?
Bewerbungen laufen über das Rechtsamt der Stadt Essen, das die verwaltungstechnische Vorarbeit leistet. Das jeweils zuständige Amtsgericht prüft die Rechtmäßigkeit der Wahl, vereidigt die neu gewählte Schiedsperson und führt die Dienstaufsicht. Die Stadt Essen trägt die Sachkosten des Schiedsamtes.
Einige Schiedsleute haben dieses Amt in Essen über Jahrzehnte bekleidet, brachten eine gewisse Gelassenheit, Menschenkenntnis und auch Durchsetzungsvermögen mit. Den streitenden Parteien haben sie erregte Situationen zugestanden, haben manchmal über die Ursache des Streits den Kopf geschüttelt. Familienväter baten vor den Verhandlungen ihre Familie, das Haus zu verlassen, manche wurden mitunter beim Einkaufen in ihrem Quartier mehr als Schiedsperson denn als Nachbar wahrgenommen – all diese Erfahrungen gehören dazu.
Weitere Informationen und Auskünfte finden Interessierte beim BDS (Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen) unter www.schiedsamt.de oder bei den Mitarbeitenden im städtischen Rechtsamt: 0201 88-30310.
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