Essen. Familie Alsoudi wohnt in dem Haus an der Zollvereinstraße, in dem der Täter Feuer legte. Auf sie hatte er es unter anderem abgesehen.

Drei Tage nach den Brandanschlägen im Essener Norden lichtet sich langsam der Nebel; nach und nach deutet sich an, warum der mutmaßliche Täter, ein 41-jähriger syrischer Staatsbürger, Feuer legte, und gegen wen sich seine Wut richtete. Zumindest gilt dies für den Brand, der am Samstagnachmittag in einem Mehrfamilienhaus an der Zollvereinstraße ausbrach.

Wessam Alsoudi wohnt mit seiner Frau und den fünf gemeinsamen Kindern in dem Haus an der Zollvereinstraße 64, im Erdgeschoss unten rechts. Auf die Familie, die aus Syrien stammt, hatte es der mutmaßliche Brandstifter offenbar abgesehen. Er kenne ihn schon seit vielen Jahren, aus einer gemeinsamen Zeit in Gummersbach, bevor die Familien nach Essen zogen, berichtet Wessam Alsoudi.

Der mutmaßliche Brandstifter war 2015 nach Deutschland eingereist, bevor er 2016 nach Essen kam, soll er an verschiedenen anderen Orten gelebt habe. Seit Mitte 2021 genießt er subsidären Schutz; damit darf er in Deutschland bleiben, weil ihm in seiner Heimat Schaden droht.

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Die Familien wohnten in derselben Nachbarschaft im Essener Norden

In der Siedlung an der Zollvereinstraße lebten beide Familien in derselben Nachbarschaft. Vor drei Jahren soll die Frau den heute 41-Jährigen mit den gemeinsamen Kindern verlassen haben, berichten Nachbarn. Die Frau lebt nach Informationen der Redaktion mit den Kindern in einem Frauenhaus in einer anderen Stadt.

„Meine Mutter hatte noch Kontakt zu der Frau“, berichtet Mohamed Alsoudi (17), der älteste Sohn von Wessam Alsoudi. Möglicherweise liegt darin die Antwort auf die Frage, warum der 41-Jährige seine Wut gegen die ihm bekannte Familie richtete. Diese sei seit etwa immer wieder von ihm bedroht worden, erzählt Mohamed Alsoudi. Mehrfach habe man deshalb bei der Polizei Anzeige erstattet.

Das Mehrfamilienhaus in der Siedlung an der Zollvereinstraße istnach dem Brandanschlag vorerst unbewohnbar.
Das Mehrfamilienhaus in der Siedlung an der Zollvereinstraße istnach dem Brandanschlag vorerst unbewohnbar. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Auch ein Nachbar hatte zuvor bereits von Drohungen berichtet, immer wieder sei der mutmaßliche Täter vor dem Haus aufgetaucht, sogar bewaffnet mit einem Messer.

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Am späten Samstagnachmittag wummert es plötzlich an der Wohnungstür der Alsoudis. Vor der Tür steht der mutmaßliche Brandstifter; Nachbarn hatten beobachtet, wie er das Haus betrat. „Mein kleiner Bruder wollte schon öffnen“, erzählt Mohamend Alsoudi. Weil der Türspion offenbar von außen verdeckt wurde, man also nicht sehen konnte, wer Einlass forderte, habe seine Mutter dies verhindert.

Kurz darauf sei die Wohnungstür in Flammen aufgegangen. Die Nachbarin, die in der Wohnung gegenüber wohnt, habe gesehen, wie der Täter Benzin aus einem Kanister ausgeschüttet und entzündet hat.

Der Brandstifter suchte das Weite. Mit seinem Kleinbus raste er nach Katernberg, wo er weitere Anschläge verübte, diesmal auf zwei Gemüseläden. Zuvor hatte er in einem Mehrfamilienhaus an der Altenessener Straße/Ecke Pielsticker Straße Feuer gelegt.

Aus dem brennenden Haus an der Zollvereinstraße konnte Wessam Alsoudi mit seiner Frau und vier Kindern über den Balkon flüchten. Der gemeinsame 15-jährige Sohn war glücklicherweise nicht Zuhause. Andere Hausbewohner schafften es ebenfalls ins Freie oder wurden von Nachbarn unter Lebensgefahr gerettet.

Nachbarn schildern den mutmaßlichen Täter mal als freundlich, mal als aggressiv

Warum rastete der Täter aus? Vom Tatort wohnt er nur wenige Straßen entfernt. Nachbarn beschreiben ihn dort als zurückgezogenen Einzelgänger. Zu Kindern sei er meist freundlich gewesen, berichtet eine Frau aus dem Haus nebenan. Zuweilen habe er aber auch aggressiv gewirkt. Ganz geheuer war der Mann seinen Nachbarn offenbar nicht.

Schon am Sonntag, einen Tag nach der Gewaltorgie, hatte Innenminister Herbert Reul erste Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden öffentlich gemacht: Der Mann sei offenbar nicht darüber hinweggekommen, dass seine Frau sich von ihm getrennt hatte. Auch Nachbarn legen diesen Verdacht nahe. Wie zu hören ist, soll seine Frau einen neuen Partner haben. Dieser soll ihm jeden Kontakt zu seinen Kindern untersagt haben. „Er dachte, seine Frau ist bei uns“, sagt Wessam Alsoudi. Deshalb habe er Feuer im Haus an der Zollvereinstraße gelegt.

Das Mehrfamilienhaus ist vorerst unbewohnbar. Am Dienstag machte sich ein Brandsachverständiger vor Ort ein Bild. Die Alsoudis sind mit anderen Hausbewohnern in einem Hotel nahe der Innenstadt untergekommen und fragen sich, wie lange sie dort bleiben werden.

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