Essen. Unternehmen sollen trotz Haushaltskrise weniger Steuern zahlen. Warum deren Vertreter dennoch nur von „einem Signal“ reden, das die Stadt sendet.
Es ist faktisch ein historischer Schritt: Die Stadt Essen senkt erstmals seit fast drei Jahrzehnten die Gewerbesteuer. Noch dazu in einer Phase, in der sich die finanzielle Lage der Kommune wieder stark eingetrübt hat und ein ausgeglichener Haushalt 2025/2026 wohl nur mit großer Mühe zustande kommt.
Jubel über die Steuersenkung bricht in der Wirtschaft dennoch nicht aus, die Reaktionen sind verhalten. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV), Ulrich Kanders, auf Nachfrage. Aber Hurraschreie könne man angesichts der Höhe der geplanten Senkung nun auch nicht erwarten. Diese falle allenfalls marginal ins Gewicht, so Kanders.
Tatsächlich kann man eher von homöopathischen Dosen sprechen, um die die Essener Unternehmen entlastet werden sollen. Die Stadt will den für die Berechnung der Steuer entscheidenden Hebesatz ab dem Jahr 2026 jährlich um einen Punkt von jetzt 480 Prozent auf 475 Prozent im Jahr 2030 senken. Mit diesem Hebesatz mag Essen zwar im Ruhrgebiet konkurrenzfähig sein, bundesweit aber liegt er noch immer deutlich über dem Durchschnitt von 435 Prozent.
IHK: Steuersenkung bringt ab 2030 fünf Millionen Euro Entlastung pro Jahr
Die Gewerbesteuer wird jährlich auf Gewinne der Unternehmen fällig. Sie ist die wichtigste Einnahmequelle einer Kommune, aber auch schwer vorab zu kalkulieren, denn sie schwankt mitunter stark. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) kann daher nur schätzen, was ein Punkt weniger Hebesatz für die Essener Unternehmen in Zukunft bedeutet. „Wir rechnen mit jeweils gut einer Million Euro Entlastung für die Wirtschaft pro Schritt - insgesamt also mit fünf Millionen Euro jährlich ab 2030. Am Ende beträgt die Entlastung etwa ein Prozent der gesamten Gewerbesteuerlast der Essener Wirtschaft“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß.
„Das ist zwar nicht die Welt“, sagt auch sie, und doch setze die Stadt Essen trotz ihrer angespannten Haushaltslage ein Signal, „das in diesen für die Unternehmen extrem belastenden Zeiten sehr willkommen ist“. Auch Kanders will das Zeichen nicht verkennen. Gerade für Unternehmen, die sich in Essen neu ansiedeln wollen, könnte dies ein Fingerzeig für Verlässlichkeit sein, nämlich dass die Steuer trotz angespannter Haushaltslage in der nächsten Zeit nicht steigen wird.
Kämmerer plant neue Betten- und höhere Vergnügungssteuer
Um dennoch einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hat Kämmerer Gerhard Grabenkamp einen Sparkurs auf breiter Front angekündigt. Ganz ohne Steuererhöhungen wird es aber auch nicht gehen. Essen führt eine Bettensteuer ein und auch die Vergnügungssteuer steigt. Kanders nennt das die richtigen Stellschrauben, an denen die Stadt dreht.
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Die aktuelle Haushaltslage sieht der EUV-Chef mit großer Sorge. „Essen ist mit Blick auf die Verschuldung nicht aus dem Gröbsten raus.“ Und bleiben Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, Bildung oder die Verkehrsinfrastruktur aus, dann trifft das auch den Wirtschaftsstandort. Für hoch verschuldete Kommunen wie Essen sei daher eine Altschuldenregelung dringend. Kanders lobte daher einen entsprechenden Vorstoß der Landesregierung. Auch der Bund müsse dabei mithelfen, fordert Kanders. Essen brauche diese Entlastung, um den Haushalt nachhaltig konsolidieren zu können. Allerdings gab es jüngst dazu keine hoffnungsvollen Signale aus Berlin.
Während Stadt und kommunale Politik auf den Altenschuldenerlass lediglich hoffen können, wünscht sich der Essener Unternehmensverband wieder mehr Austausch, um den Wirtschaftsstandort voranzubringen. Als gutes Beispiel nennt er die monatlichen Runden während der Corona-Zeit. Die Gespräche zwischen der Stadtspitze und Vertretern der Wirtschaft seien eine gute Plattform gewesen. Neben dem EUV nahmen unter anderem die IHK, der Handelsverband, die Kreishandwerkerschaft und der Hotel- und Gaststättenverband teil. „Das waren immer interessante Runden, die leider keine Fortsetzung gefunden haben“, bedauert Kanders.
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