Essen. Eine Expertin erklärt, warum es schwierig wird, die Kanadagänse in Essen loszuwerden. Tatenlos muss die Stadt der Plage aber nicht zusehen.
Im Essener Universitätsviertel sind sie eine Plage, auch im Grugapark und in den Ruhrwiesen trifft man sie in Scharen an. Die Rede ist von Kanada- und Nilgänsen. Im Uni-Viertel sind jüngst mehrere Exemplare verendet. Als Ursache hat die Stadt eine Vergiftung durch Bakterien ausgemacht. Hervorgerufen worden sei diese durch die schlechte Wasserqualität, bedingt durch hohe Temperaturen, einen niedrigen Wasserstand und die Verschmutzung durch Abfälle und Gänsekot.
Einmal mehr wird deshalb die Frage diskutiert: Wie lässt sich die Gänsepopulation erfolgreich eindämmen? Die Ornithologin Christine Kowallik von der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet gibt darauf eine ernüchternde Antwort: „Wir werden die Gänse nicht los. Wir werden weiter mit ihnen leben müssen.“ Tatenlos muss die Stadt aber nicht zusehen, wie die Tiere Parks und Grünflächen erobern.
Gänse bevorzugen das kurz gemähte Gras im Essener Uni-Viertel, da es sehr nährstoffreich ist
Im Essener Universitätsviertel finden Gänse ideale Lebensbedingungen vor. „Das Gras ist kurz gemäht und dadurch sehr nährstoffreich“, erläutert Christine Kowallik. Die Gänse können sich daran satt essen. Auch finden sie Essensreste. „Das Pommes nehmen sie gerne mit“, sagt die Ornithologin. Entscheidend sei dies aber nicht. Gleichwohl sei es sinnvoll, die Tiere nicht auch noch zu füttern.
Die Tiere brüten zudem gerne auf Inseln, die sie in den Wasserbecken der Grünanlage vorfinden. „Landschaftsplaner haben offenbar ein Faible für künstliche Inseln“, sagt Christine Kowallik. Künstliche Inseln böten Gänsen und ihrem Nachwuchs aber Schutz, denn ihr natürlicher Feind, der Fuchs, sei wasserscheu.
Die künstlichen Inseln im Universitätsviertel hat Grün und Gruga schon vor einigen Jahren mit Draht umspannt, damit sie als Brutplatz ausfallen. Dennoch bevölkern nach wie vor Dutzende Gänse die Grünanlage und verschmutzen den Park, der ein städtebauliches Vorzeigeprojekt sein soll. Aus den Reihen der Politik wurde deshalb der Ruf laut, die Tiere zu schießen. Ein Vorstoß in diese Richtung von FDP, Essener Bürgerbündnis und AfD lief allerdings ins Leere, im Stadtrat fand sich dafür keine Mehrheit.
Die Essener Jagdgenossenschaft stuft das Universitätsviertel als nicht bejagbar ein
Im Uni-Viertel ist die Jagd verboten, die Grünanlage wurde 2015 von der Essener Jagdgenossenschaft als nicht bejagbare Fläche eingestuft. Der Grund: Tiere dort zu schießen, wäre schlicht zu gefährlich. „Ich würde das Risiko nicht eingehen“, sagt der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Essen, Sebastian Hauwand.
Andernorts werden Gänse gejagt, auf landwirtschaftlichen Flächen im Essener Süden und auch im Krupp-Park. „Wir schießen Gänse mit drei Millimeter starkem Schrot“, erläutert Sebastian Hauwand. Der Gefahrenbereich betrage 300 Meter. Ein Schuss sei tödlich, nicht nur für Gänse. Die Alternative wäre der gezielte Schuss mit Kleinkalibermunition. Doch fliegen die Geschosse noch viel weiter, Querschläger seien ein unkalkulierbares Risiko, betont Hauwand.
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In einer umzäunten Parkanlage wie dem Grugapark wäre eine Gänsejagd dagegen möglich, sofern die Behörden dies in dem als „befriedeten Bezirk“ definierten Park gestatten. Als sich die Parkleitung vor einigen Jahren dazu entschloss, Gänse schießen zu lassen, marschierten Tierschützer mit Protestplakaten auf, offenbar gut organisiert und auch aus anderen Städten herbeigerufen. Die Hysterie ging so weit, dass Mitarbeiter von Grün und Gruga Morddrohungen bekamen. Die Parkleitung blies die Jagd daraufhin ab.
Das Entnehmen von Eiern aus den Nestern der Gänse bringt keinen langfristigen Erfolg
Durch eine großflächige Bejagung ließe sich die Population zwar eindämmen, sagt Christine Kowallik, gibt aber zu bedenken: Werden Gänse nur auf einigen Flächen bejagt, flüchten sie dorthin, wo sie sicher sind. „Dann hat man sie vielleicht dort, wo man sie gar nicht haben will.“ Soll heißen: Würden sie im Grugapark bejagt, fänden sie womöglich ausgerechnet im Uni-Viertel einen Rückzugsort. Bereits heute sei die Bejagung außerhalb der Siedlungsbereiche einer der wichtigsten Gründe, warum sich die Gänse in die Parks zurückziehen.
In Duisburg versucht man die Verbreitung der ungeliebten Gänse einzudämmen, in dem man ihren Nestern Eier entnimmt. Der Aufwand sei hoch, der Effekt aber nicht nachhaltig, sagt Kowallik. Gänse legen bis zu acht Eier und können bei Verlust der Eier ein Nachgelege produzieren, damit gleichen sie geringe Bruterfolge spätestens im nächsten Jahr wieder aus.
Waschbären könnten für die Gänse auch in der Stadt zu einer Gefahr werden
Eindämmen lässt sich eine Gänsepopulation nach Einschätzung der Ornithologin, in dem man ihnen den Aufenthalt unattraktiv macht. Gänse bevorzugen kurzes Gras, weil es mehr Nährstoffe bietet. Statt es immer wieder zu mähen, sollte man es wachsen lassen. Im Uni-Viertel will Grün und Gruga Blumenwiesen anlegen. Jungvögeln ließe sich der Weg zum Wasser durch das Pflanzen dichter Hecken verbauen. Die Vergrämung von den problematischen Flächen könne aber nur dann funktionieren, wenn den Tieren alternativ ebenso attraktive Flächen zur Verfügung stünden.
„Möglicherweise hat sich das Problem in zehn Jahren erledigt, weil der Waschbär alle Nester plündert und im Gegensatz zum Fuchs auch zu den Inseln schwimmt“, sagt Kowallik. Waschbären wagen sich in Städten immer öfter auch in dicht besiedelte Quartiere vor, weil sie dort Nahrung suchen und finden. In Berlin seien sie bereits eine Plage.
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