Essen-Holsterhausen. Ahmad Shipley kam aus Syrien nach Deutschland und übernahm eine Essener Apotheke. Um die Branche macht er sich Sorgen – und investiert trotzdem.

Ahmad Shipley hat 2023 die alteingesessene Holsterhauser Apotheke von seiner Vorgängerin Anke Wiesenewsky übernommen. Seitdem hat sich dort einiges getan. Der 34-Jährige, der 2015 nach Deutschland gekommen ist und nun mit seiner Frau in Holsterhausen lebt, hat die Apotheke umbauen und modernisieren lassen – in Zeiten, die er als „die schlimmsten“ für Apotheken bezeichnet.

Beim Führungswechsel Anfang Oktober 2023 sei seine Priorität zunächst gewesen, anzukommen und das Team kennenzulernen, berichtet Shipley. Relativ schnell sei ihm klar geworden, dass die Apotheke digitalisiert und modernisiert werden müsse. Denn: „Der letzte Umbau war 1996.“

Essener setzt auf neuen Automaten für die Medikamente

Im März ging es dann los. Jetzt hat die Apotheke einen verkleinerten automatisierten Bereich, in dem die Medikamente gelagert und bei Computereingabe herausgegeben werden. So bleibt mehr Platz fürs Bedienen und Beraten der Kunden im modernisierten Verkaufsraum. Ein separater Beratungsraum soll noch dazukommen.

Die Holsterhauser Apotheke gibt es seit 1931. 2023 übernahm sie Ahmad Shipley.
Die Holsterhauser Apotheke gibt es seit 1931. 2023 übernahm sie Ahmad Shipley. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

„Früher hatten wir eine Lagerverwaltung mit Schubladen“, erklärt Shipley. Da hätten Mitarbeiterin oder Mitarbeiter erst einmal losziehen und das Medikament in der Schublade suchen müssen. Nun erkenne das System das auf der Versichertenkarte gespeicherte E-Rezept und der Automat transportiere das Arzneimittel in zwei bis drei Minuten zum Ausgabe-Terminal. „Es in der Schublade zu suchen, dauerte doppelt so lange“, so Shipley.

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In der Essener Apotheke können jetzt mehr Medikamente gelagert werden

Die gewonnene Zeit könne man ins Gespräch mit den Kundinnen und Kunden investieren. Außerdem könne man das Sortiment mit dem Automaten besser verwalten. Er sortiere die Medikamente aus, die nicht mehr ausreichend haltbar sind, und erfasse, was oft oder weniger oft verkauft wird. Auf dieser Basis schlage er zum Beispiel vor, ein stark nachgefragtes Medikament öfter zu bestellen. Zu guter Letzt sei jetzt mehr Lagerplatz vorhanden, vorher habe man 4200 Packungen vorrätig gehabt, nun 5200.

Ahmad Shipley mit seinem Team in Essen-Holsterhausen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenzulernen, sei seine erste Priorität gewesen, sagt er.
Ahmad Shipley mit seinem Team in Essen-Holsterhausen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenzulernen, sei seine erste Priorität gewesen, sagt er. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Neu ist auch der 24-Stunden-Automat vor der Apotheke. Patientinnen und Patienten können damit ihre bestellten Medikamente auch außerhalb der Öffnungszeiten abholen. Der Kunde bekommt einen Abholschein mit einem QR-Code, mit dem er entscheiden kann, ob er die Bestellung in der Apotheke oder an der Abholstation abholt. Online-Käufe können auch an der Pick-up-Station abgeholt werden, der Kunde bekommt den Code dann per Mail.

Essener: „Apotheke muss wettbewerbsfähig und attraktiv bleiben“

So könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uniklinik beispielsweise noch Medikamente nach ihrer Spätschicht abholen, beschreibt Shipley. Außerdem könnten die Angestellten der Apotheke so zu Stoßzeiten entlastet werden und Kunden müssten zu diesen Zeiten nicht lange warten, um ihr Arzneimittel zu bekommen. Wichtig sei aber: „Die Medikamente bekommt man nur, wenn vorher eine Beratung stattgefunden hat.“

Ahmad Shipley zeigt die neue Pick-up-Station seiner Apotheke in Essen-Holsterhausen.
Ahmad Shipley zeigt die neue Pick-up-Station seiner Apotheke in Essen-Holsterhausen. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Insgesamt hat Shipley nach eigenen Angaben einen sechsstelligen Betrag in die Modernisierung seiner Apotheke gesteckt. „Eine Apotheke muss sich anpassen, wettbewerbsfähig und attraktiv bleiben“, sagt er. „Ich habe Hoffnung für unseren Beruf.“ Doch die Zeiten für Apothekerinnen und Apotheker seien denkbar schwer.

BHG-Urteil macht es Apotheken schwerer, ihren Gewinn zu steigern

„Apotheker sind selbstständig, müssen also wirtschaftlich einkaufen und verkaufen“, so Shipley. „Gleichzeitig haben wir aber wenig kaufmännische Instrumente zur Verfügung.“ Die jüngste Verschärfung gab es im Februar 2024: Da hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass gesetzliche Preisuntergrenzen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch den pharmazeutischen Großhandel nicht unterschritten werden dürfen.

Der gewährte Nach­lass an die Apotheke darf nicht über die gesetzliche Spanne von 3,15 Prozent hinausgehen, die der Her­steller dem Großhändler einräumt. Heißt: Der Großhändler darf den Rabatt gewähren, den er selbst erhält. Im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verlieren die Apotheken damit eine Möglichkeit, über die Aushandlung besserer Konditionen ihren Gewinn zu steigern.

Betriebsergebnis der durchschnittlichen Apotheke in Deutschland sank 2023

Das ist insbesondere relevant, weil die Preisbildung von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die durchschnittlich circa 80 Prozent des Umsatzes ausmachen, gesetzlich vorgeschrieben ist. Auf den Einkaufspreis werden 3 Prozent plus 8,35 Euro aufgeschlagen. Von diesem Packungshonorar werden aber gleich wieder 2 Euro Zwangsrabatt an die gesetzlichen Krankenkassen abgezogen. Diese Preisregelung ist seit über 10 Jahren nicht angepasst worden.

Laut Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) erwirtschaftete die durchschnittliche Apotheke im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 3,440 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung, aber das steuerliche Betriebsergebnis sank dennoch auf ein Langzeittief von 4,3 Prozent. Das liegt laut ABDA vor allem an steigenden Personal- und Sachkosten. 10 Prozent der Apotheken schreiben laut ABDA inzwischen rote Zahlen. Weitere 24 Prozent hätten Betriebsergebnisse, die dauerhaft kaum tragfähig seien.

Essener Apotheker berichtet von Lieferengpässen

Ahmad Shipley sieht vor allem die kleinen Apotheken in ihrer Existenz gefährdet. Der ABDA-Apothekenwirtschaftsbericht aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Apothekendichte in Deutschland bereits gesunken ist. So gab es 2012 noch 26 Apotheken pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, 2016 dann nur noch 24, 2020 23 und 2023 schließlich 21. Essen hat NRW-weit von 2012 bis 2022 die meisten Apotheken verloren. „Die Arbeitsbelastung bei den verbliebenen Apotheken ist gestiegen“, sagte Hanno Höhn, der sich in Essen für den Apothekerverband als Sprecher engagiert, im Juli im Gespräch mit dieser Redaktion.

Ahmad Shipley hat noch weitere Sorgen. Fachkräftemangel und Lieferengpässe gehören dazu. „Im vergangenen Winter waren bestimmte Antibiotika zum Beispiel kaum verfügbar“, berichtet er. Nichtsdestotrotz glaubt er an die Zukunft seines Berufsstandes und seiner Apotheke. Besonders wegen des Kontaktes mit den Stammkunden schätze er den Apothekerjob. „Die zeigen jeden Tag, dass sie uns gegenüber großen Versandapotheken bevorzugen“, sagt der 34-Jährige. Denn auch die machten den kleinen Apotheken Konkurrenz, vor allem im Bereich der freiverkäuflichen Medikamente, wo sie große Mengen verkaufen könnten.

Entscheidend für den Erfolg sei eine gute Beratung, betont Shipley. Deshalb habe er so viel in seine Apotheke investiert: „Ich bin motiviert und mir macht es Spaß, die Apotheke so zu gestalten, dass sie für Kunden attraktiv ist.“

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