Essen. Die Stadt verwirft die Idee, alle Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Dabei wäre dies sinnvoll, sagt Sozialdezernent Renzel.

Der Landkreis Greiz in Thüringen hat mit seiner Ankündigung, eine Arbeitspflicht für Asylbewerber einzuführen, die Debatte in dieser Woche neu entfacht. Auch die Stadt Essen wollte eine solche Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit für alle Asylbewerber prüfen, hat die Pläne aber mittlerweile verworfen. Sozialdezernent Peter Renzel, der zwar große Sympathien für eine solche Arbeitspflicht hegt, begründet dies mit zu hohen Kosten, die die Stadt Essen nicht aufbringen kann. „Wir sind finanziell hierfür auf Bund und Land als Gesetzgeber angewiesen“, sagte er.

Damit der Bund die Kosten übernimmt, müsste zunächst das Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend geändert werden. An einen solchen Vorstoß glaubt Renzel angesichts des laufenden Haushaltsstreits in der Berliner Ampelkoalition derzeit jedoch nicht. Deshalb verfolge er eine Ausweitung der Arbeitspflicht für Asylbewerber nicht weiter.

Gesetz erlaubt Arbeitspflicht für Asylbewerber

Rein rechtlich können Asylbewerber und Geduldete in Flüchtlingsunterkünften und auch außerhalb solcher Einrichtungen zur Gemeinwohlarbeit herangezogen werden. Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf 5: „Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.“ Für gemeinnützige Tätigkeiten wie zum Beispiel Grünpflege oder Reinigungsdienste bekommen Asylbewerber 80 Cent pro Stunde. In den städtischen Flüchtlingsheimen praktiziert Essen dies bereits. Dort leisten Bewohner laut Renzel „seit vielen Jahren“ gemeinnützige Arbeit. Angeleitet und betreut werden sie vom jeweiligen Betreiber der Unterkunft.

Peter Renzel, Stadtdirektor und Sozialdezernet der Stadt Essen. Renzel würde gern mehr Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten, allerdings fehlt das Geld dafür.
Peter Renzel, Stadtdirektor und Sozialdezernet der Stadt Essen. Renzel würde gern mehr Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten, allerdings fehlt das Geld dafür. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Allerdings sind die tatsächlichen Zahlen überschaubar: Zurzeit sind gerade einmal 30 Asylbewerber in der Gemeinwohlarbeit dort tätig. Renzel will zwar, dass dies mehr werden. Allerdings sind dem vielfach auch Grenzen gesetzt, wie die folgende Übersicht zeigt:

Nur wenige Asylbewerber in Essen leisten derzeit Gemeinwohlarbeit

968 Personen leben momentan in den Essener Flüchtlingsheimen. Davon kommen 577 Menschen und damit der überwiegende Teil aus der Ukraine. Die Ukrainer fallen jedoch nicht unter das Asylgesetz, sondern bekommen Bürgergeld und werden somit vom Jobcenter betreut. Renzel räumt ein, dass eine unterschiedliche Behandlung von Geflüchteten aus der Ukraine und denen aus anderen Herkunftsländern in den Einrichtungen „nicht ganz unproblematisch“ ist, also zu Spannungen führen könnte.

Zieht man die Ukrainer ab, so sind 391 Personen aus anderen Ländern in den städtischen Unterkünften untergebracht. Sie stammen zum großen Teil aus Syrien, aus dem Irak und Afghanistan. Viele von ihnen sind zu jung, gehen zur Schule oder machen Integrationskurse. So bleiben theoretisch rund 270 Geflüchtete als Zielgruppe übrig. Doch bei rund einem Drittel ist eine Vermittlung in Arbeitsgelegenheiten schwierig, sei es aus gesundheitlichen oder familiären Gründen, zum Beispiel, wenn Frauen kleine Kinder haben.

Unterm Strich hat Renzel lediglich eine Gruppe von etwa 180 Asylbewerbern ausgemacht, die in den Essener Flüchtlingsheimen leben und zur Gemeinwohlarbeit verpflichtet werden könnten. Wie viele erwerbsfähige Asylbewerber und Geduldete es außerhalb der städtischen Einrichtungen wären, kann Renzel nicht genau beziffern, er schätzt ihre Zahl auf mehrere hundert.

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Um für diese ebenfalls eine Arbeitspflicht einzuführen, müsste die Stadt den jeweiligen Trägern der Maßnahme die Kosten für Anleitung, Betreuung, ggf. Dolmetscher, Material etc. bezahlen. Das ginge in die Millionen, wie Erfahrungen aus dem Jobcenter zeigen: Für Arbeitsgelegenheiten, die Bürgergeld-Empfänger leisten, zahlt die Behörde aus ihrem Eingliederungsbudget 7440 Euro pro Kopf und Jahr. Ohne Geld vom Bund ist eine Arbeitspflicht für Asylbewerber nicht leistbar, sagt Renzel.

Stadt Essen hält Arbeitspflicht für Asylbewerber für sinnvoll

Dabei sieht der Sozialdezernent viele Vorteile in einer solchen Verpflichtung: Sie würde allen „erwerbsfähigen“ Asylbewerbern und Geduldeten, die nicht mehr in Integrationskursen sind, eine sinnvolle Tagesstruktur geben und Begegnungsmöglichkeiten in der Stadtgesellschaft organisieren. Auch könnte die Gemeinwohlarbeit helfen, besser die deutsche Sprache im Alltag zu erlernen.

Für die Betroffenen dauere es außerdem oft lange, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Die Zeit bis die Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung und/oder eine Arbeitserlaubnis bekommen, könnte so schon sinnvoll genutzt werden, um sie fit für den Arbeitsmarkt zu machen. „Das wäre ein echter Jobturbo“, sagt Renzel und nimmt damit Bezug auf die jüngste Initiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, Flüchtlinge schneller in einen Job zu bringen.

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