Essen. Rechte Parolen beim Ruhr Pride in der Innenstadt. In Frintrop verschwindet ein Symbol für Diversität vor einer Kirche - nicht zum ersten Mal.

Der so friedliche wie bunte Ruhr Pride am Wochenende in Essen ist von zwei Zwischenfällen überschattet worden: Während des Umzugs der rund 6000 Menschen in der Innenstadt soll eine Gruppe junger Neonazis rechte Parolen gegrölt haben. Und in Frintrop wurde eine Regenbogenfahne vor der Pfarrkirche St. Josef abgerissen - zum wiederholten Mal. Die Polizei ermittelt.

Wie deren Sprecher Hendrik Heyer am Montag berichtete, war Einsatzkräften eine etwa 20-köpfige Gruppe Jugendlicher aufgefallen, die schwarze Kleidung, teilweise Springerstiefel und Glatze trugen, als sie sich während der früher Christopher Street Day (CSD) genannten Veranstaltung am Hauptbahnhof sammelte. Um eine Konfrontation mit den Demo-Teilnehmern zu vermeiden, erteilten Beamte Platzverweise.

Wenig später tauchten die mutmaßlichen Rechtsextremen dann in der Nähe des Ruhr Pride auf. Nach Angaben von Zeugen sollen sie „Hier kommt die deutsche Jugend“ gegrölt haben. Zu einer direkten Konfrontation mit den Party-Gängern auf dem Kennedyplatz kam es nach Erkenntnissen der Polizei nicht.

Die Jugendlichen gaben Fersengeld

Als die Gruppe bemerkte, dass Einsatzkräfte sie erneut im Visier hatten, gaben sie Fersengeld. 14 Beteiligte konnten von den Beamten nach kurzer Flucht gestellt werden. Da gegen zwei von ihnen bereits am Hauptbahnhof Platzverweise ausgesprochen worden waren, die sie offensichtlich missachtet hatten, landeten sie im Gewahrsam. Als sich herausstellte, dass es sich bei den beiden um Minderjährige handelte, wurden sie wieder entlassen und ihren Erziehungsberechtigten übergeben, so Heyer. Nicht bekannt ist, ob die Jugendlichen durch mutmaßlich politisch motivierte Delikte schon einmal aufgefallen sind.

Ein solch rechtsextremer Kontext ist nach dem neuerlichen Vorfall an der Pfarrkirche St. Josef an der Straße Himmelpforten in Frintrop nicht auszuschließen: In zumindest zeitlicher Nähe zum Ruhr Pride am Samstag wurde eine gehisste Regenbogenfahne abgerissen. Die Gemeinde will in den nächsten Tagen Strafanzeige gegen Unbekannt stellen, sagte Arnd Brechmann, der vor über drei Jahren als Gemeinderatsmitglied den Antrag gestellt hatte, an allen vier Kirchen der Pfarrei, St. Josef, St. Paulus, St. Antonius-Abbas und St. Franziskus Regenbogenfahnen aufzuziehen - als weithin sichtbare Antwort auf ein damaliges Schreiben der Glaubenskongregation im römischen Vatikan, das gleichgeschlechtliche Paare vom kirchlichen Segen ausschließt.

Ohne Gegenstimme folgte der Pfarrgemeinderat diesem Vorstoß, um danach zu erklären:. „Die Fahne ist Symbol für Frieden, Toleranz, Diversität und Stolz für lesbische und schwule Liebe. Aktuell ist sie zugleich Appell an die kirchlichen Entscheidungsträger, Dogmen und Lehrmeinung zu verheutigen.“ Zumal die theologische Begründung Roms zweifelhaft erscheine, denn es werden „weltweit etwa Biogasanlagen, Rosenkränze, Autos, ja sogar Spielzeuge und Haustiere von katholischen Geistlichen gesegnet“, hieß es in einer Mitteilung.

Die Fahne an einem Kriegerdenkmal verbrannt

Dieser aufgeklärten Meinung scheinen offenbar nicht alle zu sein: Nachdem im September des vergangenen Jahres schon einmal eine der gehissten Regenbogenfahnen abgerissen und an einem Kriegerdenkmal hinter der Kirche verbrannt worden war, hatte der Staatsschutz der Essener Polizei die Ermittlungen übernommen. Es bestand der Verdacht einer Straftat von rechts, da auch ein Hakenkreuz an die Sakristei geritzt worden war. Der oder die Täter sind bis heute unbekannt.

Nach dem aktuellen Fall vom Samstag, bei dem für Brechmann ein Zusammenhang mit dem Ruhr Pride naheliegend ist, zeigt die katholische Pfarrgemeinde in Frintrop einmal mehr Flagge: Vor der St. Josef-Kirche flattert seit Sonntag bereits eine neue Regenbogenfahne im Wind.

377 politisch motivierten Straftaten in einem Jahr

Insgesamt kam es im Jahr 2023 in der Zuständigkeit der Polizei Essen als Kriminalhauptstelle zu insgesamt 377 Straftaten, die als politisch motiviert eingestuft worden sind. Das waren 37 Delikte weniger als im Jahr zuvor. 244 davon ereigneten sich in Essen, der Rest in Mülheim und Oberhausen. 218 und damit die mit Abstand meisten Verfahren rechnen die Ermittler der rechten Szene, 36 dem linken Spektrum zu. 15 gelten als ausländisch und sieben Delikte als religiös-ideologisch motivierte Straftaten. Rund 101 Sachverhalte aus allen drei Städten waren keiner dieser Kategorien zuzuordnen.

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