Essen-Nordviertel. Regelmäßig werden Tiere am Tierheim in Essen abgegeben: Die Mitarbeiter sind einiges gewohnt. Warum ein aktueller Fall sie dennoch schockiert.

Die Mitarbeiter des Albert-Schweitzer-Tierheims trauten ihren Augen kaum: Vor der Tür stand ein durchlöchertes Paket mit der Aufschrift „Achtung Flöhe“, zugeklebt mit Panzerband. In der Box eingesperrt wartete eine Katzenfamilie auf ihre Befreiung. Zehn Minuten habe es gedauert, bis die Tiere aus dem Karton geholt werden konnten. Vater, Mutter und drei Katzenbabys müssen jetzt an neue Besitzer vermittelt werden.

„Als wir die Box gesehen haben, dachten wir uns zuerst nichts Böses. Erst auf den zweiten Blick haben wir die Löcher gesehen“, sagt Jeanette Gudd, die Leiterin des Essener Tierheims. Dass Pakete abgegeben werden, komme öfters vor – dann aber mit Spenden und nicht mit Lebewesen als Inhalt. „Wir haben sofort nach einer Adresse am Paket gesucht, um die Tiere zurückverfolgen zu können“, so Gudd weiter. Ein Absender konnte jedoch nicht gefunden werden. „Dass so etwas am helllichten Tag passiert, ist wirklich sehr ungewöhnlich.“

Ausgesetzte Katzen vor Essener Tierheim: unterernährt und mit verklebtem Fell

Katzenfund am Essener Tierheim
Eine Katzenfamilie wurde in einem verschlossenen Karton vor dem Tierheim abgestellt.  © Albert-Schweitzer-Tierheim | Albert-Schweitzer-Tierheim

Für die Katzenfamilie ging es erst einmal zum Tierarzt. Das sei laut Jeanette Gudd auch nötig gewesen: „Die Katzen waren in keinem guten Zustand. Ihr Fell war total verklebt und roch nach Benzin.“ Die Mitarbeiter vermuten, dass die Katzen aus einer Autowerkstatt kommen könnten – anders lasse sich der Geruch nicht erklären.

Die Katzenbabys seien außerdem hungrig gewesen, weil die Katzenmutter keine Milch geben konnte. Alle Katzen seien extrem unterernährt gewesen und hätten Flöhe gehabt. Nachdem die Katzen gefüttert worden waren, ging es in die Quarantänestation. „Das ist total wichtig! Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist, dass sich bei uns Krankheiten verbreiten“, erklärt die Tierheimleiterin.

Aus diesem Grund müssen alle neuen Katzen für die ersten Tage in einem ungefähr zwei Quadratmeter großen Käfig von den anderen Tierheimkatzen getrennt werden. Die Katzenmutter werde nicht von ihren Babys entfernt – der Vater aber müsse aus Platzgründen in eine andere Box.

Die Katzen wirken zutraulich auf die Mitarbeiter, ängstlich seien sie nicht. Auch Namen haben sie schon bekommen, denn die Mitarbeiter benennen jedes neue Tier. Inkeri, Isac, Iloi, Iberius und Indigo heißen die Fundkatzen. „Der Name Inkeri kommt aus einem Krimi, den ich letztens gelesen habe. Ich fand den Namen einfach lustig für eine süße Katze“, sagt Gudd.

Ausgesetzte Katzenfamilie jetzt in temporärer Pflegestelle in Essen untergebracht

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Anders als viele andere Tiere, die lange Zeit im Tierheim bleiben müssen, könnte die Katzenfamilie schon bald ein neues Zuhause bekommen. Die Essenerin Carolin Ottenberg hat sich direkt gemeldet, als sie von den Tieren erfahren hat. Sie hat eine temporäre Pflegestelle und versorgt Tiere bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie an neue Besitzer weitergegeben werden können. „Ich finde das mit dem Paket total grausam. Gleichzeitig ist es aber auch besser, als wenn das Tier umgebracht wird“, sagt die Essenerin. Obwohl sie bereits viele Tiere zur Pflege übernommen hat, sei jede neue Katze eine Herausforderung und bedeute viel Arbeit. „Ich habe zum Glück flexible Arbeitszeiten. Das macht das Ganze ein bisschen einfacher“, sagt Carolin Ottenberg.

In ihrem Bekanntenkreis hat sie berreits von den neuen Katzen erzählt, woraufhin sich direkt mehrere Personen als mögliche neue Besitzer gemeldet hätten. „Dann weiß ich wenigstens, dass die Tiere in guten Händen sind.“ Auf die Frage, warum sie diese Arbeit auf sich nimmt, hat sie eine klare Antwort: „Die Tiere haben das einfach nicht verdient.“

Tierheimleiterin: Jede Katze kostet das Essener Tierheim etwa 20 Euro am Tag

Tierheim Essen
Im Albert-Schweitzer-Tierheim sind derzeit etwa 150 Katzen untergebracht. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Wenn Essenerinnen und Essener eine Katze aus dem Albert-Schweitzer-Tierheim als Haustier haben möchten, werden sie zunächst in einen Raum geführt, wo sie die Katzen besser kennenlernen können. Wenn sich Mensch und Tier dann gut verstehen, können die Tiere gegen eine Gebühr von 95 Euro mitgenommen werden. „Wir beobachten aber ganz genau durch das Fenster, wie das Verhältnis zwischen den Menschen und Tieren ist. Manchmal sagen wir auch: Nein, das passt leider nicht“, sagt Jeanette Gudd.

Im Tierheim befinden sich derzeit rund 150 Katzen, die auf ein neues Zuhause warten. Finanziell werden die steigenden Katzenzahlen eine immer größer werdende Belastung für das Tierheim. „Wir haben die Kosten zusammengerechnet und haben herausgefunden, dass uns jede Katze rund 20 Euro pro Tag kostet“, sagt die Tierheimleiterin. Obwohl immer mehr Tiere abgegeben werden, versucht Gudd nicht den Mut zu verlieren: „Es fällt mir derzeit zwar immer schwerer, aber ich versuche immer positiv zu denken.“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]