Essen-Altenessen. Auf einem Baugrundstück sind seit Beginn der Arbeiten im März 2024 sieben Bomben entdeckt worden. Das Areal wird nun gründlich abgesucht.

Was Peter Biersa am meisten zu denken gibt: „Unsere Kinder haben auf dem Platz Fußball gespielt, Vereine haben dort Turniere ausgetragen – Wochenende für Wochenende“. Der 73-Jährige wohnt in der Zangenstraße, unweit des früheren Sportplatzes, unter dem, so weiß man heute, Weltkriegsbomben lagen: Unentdeckt, wie an so vielen Stellen, bis die Bagger kamen.

Auf dem Gelände soll in den nächsten Jahren die neue Gesamtschule Altenessen-Süd entstehen. Doch das Bauvorhaben verzögert sich. Ein Grund sind die zahlreichen Bombenfunde – seit Baustart im März 2024 sind sieben Blindgänger auf dem Areal Berthold-Beitz-Boulevard/Erbslöhstraße gefunden und entschärft worden: fünf Brand- und zwei Fliegerbomben. Anfang Juni war noch während der Bauarbeiten eine Fünf-Zentner-Bombe entdeckt worden. 700 Anwohner und Anwohnerinnen im direkten Umkreis waren betroffen.

Baugrundstück in Altenessen wird in drei Phasen auf Blindgänger untersucht

Das Ordnungsamt untersagte daraufhin auf Empfehlung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD) der Bezirksregierung Düsseldorf weitere „Eingriffe in den Untergrund“, wozu Aushub, Einbau oder Verdichtung zählen, wie Stadtsprecher Burkhard Leise erklärte. Mit anderen Worten: Es wurde ein vorläufiger Baustopp verhängt.

Seitdem wird die gesamte Oberfläche des etwa 38.000 Quadratmeter großen Grundstücks untersucht. Das geschehe in drei Phasen, so Burkhard Leise: „In der ersten und bereits abgeschlossenen Phase wurden Verdachtspunkte ausgeräumt, die anhand von Luftbildern entdeckt wurden.“

Im Rahmen der Sondierungsarbeiten entdeckte man Ende Juni eine Zehn-Zentner-Bombe auf dem Areal: In einem Sperrkreis von 600 Metern waren 2800 Anwohner und Anwohnerinnen betroffen. Obwohl die Bombe bereits mittags gefunden wurde, konnte die Entschärfung erst am späten Abend beginnen und musste zeitweilig noch einmal unterbrochen werden, weil einige Menschen sich weigerten, den Bereich zu verlassen bzw. dorthin zurückkehrten.

Anwohner mit kleinen Kindern oder kranken Verwandten leiden unter Evakuierung bei Bombenfund

So sah das Grundstück zu Baubeginn aus. Zuvor gab es auf der Fläche Kleingärten und einen Sportplatz.
So sah das Grundstück zu Baubeginn aus. Zuvor gab es auf der Fläche Kleingärten und einen Sportplatz. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Zu den betroffenen Anwohnern gehört immer wieder auch Peter Biersa. Ende der 1970er Jahre ist er hergezogen, hat miterlebt, wie die Kleingärtner und die Fußballvereine das spätere Baugrundstück räumen mussten. Dass man bei der langen Vorlaufzeit bis zum Baubeginn nicht schon früher mal das Grundstück untersucht habe, wundere ihn. Aber nun könne man an der Situation eben nichts mehr ändern: „Das ist ein Erbe unserer Großeltern, das wir antreten müssen“, so Biersa.

Wann genau er welche Warnung bekommen habe, daran kann er sich nicht erinnern. Manchmal würde ihre Adresse im Sperrbereich liegen, manchmal nicht: je nach Größe und genauer Lage der Bombe – das Grundstück sei schließlich sehr groß. „Einmal haben wir die Mitteilung der Nina-Warn-App im Urlaub bekommen.“ Ein anderes Mal hätten sie nachmittags die Wohnung verlassen müssen und kurzerhand ihre Tochter in einem anderen Teil von Altenessen besucht. „Gegen 23 Uhr kam dann die Entwarnung.“

„Das ist ein Erbe unserer Großeltern, das wir antreten müssen.“

Peter Biersa, Anwohner

Er sei froh, dass rechtzeitig informiert werde, und es sei zwar lästig, aus der Wohnung zu müssen, für ihn und seine Frau aber kein großes Problem: „Wir packen einfach eine Tasche und fahren auf unseren Campingplatz in Haltern.“ Oder eben zur Tochter. Notfalls ließe es sich auch in einer der Sammelstellen aushalten, meint er. „Da trifft man die Nachbarschaft, spielt Karten und geht abends wieder nach Hause.“ Für andere aber sei so eine Evakuierungssituation nicht so einfach: Für die Nachbarn mit den kleinen Kindern zum Beispiel, oder für die bettlägerige Nachbarin, die auf Unterstützung von Angehörigen angewiesen sei.

Angst machen ihm die Funde nicht: Da die Zangenstraße weit genug von der Erbslöhstraße entfernt liege, die Häuser nicht an das Baugrundstück angrenzen, sieht er „keine unmittelbare Gefahr“. Weil er früher selbst als Bauleiter gearbeitet habe, müsse er allerdings oft daran denken, was die Baggerführer bis zum Baustopp mit ihrer Schaufel hätten „anrichten können, ohne es zu wollen. Ich bin froh, dass bisher nichts passiert ist.“

Wie furchtbar aber müsse dieser „Bombenhagel“ damals für die Menschen gewesen sein – „wir haben eine Vorwarnzeit von Stunden, früher hatte man maximal ein paar Minuten“. Die Leute hätten nicht mal gewusst, ob sie hinterher zurückkehren könnten. „Wo sind die überhaupt hingegangen, gab es hier einen Bunker?“ Viele Häuser in der Siedlung seien in den 1950er Jahren gebaut worden, „da möchte ich mir lieber nicht ausmalen, was darunter oder in den Gärten noch alles liegt“.

Sondierungsarbeiten und Baustopp lassen Kosten für Schulneubau in Altenessen-Süd weiter steigen

So soll die Gesamtschule in Altenessen-Süd einmal aussehen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass die Tiefbau-Maßnahmen und der Beginn des Rohbaus Ende März 2025 fertiggestellt sein können.
So soll die Gesamtschule in Altenessen-Süd einmal aussehen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass die Tiefbau-Maßnahmen und der Beginn des Rohbaus Ende März 2025 fertiggestellt sein können. © Zumbrink, Ralf | Zumbrink, Ralf

Aktuell läuft auf dem Baugrundstück die zweite Phase der Sondierungsarbeiten, bei der die Fläche nach Abtrag der obersten Bodenschicht untersucht werde, wie Stadtsprecher Burkhard Leise erklärt. Etwa die Hälfte des Baufelds sei dafür mittlerweile freigelegt worden. „Die Oberflächenbefestigung des ehemaligen Sportplatzes ist abgetragen. Der Bereich wurde bereits durch den KDB untersucht.“ Dabei hätten sich „verschiedene Verdachtspunkte ergeben“, die zeitnah genauer geprüft werden müssten. „In der abschließenden dritten Phase wird eine Sicherheitsdetektion vor der Ausführung konkreter Bautätigkeiten vorgenommen.“

Die übrige Fläche solle im Laufe des Monats August untersucht und anschließend freigegeben werden. Danach könne der Aushub der Baugrube vorbereitet werden. Die Tiefbau-Maßnahmen und der Beginn des Rohbaus könnten dann Ende März 2025 fertiggestellt sein.

Schule als Quartierszentrum

Mit dem Rohbau für die neue sechszügige Gesamtschule in „nachhaltiger Holzhybrid-Bauweise“ sollte eigentlich im Juli 2024 begonnen werden. Die Schule auf dem Grundstück des ehemaligen Sportplatzes an der Erbslöhstraße soll künftig rund 1300 Schülern und Schülerinnen, 110 Lehrkräften sowie Sozialpädagogen und weiteren Angestellten Platz bieten.

Zusätzlich zu den Räumen der Gesamtschule entstehen Mehrzweckräume, damit die Schule die Funktion eines Quartierszentrums übernehmen kann, ähnlich wie die 2021 fertiggestellte Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck, in der nicht nur die Stadtteilbücherei untergebracht ist, sondern die auch von Vereinen, Verbänden und für Veranstaltungen genutzt wird.

Auch Sportmöglichkeiten für Schule und Allgemeinheit sollen auf dem Areal geschaffen werden: eine Dreifachsporthalle sowie zwei Einfachturnhallen; außerdem eine Outdoor-Anlage mit Sportgeräten.

Bei der Planung des Schulneubaus war man ursprünglich von 100 Millionen Euro Gesamtinvestition ausgegangen, die letzte aktuelle Kalkulation lag bei 137,2 Millionen Euro. Die neuen Zusatzkosten der Verwaltung belaufen sich nun laut Burkhard Leise auf rund 490.000 Euro für die kampfmitteltechnische Begleitung beim Aushub sowie rund 150.000 Euro aufgrund des Baustopps und gesperrter Teilflächen. Es könnte jedoch noch teurer werden: „Die zuletzt genannten Kosten aufgrund des Stillstandes können noch nicht abschließend beziffert werden, da die Einschränkungen im Bauablauf nicht abgeschlossen sind. Weitere Zusatzkosten können mit Blick auf die noch anstehende dritte Phase der Kampfmitteluntersuchungen nicht ausgeschlossen werden.“

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