Essen. Vom Kommunikationsdesign zur Folkwang-Uni der Künste: Melwyn Haenschs Leidenschaft ist Zeichnen. Am liebsten ist er dabei draußen unterwegs.

Der Zeichenblock und ein Etui voller Polychrom-Stifte sind Melwyn Haenschs ständige Begleiter. Seine Leidenschaft ist die Reportagezeichnung. Er ist Student der Folkwang-Universität der Künste und steuert den Abschluss Bachelor an. In einem Projekt des multidisziplinären Kunstzentrums für Tanz, Musik und Kunst, PACT Zollverein, hat er unter anderem die Katernberger Meerkamp-Siedlung porträtiert, die ganz in der Nähe seines jetzigen Wohnortes liegt.

„Ich bin durch einen uniinternen Aufruf von PACT zu dem Projekt gestoßen. Dabei ging es darum, einen Teil des sogenannten Schaufensters zu gestalten. Wie, war dabei komplett mir überlassen. Nur das Thema Meerkamp war vorgegeben, da es sich dabei um ein akutes Thema in Katernberg handelt. Ziel war also vor allem, Aufmerksamkeit für die Wohnsiedlung zu erzeugen.” Bei Melwyn Haensch ist diese Aufmerksamkeit vorhanden. Ihm liege diese Siedlung am Herzen.

Folkwang-Student zeichnete seine Beobachtungen in der Essener Meerkamp-Siedlung

KATERNBERG: Folkwang-Student Melwyn Haensch hat Alltagsszenen aus der Wohnsiedlung Meerkamp gezeichnet. Sein Spezialgebiet ist die Reportagezeichnung.
Es sei bereichernd für ihn, irgendwo auf Menschen zu treffen, die er gar nicht kennt, sagt Melwyn Haensch. Dann versuche er sich auf deren Lebenssituation einzulassen und das zeichnerisch festzuhalten.  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Meerkamp-Siedlung ist ein Teil von Katernberg an der Zollvereinstraße, nahe der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen. Die Bewohner dort stammen aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten und verschiedenen Kulturen. Das bedeute, dass das Leben dort teilweise recht schwierig sein könne, so Haensch. Dieses Empfinden habe er auch gehabt, als er vor Ort etwa 30 Zeichnungen für das Projekt erstellt hat. Entstanden ist eine kleine Ausstellung der Originalzeichnungen mit einem großen Motiv für das gesamte Schaufenster.

Seit Jahren gibt es in der Meerkamp-Siedlung Probleme, die in Teilen auf die Qualität des Wohnbestands zurückzuführen sind. Verschiedene Akteure wie das Bürgerzentrum Kon-Takt, die Quartierhausmeister der Awo, die Bezirkspolitik, die Mietergemeinschaft Essen e.V. sowie die Stadtteilmoderation des Instituts für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISSAB) setzen sich mit der Problematik auseinander, um die Mieter zu unterstützen. Auch die WerkStadt beschäftigt sich in einem eigenen Programm mit diesem stadtteilbezogenen Thema, so die Website von PACT Zollverein.

„Es war für mich nicht leicht, diese Zeichnungen auf das Papier zu bringen”, erinnert sich der 30-jährige gebürtige Bochumer. „Es ist dort nicht einfach, Kontakt zu den Menschen aufzubauen, die sich mit vielfältigen Problemen herumschlagen müssen.” Zudem seien die zwei Wochen Zeit, die er gehabt habe, einfach schnell vergangen.

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Es sei ihm bei derartigen Zeichnungen wichtig, dass der Mensch im Vordergrund stehe. Die Meerkamp-Siedlung sei ein komplexes Thema, weil offenbar auch viele Mängel in den Wohnungen und an den Häusern, wie Schimmel oder undichte Dächer, den Alltag der Menschen erschweren würden. Haensch hat deshalb auch häufiger das Bürgerzentrum Kon-Takt am Katernberger Markt aufgesucht. Das sei für viele Menschen ein Ort der Hoffnung auf Hilfe in Situationen, die die Menschen teilweise überforderten, sagt er. „Dort habe ich gezeichnet, was ich gesehen habe.” Das seien vor allem Menschen gewesen, die einfach in Ruhe leben wollten, in Wohnungen, die sie ihren Kindern und sich selbst zumuten könnten. Unter diesem Aspekt sei er zufrieden mit seiner Arbeit, seien die Zeichnungen aussagekräftig.

In einem Projekt zeichnete der Essener Folkwang-Student Tänzer in Bewegung

Folkwang-Student Melwyn Haensch zeichnet Alltagsszenen
Folkwang-Student Melwyn Haensch zeichnet am liebsten Alltagsszenen. © Melwyn Haensch

Die Reportagezeichnung ist seine Leidenschaft. Haensch hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kommunikationsdesigner und ist erst später auf die Idee gekommen, ein Studium zu beginnen. Das Zeichnen habe sich „so nach und nach entwickelt“. Anfangs zeichnet er recht sanfte Nuancen auf das Papier. „Das gibt mir die Möglichkeit, nachher Konturen zu schärfen”, erklärt er.

Er beschäftige sich gern mit Menschen, setze sich gern mit ihnen zeichnerisch auseinander. Als Ort für den Gesprächstermin hatte Melwyn Haensch ein Naturschutzgebiet in Katernberg ausgewählt: ein richtig idyllischer Platz, würden nicht oben auf dem Bahndamm Züge fahren. „Ich bin gern in der Natur, gehe hier häufiger spazieren und beobachte die Menschen”, erklärt er seine Beweggründe für die Ortswahl. Während des Gesprächs zeichnet er – wieder einen Menschen, nicht die Natur.

Versammlungen im Bürgerzentrum

Im Bürgerzentrum Kon-Takt, Katernberger Markt 4, finden regelmäßig Mieterversammlungen statt, die zur Vernetzung der Mieter untereinander beigetragen sollen. Seitens des ISSAB und des Bürgerzentrums Kon-Takt wird eine Mängelliste der Meerkamp-Siedlung geführt: als Grundlage für Gespräche mit dem Vermieter und mit Behörden (z.B. der Wohnungsaufsicht der Stadt Essen).

Jeden 2. und 4. Dienstag im Monat berät die Mietergemeinschaft Essen e.V. von 14 bis 15.30 Uhr Mieter aus dem Meerkamp im Bürgerzentrum Kon-Takt; eine Anmeldung ist nicht notwendig. (Tel. 0201 8851740)

Spannend habe er auch ein Projekt gefunden, das er mit einer Tanzklasse durchgeführt habe. Da habe er die Personen gezeichnet, während sie getanzt haben, vom Training über die Proben bis zur Aufführung. Das seien dann überwiegend Skizzen von Menschen in Bewegung gewesen, nicht so detailreiche Zeichnungen wie die aus der Meerkampsiedlung oder die beim Gespräch.

Es sei bereichernd für ihn, irgendwo auf Menschen zu treffen, die er gar nicht kennt, sich dann aber auf deren Lebenssituation einzulassen und das zeichnerisch festzuhalten. Das macht die Reportagezeichnung aus. Aber Melwyn Haensch gibt sich keineswegs Illusionen hin: „Ich weiß, dass es sehr lange dauern kann, bis ich mit dem Zeichnen meinen Lebensunterhalt bestreiten kann.” Deswegen werde er wohl nach dem Studium wieder ins Kommunikationsdesign einsteigen, wieder Programme schreiben, also seinen eigentlichen Beruf ausüben. Das Zeichnen solle aber nicht nur ein Hobby sein, betont er, es solle einen festen Platz in seinem Leben haben.

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