Essen. Wer verfälschte auf ordinäre Weise einen Facebook-Post, um einer Parteifreundin zu schaden? Ein bizarrer Prozess gibt Einblicke in Essens AfD.
Feind, Erzfeind, Parteifreund lautet ein gern gebrauchter Dreiklang, wenn es darum geht, das Innenleben von Parteien zu beschreiben. Denn nur weil sie in ein und derselben Partei sind, sind sich Mitglieder und Funktionäre noch lange nicht immer grün. Die Essener AfD bildet in diesem Punkt keine Ausnahme, wie jetzt ein bizarrer Rechtsstreit zwischen Ratsfrau Stefanie Brecklinghaus und dem Bezirksvertreter Markus Vogt vor dem Amtsgericht in Steele zeigte.
Jemand hat den harmlosen Post durch zwei Buchstaben ergänzt und dadurch verfälscht
Stein des Anstoßes war eine Veröffentlichung im April 2023 auf Facebook, ein sogenannter Post. Stefanie Brecklinghaus hatte in ihrer Timeline ein Foto veröffentlicht, das sie mit zwei Männern zeigt. Sowohl dieses Foto als auch der dazugehörige Text sind eigentlich denkbar harmlos: „Swing Boogie-Night... Es war ein schöner Abend mit tollen Künstlern und super Stimmung“, schrieb die Ratsfrau. Irgendwer hat das mittels eines Screenshots dann herauskopiert, zwei unschuldige Buchstaben hinzugefügt und zur „Swinger & Boogie Night“ verändert.
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Auf digitalen Kommunikationskanälen wurde der verfälschte Post nun weiterverbreitet – zumindest einmal auch von Markus Vogt – und erweckte den schlüpfrigen Eindruck, Stefanie Brecklinghaus besuche Swinger-Veranstaltungen. Wer mit dem Wort nichts anzufangen weiß: „Swinger“ sind Leute, die recht wahllos an speziellen Party-Treffpunkten mit anderen Leuten Sex haben.
Davon fühlte sich Brecklinghaus böswillig verunglimpft und klagte auf Unterlassung. „Wir gehen davon aus, dass er der Manipulateur ist, können es aber nicht beweisen“, sagte der Rechtsbeistand von Stefanie Brecklinghaus und meinte damit Markus Vogt.
Beschuldigter AfD-Bezirksvertreter bestreitet die Manipulation
Der Stadtteilpolitiker Vogt bestreitet das: Er habe den manipulierten Post lediglich über eine Whatsapp-Gruppe erhalten und tatsächlich ein einziges Mal weitergeleitet – und zwar an einen der Männer, die auf dem Foto zu sehen sind. Versehen mit dem vorgeblich gut gemeinten Rat: Darüber müsse man mit der Steffi einmal reden...
Dass er selbst den Post verändert hatte, stritt Vogt aber ab. Vielmehr ließ er durchblicken, dass er gar nicht an eine Fälschung dachte, vielmehr Brecklinghaus für die „Swinger“-Verfasserin hielt – weil sie sich vertippt hatte oder weil es sich vielleicht wirklich um eine solche Sex-Veranstaltung gehandelt habe. Eine Einlassung, die ihr Anwalt umgehend konterte, er werde nicht zulassen, dass „Dreck über meine Mandantin ausgekübelt wird“. So etwas nennt man wohl Schlammschlacht.
Dass zwei Lokalpolitiker einen solchen Streit vor Gericht ausfechten, sagt viel aus über den Zustand der Essener AfD, die in zwei Lager gespalten ist. Fast unnötig zu erwähnen, dass die beiden Kontrahenten nicht demselben angehören. Ein Schiedsverfahren war zuvor im Sande verlaufen, befrieden konnte es die Streitparteien nicht.
Beide Kontrahenten bestätigen letztlich den politischen Hintergrund des Streits
Vogts Anwältin deutete vielsagend an, dass politische Gründe eine Rolle spielen, ohne dies zu präzisieren. Und auch Vogt selbst sagt auf Nachfrage, dass Brecklinghaus eine „derart riesige Sache“ aus einem „humorigen Vorgang“ mache, müsse wohl mit dieser Lagerbildung zu tun haben. Brecklinghaus wiederum bestätigt ebenfalls auf Nachfrage, dass sie ihren innerparteilichen Gegnern die Verfälschung und damit verbundene Rufschädigung leider zutrauen müsse.
Geht es bei alldem aber wirklich um inhaltliche Differenzen zwischen Radikalen und Gemäßigten, wie die Kontrahenten behaupten? Oder nicht vielmehr um weit überwiegend persönliche Animositäten? Bei der AfD, nicht nur in Essen, ist das mittlerweile kaum noch zu entwirren, aber viel spricht für zweiteres.
Für das Gericht spielte die AfD-interne Politik bei der Bewertung des Falles jedenfalls keine Rolle. Die Essener AfD aber treibt der Rechtsstreit offensichtlich um. Denn mit dem Kreisvorsitzenden und Ratsherrn Günter Weiß und der ehemaligen Bundestagskandidatin und Ratsfrau Andrea Pousset fanden sich unter den Zuhörern im Gerichtssaal auch lokale AfD-Akteure, deren Sympathien allerdings zwischen den Streithähnen geteilt gewesen sein dürften.
Eine Brücke, die der Richter den beiden Streitparteien bauen wollte, trug nicht
Das Gericht ließ durchblicken, dass die Klage ins Leere laufen könnte. Eben weil es keinen Beweis gibt dafür, dass es Markus Vogt war, der den strittigen Post manipulierte. Eine Brücke, die der Richter den Streitparteien bauen wollte, trug nicht.
Vogt sollte erklären, den Post nicht weiterzuverbreiten, was der Beklagte zusagte – „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, wie er betont. Er besitze den Post ohnehin nicht mehr, denn er habe ein neues Handy. Brecklinghaus sollte im Gegenzug alle Kosten des Rechtsstreits tragen, was sie ablehnte. So sieht alles danach aus, dass bei einem weiteren Gerichtstermin ein Urteil fallen muss.
Swing Night oder Swinger Night? Die Schlammschlacht geht weiter.
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