Essen. Ulrich Hütte hat mit dem Ökumenischen Gabenzaun eine Anlaufstelle für bedürftige Menschen geschaffen. Ein Großprojekt

Krisensituationen fordern jeden von uns. Aber noch mehr all diejenigen, die ohnehin jeden Tag zu kämpfen haben. Und so traf auch die Corona-Pandemie vor allem die Ärmsten mit voller Wucht. Eine Zeit, in der für obdachlose und bedürftige Menschen (über-) lebenswichtige Anlaufstellen wie die Tafel oder andere Institutionen geschlossen werden mussten.

Eine Zeit, in der Alltagshelden geboren wurden. Einer wie Ulrich Hütte, der damals, im April 2020, den Ökumenischen Gabenzaun Altenessen ins Leben rief. „Viele Bedürftige wussten damals gar nicht mehr, wo sie hinsollten“, erzählt der 55-Jährige. „Und wir haben in der Kirchengemeinde, wo ich mich seit vielen Jahren schon engagiere, zusammen überlegt, was wir tun können.“

Eine Idee sei ein Nachbarschaftseinkaufsservice gewesen. „Da haben wir aber schnell gemerkt, dass das unter den Nachbarn in Altenessen so schon ganz gut klappt“, so Hütte. „Letztlich habe ich von Gabenzäunen im Internet gelesen – eine Idee, die alle gut fanden.“

Und eine Idee, die groß geworden ist. Der Gabenzaun ist ein ökumenisches Projekt der evangelischen Gemeinde Altenessen-Karnap sowie der Katholischen Pfarrgemeinde Hl. Cosmas und Damian. Mit Unterstützung aus den jeweiligen Gemeinden wurden damals Tüten mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln gepackt, die an einer zentralen Anlaufstelle im Stadtteil an einen Zaun gehängt wurden. Im ersten Lockdown sei man noch mit dem Fahrrad durch den Stadtteil gefahren, um zu schauen, wem man etwas Gutes tun könne, blickt Ulrich Hütte zurück. Denen man habe sagen können, wo man sich mit dem Nötigsten versorgen könne. „Heute kommen jeden Samstag rund 200 Menschen zum Gabenzaun.“

Fester Ankerpunkt

Der auch nur noch so heißt: Aus dem Zaun ist eine richtige Ausgabe geworden, eine Kleiderkammer versorgt die Menschen zudem mit Kleidung oder auch Schlafsäcken. Alle zwei, drei Wochen gibt es eine warme Mahlzeit, die ebenfalls von engagierten Menschen in Altenessen mit viel Liebe gekocht wird. „In Zukunft können wir die wahrscheinlich jeden Samstag anbieten“, freut sich Ulrich Hütte. Was großartig ist – für viele Menschen ist dies die einzige warme Mahlzeit in der Woche.

Seit Anfang 2023 gibt es zusätzlich ein Begegnungscafé, in dem Kaffee und Kuchen angeboten werden. So ist aus dem Gabenzaun ein fester Ankerpunkt geworden für die bedürftigen Menschen. Ein Ort, an dem sie gern gesehen sind. Wo man ihnen zuhört, ihnen hilft, beispielsweise bei Fragen rund um einen Gang zum Amt. Wo man ins Gespräch kommt. Einfach so.

Dutzende Helferinnen und Helfer engagieren sich in Altenessen für den Gabenzaun. „Am Anfang haben wir gesucht und Leute angesprochen, ob man nicht vielleicht mithelfen wolle. Meine Mitstreiterin und Freundin Tanja und ich waren auf Ehrenamts-Messen, um für uns zu werben. Aber im Laufe der Zeit sind immer mehr Interessierte von sich aus gekommen. Inzwischen sind wir ein Team von 45 Menschen, die ehrenamtlich zusammen aktiv sind. Nicht alle jeden Samstag, aber jeden Samstag kommen rund 15 Menschen zusammen und packen mit an.“ Wahnsinn!

Es ist ein wunderbares Beispiel für Zusammenhalt und „Füreinanderdasein“. Hört man Ulrich Hütte zu, könnte man ohne Weiteres zu dem Schluss kommen, er führe ein kleines Unternehmen. So viel, das erledigt, das koordiniert werden muss. Lebensmittel für die Ausgabestelle müssen eingekauft werden, „das mache ich mehrmals die Woche“, erzählt Ulrich Hütte. Zum Teil wird von den Supermärkten gespendet, was übrig ist. Bei Bäcker Peter gibt es die Backwaren vom Vortag für das Begegnungscafé kostenlos. Vieles aber finanziert sich über Geldspenden, für die Ulrich Hütte und Tanja Doczekala werben. Derzeit versuchen sie einen Spenderpool aufzubauen, um sicherzustellen, dass es den Altenessener Gabenzaun auch noch lange gibt. „Jeder Fünfer im Monat hilft uns, das Projekt aufrechtzuerhalten. Das gibt uns Sicherheit.“

Als wäre dies alles nicht genug, hat Ulrich Hütte gleich noch ein Projekt gestartet: Die zwei „Little Homes“ in der Nähe der Ausgabestelle des Gabenzauns sind kleine Häuser ohne Wasser und Strom, ca. drei Quadratmeter groß. Ein Raum, der Obdachlosen Schutz bietet, ein Rückzugsort, um sich von den Belastungen der Straße zu erholen. Ulrich Hütte erzählt die Geschichte von René. Ihn habe er zusammen mit seinem Team ein Jahr begleitet, „Anfang des Jahres ist er dann in eine Wohnung gezogen und hat auch wieder Arbeit gefunden“. Eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, was Hilfestellung alles ermöglichen kann. Die „Little Homes“ als Sprungbrett zurück in ein eigenverantwortliches Leben. „Es gibt einen Vertrag und Regeln, an die man sich halten muss“, erklärt Ulrich Hütte. Darunter: kein Alkohol, keine Drogen, kein offenes Feuer. „Man muss sich ordentlich benehmen, sonst fliegt man wieder raus. Generell können die Menschen so lange bleiben, wie sie wollen. Aber wir versuchen schon, sie wieder in ein geregeltes Leben zu bekommen.“

Manchmal scheint Ulrich Hütte selbst überrascht, was aus dieser Idee im April 2020 geworden ist. Etwas Großes, das ihm viel abverlangt. Natürlich. Ans Aufhören denkt er aber nicht. Im Gegenteil. „Man lernt die bedürftigen Menschen und ihre Geschichte kennen. Das berührt“, erzählt Hütte. „Und die Dankbarkeit jeden Samstag. Der Kirchplatz bei uns ist rappelvoll und die Menschen gehen mit einem Lächeln auf dem Gesicht und sagen: ,Danke, bis nächste Woche.’ Das ist ein tolles Gefühl.“

Dieses Gefühl macht die großen persönlichen Opfer (fast) vergessen. „Der Gabenzaun ist mittlerweile eine Institution in Altenessen, das kann man nicht aufgeben.“

Berufung gefunden

Auch sein berufliches Leben hat eine Wendung genommen. „Bis vor vier Jahren, als wir mit dem Gabenzaun gestartet sind, war ich noch Druckermeister bei einer Druckerei in Essen. Inzwischen arbeite ich auch hauptberuflich im sozialen Bereich, in der Jugendhilfe bei der Caritas. Ich kümmere ich mich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.“ Ulrich Hütte hat seine Berufung gefunden.

INFO

Helfende Hände kann man kaum zu viel haben. Das gilt auch für den Altenessener Gabenzaun von Ulrich Hütte und seinem Team. „Jeder ist herzlich willkommen.“ Einfach bei Ulrich Hütte melden, per Mail an: 3huettes@arcor.de

Wer (regelmäßig) spenden möchte, kann die folgende Bankverbindung nutzen:

Pfarrgemeinde Hll. Cosmas und Damian
DE 21 3606 0295 1004 8660 17
Bank im Bistum Essen
Verwendungszweck: Gabenzaun